Salvatore Schillaci
Weltmeister ist keiner von ihnen geworden. Unvergessen sind sie trotzdem. Paul "Gazza" Gascoigne, Carlos Valderrama und Salvatore "Totò" Schilacci (Bild) - wer in den 90-ern die WM-Spiele verfolgt hat, wird bei Namen wie diesen sehnsuchtsvoll aufseufzen. Wir erinnern an eine Zeit, in der Fußballprofis noch keine Musterknaben waren und nicht wie PR-Profis sprachen. Was aus den letzten Paradiesvögeln des Weltfußballs wurde? Erfahren Sie hier!
© AllsportSalvatore Schillaci
Kurz zuvor hatte Salvatore "Totò" Schillaci (Bild) mit Juventus Turin den UEFA-Pokal gewonnen: Sieben Tore erzielte der italienische Stürmer für die Squadra Azzurra. Sechs davon bei der Heim-WM 1990. Den Sizilianer hatten zuvor nicht mal die Tifosi auf der Rechnung. Hinterher feierte den besten Torschützen und besten Spieler des Turniers die ganze Welt.
© Simon Bruty/Allsport/Getty ImagesSalvatore Schillaci
1994 wechselte Schillaci in die japanische J. League, drei Jahre später beendete er schließlich seine Karriere. Danach nahm Schillaci an einer Reality-Show teil, spielte einen Mafia-Paten im Kino und eröffnete in seiner Heimat Palermo eine Fußballschule.
© Paolo Bruno/Getty ImagesSalvatore Schillaci
Dass sein Stern so schnell verblasste, wie er aufging, kümmerte Toto Schillaci rückblickend nicht: "Es gibt Spieler, die spielen 20 Jahre und schaffen nicht das, was ich erreicht habe", diktierte der "Goldene Schuh"-Gewinner dem Magazin "11 Freunde". "Es war nur ein Sommer, na und? Es gibt Schlimmeres im Leben." Er starb am 18. September an den Folgen einer Krebserkrankung. Schilacci wurde 59 Jahre alt.
© IMAGO / NurPhotoJorge Campos
Fangen wir ganz hinten an, im Tor. Wobei: Zwischen den Pfosten hielt es Jorge Campos nicht immer. 38 Tore schoss der Mexikaner im Laufe seiner Karriere - meist Elfer und Freistöße. Unüblich für einen Torwart auch die überschaubaren Körpermaße: Seine 1,68 Meter versanken während der WM '94 in zeltartigen Papageien-Outfits, die Campos selbst designt hatte.
© Lutz Bongarts/Getty ImagesJorge Campos
Deutlich weniger farbenfroh tritt der mexikanische Volksheld mit inzwischen 57 Jahren heute in der Öffentlichkeit auf. Nachdem sein Vater und bester Freund 1999 für sechs Tage entführt wurden, lebt der zeitweilige Assistenztrainer von Nationalcoach Ricardo La Volpe der Sicherheit wegen in der Nähe von Los Angeles.
© Ian Walton/Getty ImagesJosé Luis Chilavert
Noch torgefährlicher als der kleine Mexikaner Campos war dieser bullige Volksheld aus Paraguay: 60-mal traf José Luis Chilavert in Pflichtspielen ins Tor, davon achtmal im Nationaltrikot. Nicht nur für seine wuchtigen Freistöße und Elfmeter war der dreimalige Welttorhüter (1995, 1997, 1998) berühmt, sondern auch für starke Paraden und, auch das, für manche speichelnasse Provokation ...
© Mark Thompson/ALLSPORTJosé Luis Chilavert
Selbst handfeste Entgleisungen hielten den Mann mit dem Spitznamen "Bulldogge" nicht davon ab, mit dem Präsidentenamt zu liebäugeln. Auch wenn er hier lieber den Wahlkampf des späteren Staatsoberhaupts Horacio Cartes (rechts) unterstützte. Chilaverts Lebensmotto: "Ich will, dass die Leute immer von mir reden. Egal, ob gut oder schlecht." Das ist ihm vortrefflich gelungen.
© NORBERTO DUARTE/AFP/Getty ImagesRené Higuita
Exzentrischer geht es nicht? Dann haben Sie noch nie von René Higuita gehört! Der schillernde Kolumbianer wurde weltberühmt, als er in einem Länderspiel 1995 einen Weitschuss kopfüberkippend mit den Hacken parierte. "El loco", den Verrückten, nannte man den lockenköpfigen Keeper, dem seine Dribbeleinlagen 1990 spektakulär zum Verhängnis wurden. Er vertändelte den Ball an den Kameruner Roger Milla, Kolumbien schied aus.
© Mark Thompson/ALLSPORTRené Higuita
Kokainrückstände in zwei Dopingproben besiegelten das Ende der Spieler- und Torwarttrainerlaufbahn Higuitas. 2018 sah man ihn als ZDF-WM-Experten neben Oliver Kahn und weit öfter in kolumbianischen Reality-Shows. In der Sendung "Cambio Extremo" (zu Deutsch: "Völliger Wandel") ließ Higuita diverse chirurgische Schönheitsmaßnahmen von Kameras dokumentieren.
© ZDFCarlos Valderrama
Noch beliebter als René Higuita war und ist in Kolumbien er: Carlos Valderrama (vorne) spielte alle drei Weltmeisterschaften der 90-er und wurde zweimal "Südamerikas Fußballer des Jahres" - in einer Zeit, als auch Maradona und Zico die Stiefel schnürten. Weniger kniefällig stellte den genialen Passspieler der deutsche Kommentator Béla Réthy einst dem TV-Publikum vor: "Das da vorne, was aussieht wie eine Klobürste, ist Valderrama."
© Doug Pensinger /AllsportCarlos Valderrama
In seiner Geburtsstadt Santa Marta bauten sie "El Pibe", dem "kleinen Burschen", hingegen eine riesengroße Bronzestatue - nur die Locken sind aus Gold. Inzwischen arbeitet Valderrama vorwiegend als Co-Kommentator bei WM-Spielen, 2013 versuchte er sich im Fantasy-Western "Für eine Handvoll Haare" auch als Schauspieler.
© Eva Marie Uzcategui/Getty ImagesRoger Milla
Er war der Mann, der an der Eckfahne tanzte: Der Torjubel des Kameruners Roger Milla ist oft kopiert worden. Erreicht hat seinen geschmeidigen Hüftschwung keiner. Dasselbe gilt für den Kultstatus des schnauzbärtigen Angreifers, der sein Heimatland im zarten Alter von 38 Jahren bei der WM 1990 mit vier Turniertoren ins Viertelfinale schoss.
© Allsport UK /AllsportRoger Milla
Vier Jahre später in den USA traf er einmal - Milla ist damit der älteste WM-Torschütze aller Zeiten. In Kamerun genießt er eine Reputation, wie es lange Jahre der Fußballkaiser Franz Beckenbauer in Deutschland tat. Der zwischen Montpellier und Kamerun pendelnde 72-Jährige ist in seiner Heimat Sportberater des Präsidenten und WM-Botschafter seines Landes.
© Tullio M. Puglia/Getty Images for Golden FootPaul Gascoigne
Gegenteilig verlief die Karriere dieses Mittelfeldasses: Paul "Gazza" Gascoigne war überbordend talentiert, aber unterdurchschnittlich diszipliniert. 1990 spielte der exzentrische Engländer ein großes Turnier, wiewohl er statt zu trainieren mit Touristen Tennis spielte und sich auch mal nackt mit Ketchup einrieb. "Gazza" war ein Skandalprofi aus dem Buche. Und leider auch einer mit Alkoholproblem ...
© Nick Potts/ Allsport UK/Getty ImagesPaul Gascoigne
Was "Gazza" heute macht? Im Grunde dasselbe wie in den letzten 20 Jahren auch: Er versucht, sein Leben in die Spur zu bringen. Zuletzt verblüffte der Kultstar mit dem Bekenntnis, er sei eine Weile von Kinder-Fiebersaft abhängig gewesen. "Ich schaute auf eine Flasche Calpol und sah, dass das Zeug 0,001 Prozent Alkohol hat. Ich dachte, wenn ich 20 Flaschen davon trinke, wird es wirken."
© Michael Regan/Getty ImagesTerry Butcher
Als Terry Butcher 1990 zur WM nach Italien reiste, hatte er den Legendenstatus schon im Gepäck. Im entscheidenden Quali-Spiel gegen Schweden machte der Abwehrrecke seinem Nachnamen (zu Deutsch: "Metzger") größtmögliche Ehre und warf sich trotz klaffender Platzwunde in jedes Kopfballduell. Heute völlig undenkbar: Butcher sah nach dem Spiel aus, als käme er aus einem Splatterfilm.
© Bob Thomas/Getty ImagesTerry Butcher
1993 hängte das englische Mentalitätsmonster die Stollenschuhe an den Nagel und trainierte fortan britische Klubs aus unteren Spielklassen. 2017 musste der derzeitige Nationalcoach der Philippinen einen privaten Schicksalsschlag verkraften. Terry Butchers ältester Sohn Christopher starb offenbar an den Spätfolgen eines Afghanistan-Einsatzes für die Army.
© Stu Forster/Getty ImagesTrifon Iwanow
Viel zu früh endete auch das Leben des Bulgaren Trifon Iwanow. "Er macht keine Gefangenen", beschrieb einmal Teamkollege Christo Stoitschkow die Arbeitsweise des eisenharten Verteidigers mit der patentierten Raubeinoptik. Mit Dackelblick und kompromisslosen Tacklings wurde "der Wolf" 1994 in den USA sensationell WM-Vierter.
© Ross Kinnaird/AllsportTrifon Iwanow
Noch als Spieler kaufte sich Trifon Iwanow einen Armeepanzer - sowie mehrere Garagen voll hochmotorisierter Spaß-Fahrzeuge. Passend dazu investierte der Kult-Verteidiger a.D. in eine Tankstellenkette und Ölgeschäfte. Am 13. Februar 2016 erlag Trifon Iwanow im Alter von 50 Jahren einem Herzinfarkt. Er hinterließ seine Ehefrau und zwei Töchter.
© Gary M Prior/AllsportAlexi Lalas
Noch ein Verteidiger, der optisch und sportlich zugleich hervorstach: Alexi Lalas war einer der schillernden Stars der US-Mannschaft bei der Heim-WM 1994. Mit seiner Buffalo-Bill-Gedächtnisoptik weckte der griechichstämmige Abwehrmann bei manchen Fotografen süße Nordstaaten-Nostalgie. Er ging auch auf dem Platz wehrhaft zur Sache.
© Gary M. Prior/ALLSPORTAlexi Lalas
Der Bart und die Locken sind längst ab: Nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn versuchte sich Alexi Lalas als Manager verschiedener MLS-Klubs. Noch mehr Enthusiasmus steckt er aber in seine zweite Leidenschaft neben dem Fußball: die Rock-Musik. Sieben Albumveröffentlichungen stehen inzwischen zu Buche. Die meisten allerdings im Eigenverlag.
© Amy Sussman/Getty Images