16.02.2023 von SWYRL/Jürgen Winzer
Es gab wieder Skandal-Potenzial, aber Dieter Bohlen blieb diesmal gemütlich-cool wie eine Hundeschnauze und kochte eine Radikal-Veganerin ab, die "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) ohnehin nur als Vehikel für ihre Thesen nutzen wollte. Jury-Kollege Pietro Lombardi reagierte weniger abgeklärt.
These: Wäre Raffaela Raab (26) aus Wien eine radikal-veganische Tierschützerin mit "Nackedei-TV-Erfahrung", hätte es in der zehnten Casting-Show von "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) wieder ordentlich gescheppert. Weil Dieter Bohlen aber zum Veganismus ein toleranteres Verhältnis hat als zum nudelhaften Trash-TV, blieb die Eskalation beim Auftritt der Wiener Ärztin und "militanten Veganerin" (Eigenwerbung Raffaela) aus. Dabei darf man der Frau mit dem Slogan-T-Shirt ("Nicht vegan sein ist nicht okay") wohl unterstellen, dass ihr ein bisschen mehr Beef (im Sinne von Streit, nicht von Fleisch!) gar nicht unrecht gewesen wäre.
Aber Dieter Bohlen ließ sich nicht aus der Reserve locken. "Ich war auch mal Veganer, dann wurde ich Meganer, einer, der alles geil findet. Hab sogar nen Song gemacht."- "Lasst jedem Tierchen sein Pläsierchen", kaztet Dieters Motto, selbst wenn dabei mal ein Tierchen gegessen wird. Und überhaupt: "Ich glaube, dass auch Pflanzen Gefühle haben." Da konnte Raffaela keifen, wie sie wollte, Dieter blieb liebevoll.
In Pietro Lombardi ("Ich habe heute schon zwei Steaks gegessen") fand Raffaela ("Hättest du den Tieren ein Messer in die Kehle gesteckt, um daraus Schnitzel zu machen?") leichter einen Widerstreiter. Der Co-Juror und Ex-DSDS-Sieger zürnte: "Das, wofür sie kämpft, ist schon okay, aber ihre Art ist so brutal. Lass doch allen Leuten ihr Hobby." Aber Bohlen kühlte alle Mütchen und bugsierte dann auch Raffaela - denn singen kann sie nicht - hinaus. Kann durchaus sein, dass sie sich ihren Auftritt beim Podium DSDS schillernder vorgestellt hatte. Dieter Bohlen sorgte dafür, dass dieser Eskalationsversuch rohrkrepierte.
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Dieter Bohlen knickt unter jammerndem Kandidaten ein
Bei einem anderen Kandidaten war der Titan dann weniger lässig. Germain Winter (27) aus Stuttgart, der nach einem 2:2 und einer (für ihn) ungünstigen Joker-Wahl (Bohlen!) eigentlich schon ausgeschieden war, ging dem Pop-Senior mächtig auf den Senkel. Nicht mit der Stimme, die war okay, sondern mit seinem Flehen. Nach 30-sekündigem Auftritt und gefühlt 30-minütigem Gebettel packte Dieter die heilige Wut und den Recall-Zettel: "Da nimm, leck mich am Ar..., lass mich in Ruhe jetzt." Könnte durchaus sein, dass Germain den Recall nicht übersteht.
Aber es gab auch positive Überraschungen. Leonard Greschl (22) aus Schwabach etwa ist zwar eine ans Arrogante grenzende coole Socke, die unbedingt "Bachelor 2030" werden will, aber eben auch ein toller Sänger. Als Dieter Leonhards Bassstimme gewahr wurde, meinte er "Jetzt wär so'n Country-Song nicht schlecht" - und Leonhard sang ihn: "Your Man" (Josh Turner), einfach so aus dem Stegreif, abgezockt wie ein Vollprofi. Da gab's dann nichts mehr zu diskutieren: "Viermal Ja." Pietro Lombardi: "Das ist der Erste, der den Recall mit einem Song erreicht, den er sich nicht selbst ausgesucht hat."
Adriano Percoraro auf den Spuren von Alexander Klaws?
Weit kommen in diesem mutmaßlich letzten DSDS-Wettbewerb könnten auch Adriano Percoraro (21) aus Neuwied und Daniel Zimprich Del Castillo (22) aus Freiburg. Die beiden eint, dass sie wahrscheinlich noch gar nicht wissen, wie gut sie sind. Daniel stellte sich artig und schüchtern vor und gestand, dass er, der Youngster, auf Swing, Jazz und Balladen aus den 40er- und 50er-Jahren stehe. Von denen trug er dann eine ("La Vie En Rose", Louis Armstrong) vor, so schön, dass Leony glaubte, noch "das Rauschen vom Plattenspieler" zu hören. Dieter meinte nur "Du bist der Wahnsinn, von mir hast du ein 1000-prozentiges Ja."
Adriano wird womöglich auch nicht mehr lange im Verborgenen seines 115-Seelen-Heimatdorfes blühen. Er legte sich die Messlatte mit "You Raise Me Up" (Westlife) selbst sehr hoch - und überquerte sie dann zwar nicht brillant, aber sehr, sehr ordentlich. Dieter: "Gut gemacht. Ganz ehrlich: Alexander Klaws war bei seinem ersten Casting auch nicht besser." Und der hat DSDS damals schließlich als Erster gewonnen.
Dieter unverbesserlich: "Ist dir jemand über die Klöten gefahren?"
Siegchancen haben auch noch (weil sie den Recall erreichten): Jana Melina Eßer (23), die hübsche junge Mutter mit der kratzigen Stimme und den ewig langen Beinen aus Eberau (Österreich), die sich auf 14 Zentimeter hohen Absätzen den Recallzettel abholte, und Magdalena Dominik (27) aus Essen, die mit stimmigem Gesamtpaket (Dieter: "Hübsches Mädel, kannst gut singen, kannst gut Klavier spielen") überzeugte.
Der Traum vom Superstar ist für vier Kandidaten geplatzt. Dabei ging Dieter Bohlen teilweise mit Sprüchen zur Sache, die er auch vor 20 Jahren hätte bringen können. "Das klingt, als sei dir einer über die Klöten gefahren", analysierte er den Gesang von Bastian Barry (30) aus Celle. Bobette Landu (27) aus München bescheinigte er einen "Stimmumfang, mit dem man höchstens morsen" könne. Und bei Emily Unger (24) aus Burghausen, immerhin abgeschlossene Psychologie-Studentin mit Master, war Dieter fast ratlos: "Du bist doch intelligent. Wie kann man nur so mit der Selbsteinschätzung danebenliegen? Du kannst nicht singen. Wenn du so im Fahrstuhl singst, nehmen alle die Treppe." Fast gnädig ("Das war nicht richtig schlecht, aber auch nicht gut genug") kam da noch Felix Klement (25) aus Weiterstadt davon.
Ach ja, es gibt sicher ein paar, denen Dieter und seine Zoten fehlen werden. Vielleicht. Eventuell. Möglicherweise. Unter Umständen.