Die Odyssee der Waisen - 1939 - 1949 - Di. 01.04. - ARTE: 20.15 Uhr

Terror, Pflicht und Nächstenliebe

28.03.2025 von SWYRL/Wilfried Geldner

Hunderttausende Polen wurden während des Zweiten Weltkriegs evakuiert, verschleppt und umgesiedelt - eine ebenso tragische wie komplizierte Geschichte, die an den Rändern des Krieges spielt und in Vergessenheit geriet. Kinder wurden zu Waisen, ihre Eltern starben auf dem Transport. Eine ARTE-Doku erzählt nun davon.

Mit dem Dokumentarfilm "Die Odyssee der Waisen - 1939 - 1949" über die Vertreibung der Polen und der Evakuierung unter Stalin im Zweiten Weltkrieg eröffnet ARTE einen Schwerpunkt über "Menschen und ihre Schicksale im Zweiten Weltkrieg". Drei Filme widmen sich - aus heutiger Sicht - Randereignissen der Katastrophe. Neben dem polnischen Drama unter besonderer Berücksichtigung des Schicksals der polnischen Kinder geht der Abend im Film "Der Fall des Leon K." (beide ARTE F) dem Leben eines Gefangenen nach, der von den Nazis aus Frankreich in ein KZ im Osten deportiert werden sollte. "Das Tagebuch des Abbée Stock" (NDR, ARTE) widmet sich dem deutschen Militärpfarrer Franz Stock, der als bereits in Paris lebender Zivilpfarrer nach dem Einmarsch der Deutschen zu der zweifelhaften Ehre kam, zahlreichen Hinrichtungen von Widerstandskämpfern und Geiseln im besetzten Paris beizuwohnen und den Todgeweihten Trost zu spenden.

"Sein Tagebuch hat mich ein wenig enttäuscht, muss ich sagen, weil er sehr wenig über das eigentliche Drama des Nationalsozialismus spricht", urteilt Jahrzehnte danach der Bischof von Nanterre, Matthieu Rougé, über Stocks knapp gehaltene Aufzeichnungen - letzte Mitteilungen und karge Namen, aber auch die nicht immer. Nach dem Krieg setzten ihm die Franzosen ein Denkmal. Einen unter vielen konnte er retten, anderen beistehen in ihrer letzten Stunde, gespalten zwischen Pflicht und Nächstenliebe.

Während die Bilder aus dem besetzten Paris nicht zuletzt zusammen mit den aufschlussreichen Erklärungen französischer Historiker eine unmittelbare Nähe heraufbeschwören, setzt sich "Die Odyssee der Waisen" sehr historisierend mit der Geschichte der nach dem Hitler-Stalin-Pakt verschleppten Polen auseinander.

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Fasziniert von der Natur Afrikas und der üppigen Vegetation

Für das Schicksal der 123 polnischen Kriegswaisen, die am 07. September 1949 einigermaßen glücklich in Halifax landeten, ist das Wort Odyssee sicher nicht zu groß. Sie wurden einst unter Hitler und (vor allem) Stalin als Kinder aus ihrer Heimat deportiert, kamen mit den Eltern in Arbeitslager in den Norden, Osten und Süden der Sowjetunion. Viele der Erwachsenen verhungerten oder erfroren auf dem Transport, die Kinder arbeiteten auf den Feldern mit oder mussten betteln. Als Hitler 1941 Stalin den Krieg erklärte, brauchte der Soldaten, die er sich von einer polnischen Exilarmee erhoffte. Wegen Versorgungsmangels wurden die Angehörigen der Soldaten von den befreundeten Briten später in den Iran deportiert und dort von Wohlfahrtsorganisationen betreut. Es gab Unterricht in polnischer Sprache und Freizeitaktivitäten, "ein erstes Aufatmen", heißt es im Film.

Doch die Odyssee ging weiter, die befreundeten Briten suchten nach neuen Quartieren auf ihren Gebieten. Neben Indien, Australien und anderen Ländern des Commonwealth kamen viele nach Afrika - nach Kenia, Uganda, Tansania. Dort gab es eine "polnische Kleinstadt" mit 5.000 Einwohnern, die in strohgedeckten Rundhütten lebten. Die Schulbücher kamen aus London, "die Kinder sind fasziniert von der Natur Afrikas, der üppigen Vegetation und den exotischen Tieren", heißt es nachträglich geradezu überschwänglich im Film. Im Rückblick muss das alles wie ein faszinierendes Abenteuer wirken. Mancher Nachkomme der einst Geflüchteten ist denn auch nicht wenig darüber überrascht, woher seine Vorfahren, die späteren Kanadier, eigentlich kamen.

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