26.01.2022 von SWYRL/Jürgen Winzer
Wer ist der neue Superstar? Nach den ersten beiden Folgen von DSDS muss man feststellen: die Jury. Und RTL tut auch alles, dass das so bleibt. Das schmerzt dann allerdings beinahe so arg wie einige der Gesangsminderleistungen. Funken sprühten dennoch - und nicht nur auf der Bühne.
Vielleicht ist der Kurs des umgerüsteten einstigen RTL-Flaggschiffs "Deutschland sucht den Superstar" doch ein bisschen zu geradlinig. Auch auf der zweiten Etappe gab es keine Skandale, keine Verwerfungen, keine kuriosen Jury-Entscheidungen und auch keine durchgeknallten Kandidaten.
Während also der Dampfer gemütlich vor sich hinschippert, arbeitet RTL übereifrig daran, die neue Mannschaft als Traumkombi zu etablieren. Motto: "Wer ist der neue Superstar: unsere geile Jury!" Auch in Show zwei wurden die Trailer zur Vorstellung der drei Juroren gesendet und wirkten eher wie aus den Werbeblocks gefallene Werbespots.
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Kein Passant kennt Ilse DeLanges großen Hit
Muss sich RTL wirklich für seine neue Besetzung am Jurypult rechtfertigen? Die Imagefilmchen, in denen Toby Gads Produzentenmeriten ("Zweimal Songwriter of the Year"!) und Promi-Bekannte und Ilse DeLanges sechs Nummer-eins-Platten (in den Niederlanden!) aufgelistet werden, haben etwas Verschämtes. Motto: "Ja, die kennt keiner so richtig, aber das ist unfair, denn die sind echt voll toll und das beweisen wir euch jetzt." Florian Silbereisen, den Schlager-Titan, den Traumschiff-Kapitän, den "größten Entertainer Deutschlands" (RTL-Sprech), kennt natürlich jeder, aber - fair ist fair - er kriegt auch seinen Trailer.
Natürlich zählen Gad und DeLange nicht zu den A-Promis der Szene. Das wurde DeLange eindrucksvoll bewiesen, als sie anhub, gemeinsam mit den Passanten draußen vorm Glaspavillon ein Lied zu schmettern. Sie schnappte sich munter die Klampfe und schrammelte ihren größten Hit. "Calm After The Storm" ist ein tolles Lied, schließlich wurde DeLange damit 2014 Zweite beim ESC. Hinter Conchita Wurst zeitigte Ilse damit Hollands größten ESC-Erfolg seit dem Sieg 1975 (mit Teach-In). Aber obwohl der Song Ilses einzige (!) Single-Charts-Platzierung in Deutschland bedeutete - den zufälligen Passanten in Burghausen haut das nicht vom Hocker. DeLanges Erkenntnis: "Die kennen das gar nicht." Und Abgang.
RTL macht Werbung für seine Juroren
Noch schräger wird's, wenn Toby Gad ins Plappern kommt und bei jedem zweiten Kandidaten eine Geschichte vom Pferd erzählen darf - beziehungsweise einen eigenen Erfahrungsbericht von der Arbeit mit dem Star, dessen Lied gerade von einem No-Name-Talent in Wernigerode oder Burghausen interpretiert werden soll. Letzten Samstag durfte er in Erinnerungen an Byoncé schwelgen, diesmal war Madonna dran. Nächsten Samstag wird's höchstwahrscheinlich John Legend sein.
Fuck you, Toni! Fuck you, Ezekiel! Kennen Sie diesen Meme-gewordenen Sketch, der in Social-Media-Kanälen viral ging, in dem sich zwei Leute über die Ferne gegenseitig beleidigen? So ungefähr muss es gewesen sein, damals, als der neue DSDS-Superjuror Toby Gad und Madonna im Tonstudio einander anbrüllten. "Fuck you, Toby!" - "Fuck you, Madonna!" Wow, am DSDS-Pult sitzt also einer, der schon der großen Madonna Kontra gab!
Die Jury geht zu Boden!
Zwei Dinge zur Beruhigung: Erstens war der Zoff mit der Pop-Queen von reinigender Natur. "Sie hat mich danach zweimal zu Geburtstagspartys eingeladen und wollte, dass ich mit ihr auf Tournee gehe." Puh, da ging ein kollektiver Stoßseufzer der Erleichterung durch die Fußgängerzone von Burghausen! Zweitens: Irgendwann bemerkte Toby dann selbst, dass da etwas nicht so passt: "Aber jetzt genug von mir."
Die Jury tut viel, um entertainend zu sein. Ilse DeLange ist eh nur am Schunkeln und Mitsingen. Wegen Kandidat Nikola Pesic ging sogar die ganze Jury zu Boden. Allerdings nicht wegen seiner Gesangsleistung - obwohl das angebracht gewesen wäre (Silbereisen: "Wie ist es möglich, dass man überhaupt keinen Ton trifft?") -, sondern weil er Fitness-Experte ist. Silbereisen hatte die total spontane Idee, dass man mal Liegestützen machen könnte. An Nikolas Miene ließ sich ablesen, wie viel er davon hielt. So viel wie Toby Gad von Nikolas Gesangsleistung: Es tat sichtbar weh.
Vom Liebwesen Tamara Köcher waren alle so begeistert, dass es zur Jury-Rudelbildung um das Klavier kam, wo Tamara leidenschaftlich klimperte - und sich durch die unerwartete Respektbezollung prompt aus dem Takt bringen ließ.
Bitter: Kein Auslands-Rendevouz für Ilse DeLange
Die Jury agiert freundlich, bemüht, menschlich, selbst in der Ablehnung mitfühlend. "Lebe deine Träume, aber nicht mit dem Singen", gab Silbereisen Kandidatin Valerie Grandits einen Mut machenden verbalen Schulterklopfer.
Und jeder am Pult hat ein Recht auf seine eigene Meinung! Das ließ Dieter Bohlen eigentlich auch nur dann durchgehen, wenn er grade von Äußerlichkeiten abgelenkt war. Die 2:1-Entscheidungen häuften sich. Zum Entsetzen von Ilse DeLange, die sich in den Kandidaten Damian Seiler geradezu schockverliebte und derart ausflippte, als sehe sie sich mit dem sympathischen Schweizer schon im Auslandsrecall üben - Hand in Hand den Sonnenuntergang beobachtend. Üben muss Damian noch. Das erkannten auch die beiden anderen Juroren und ließen DeLanges Rendezvous brüsk platzen.
Pyro-Effekte im Glaskubus
Die Funken sprühten nicht nur bei Ilse DeLange (Silbereisen: "Uiuiui!"), sondern auch bei Kandidat Anthony Kajzer. Der sorgte im selbstgeschneiderten Silberglitzer-Strampelanzug als wandelnde Discokugel für das optische Highlight und setzte mit putzigen Silvesterfauchern sogar ein bisschen Pyro ein. Leider war er stimmlich nicht so der Kracher und gehörte nicht zu den Fünfen, die es in Folge zwei in den Recall schafften.
Und dieser Recall. Das ist der größte Fehler am neuen Format. Da wird ja (das hat sich nicht verändert) ein Riesenbohei um diesen Recallzettel gemacht. Die Schwestern Daria Borzellino (20) und Giorgia (23) Borzellino erhielten ihn, ebenso Georg Alexander Dotsenko (18), Mona-Lisa Schwarzmaier (22) und Tamara Köcher (23). Und sie übten neue Songs ein, warfen sich in Schale und traten erneut im Glaskubus an, um für ihren Traum zu kämpfen. Und gesendet wird davon: so gut wie nichts!
Vom Recall gibt's kaum was zu sehen
Neun Minuten vor Ablauf der Sendung werden hastig und lieblos Recall-Szenen eingespielt. Keiner der fünf Auftritte wird ganz gezeigt. Der Fan am Bildschirm kann sich von der Leistung oder der Entwicklung der Kandidaten keinerlei Bild machen. Das Einzige, mit dem man sich trösten kann (und muss): "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht", betont Florian Silbereisen mit standhaftem Dackelblick.
Dann gibt's noch - zack - den Namen des Glücklichen, der eines der begehrten Tickets für den Auslandsrecall erhält (in diesem Fal: Giorgia Borzellino), und gut ist. Irgendwie bleibt ein schaler Nachgeschmack und der Eindruck: Vor lauter Getue um die Imagebetreuung der Jury haben die Macher ein bisschen die aus den Augen verloren, um die es eigentlich geht.