29.10.2022 von SWYRL/Jürgen Winzer
Es war ein wahres "Blestival der furrilen Sködeleien". Wer diesen auf Wegstabenverbuchselei beruhenden Wortwitz versteht, ist treuer Fan von "RTL Samstag Nacht". Und der hat bei "Das große Wiedersehen" wie die Comedy-Crew und deren Gäste womöglich auch gelacht und geweint.
Ja, die Nostalgie- und Zwangsretro-Welle hat uns - Torsten Sträter brachte es gleich im eröffenden Grußwort von "RTL Samstag Nacht - Das große Wiedersehen" auf den Punkt - tatsächlich einige überflüssige "untote Sendungen ums Gebein gespült". Nach den zweieinhalb nostalgischen, vor allem aber gut gelaunten und subversiv witzigen Stunden "RTL Samstag Nacht"-Comedy lässt sich erleichtert konstatieren: Die RTL-Kultshow gehört weder zu den untoten noch zu den überflüssigen Sendungen.
Vielmehr gilt: Die Legende lebt. Das Potenzial zum neuen Leben würde auch reichen. Aber ob die Nobody-Komiker von einst, die durch "RTLSN" zu Stars unter den Pointenkönigen wurden, sich zu mehr als einer sehr angenehmen Revival-Show verleiten lassen? "Wiederholungen gefallen nicht", soll schon Julius Cäsar gesagt haben. Und das Risiko der Imagezerstörung durch sich selbst wird sich die Stammmannschaft von damals - Esther Schweins, Tanja Schumann, Wigald Boning, Olli Dietrich, Stefan Jürgens, Tommy Krappweis - getrost ersparen wollen.
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Hugo Egon Balder: Einst und jetzt der Zampano im Verborgenen
Es war ein bisschen wie damals, als RTLSN zwischen 1993 und 1998 Freunde des durchgeknallten Blödsinns suchte und fand und im respektlosen und freigeistigen "Nichts ist unmöglich"-Vorbeilaufen Comedy-Formate wie die SAT.1-Wochenshow oder Michael Herbigs Bullyparade überhaupt erst ermöglichte: Die Komiker standen im Vordergrund, aber die Fäden hielt ein anderer in der Hand.
Hugo Egon Balder, einst wegen seiner Mitwirkung bei "Tutti Frutti" als "T#tten-Balder" oder "H#pen-Hugo" verhohnepiepelt, entdeckte damals die Nonsens-Niemande und leitete die Geschicke der Show als Produzent. Jetzt hielt er den Laden als Conferencier und Moderator auf der Couch erneut zusammen.
Sketch-Klassiker erfahren aktuelle Fortsetzungen
Schön am Wiedersehen: Es wurde nicht ausschließlich der ollen Kamellen gehuldigt. Natürlich wurden einige der Evergreens gezeigt, aber - sehr sympathisch - durch neue Sketche fortgesetzt. So ist der kleine Knirps, das Regenschirmbaby, über dessen Zeugung damals Wigald Boning berichtete, zu einem stattlichen Sonnenschirm herangewachsen. Boning bewies mehr als nur Reporterpflicht, als er den in einem Biergarten einzementierten Schirm befreite und in die Freiheit entließ. Schräg geht auch 30 Jahre später.
Bei "Zwei Stühle, eine Meinung" parlierte Boning (übrigens in einem Kunstrasenanzug gewandet, der dem Outfit-Rebellen auch anno 1993 gut gestanden hätte) mit der gealterten Kiez-Größe Mike Hansen (Olli Dittrich), die gerade aus dem Knast zurück ist und sich mit dem Töpfern von Hunden beschäftigt.
Bei der legendären News-Rubik "Neues vom Spocht" thematisierte Dittrich aktuelle Trends ("Schöne Nachricht: Die chinesische Schwimmerin Xi Ching Pi ist Vater geworden") und auch Karl Ranseier starb eines neuen Todes, wie Jürgens und Schweins in "News" kündeten: "Der erfolgloseste Tyrann aller Zeiten starb beim Versuch, seinen Hunger zu unterdrücken."
Mirco Nontschew ist nicht mehr da - aber allgegenwärtig
Ein neues Lied stellten "Die Doofen" (Boning und Dittrich) mit "Krokodile im Herbst" vor. Text ("Willst du nen warmen Anorak, bis zum Sack?") und Melodei sind ähnlich schlicht gestrickt wie damals bei "Mief (Nimm mich jetzt auch wenn ich stinke)". Aber es ist nicht damit zu rechnen, dass das schräg-geniale Duo erneut die Charts-Pole Positions stürmen wird wie damals. Diese Zeiten sind dann doch vorbei.
Das gilt auch für Mirco Nontschew. "Der vielleicht Talentierteste von allen" (Hugo Egon Balder) starb 2021, wenige Tage, nachdem man sich erstmals konkret über eine Wiedersehens-Show unterhalten hatte. Natürlich wurde ihm gehuldigt, natürlich gab es Highlights wie vom Wetter-Män ("Edle Männer und Gesinde, bei den Hunnen blasen starke Winde"), und natürlich rollten bei einigen der schönsten Mirko-Anekdoten die Tränen bei seinen Kollegen und im Publikum (in dem übrigens auch Fans von damals saßen). Nontschew war nicht da und trotzdem allgegenwärtig.
Markus Maria Profitlich witzelt gegen Parkinson an
Es gab nicht nur neue Sketche von altbekannten Klassikern wie "Kentucky schreit ficken" ("Wie nennt man übernudelte Backen?" - "Fenne al Porno!"), sondern auch ein Wiedersehen mit Comedians, die damals bei RTLSA auftraten und ihren Durchbruch schafften. Neben Ingo Appelt ("Ohne RTLSN hätte es den versauten Appelt nie gegeben!") und Atze Schröder (der sich ruhig einen neuen Gag hätte einfallen lassen können) waren da.
Besonders berührend der Auftritt von Markus Maria Profitlich, der 1995 erstmals bei RTLSA auftrat. Bei ihm ist 2017 Parkinson diagnostiziert worden. Er ist "nach erstem Schock" in die Offensive gegangen und verhohnepiepelt die Krankheit und das damit einhergehende Zittern. "Jobs, die ich leider nicht mehr machen kann: Scharfschütze, Bombenentschärfer und Tätowierer. Mikado macht nicht mehr so Spaß, aber die Rühreier schlagen sich von alleine und Onanieren ist toll, wenn die Taktung stimmt."
Gibt's Hoffnung für ein Wiedersehen?
Musiziert wurde auch. Stefan Jürgens, der nach RTLSN 16 Jahre bei "SOKO" und "Tatort" ermittelte, sang vom Leid des TV-Kommissars ("Wenn andre ihre Liebsten streicheln, suche ich nach Wasserleichen"), und Ester Schweins' Chanson beschäftigte sich mit Bodyshaming, Beauty-Eingriffen und der Vergänglichkeit: "Ich lass mich gehen und find mich wie ich bin schön." Am Ende rockten die Doofen mit den Prinzen, mit denen sie eine neue Version von "Du musst ein Schwein sein" aufnahmen, in das auch Textzeilen aus "Mief" einflossen.
Nach einem wunderschönen Abend, an dem man sich gerne an Großes erinnerte und viel Neues erfuhr, hatte Hugo Egon Balder, der Macher, der Entdecker, "die Mutter der Kompanie", das letzte gereimte Wort:
"Es ist fast 30 Jahre her da gab's RTL Samstag Nacht. Heute war'n wir wieder hier, keiner hätt's gedacht. Wir sind schon etwas klapprig, es schmerzen alle Glieder. Aber, scheißegal, in 30 Jahren, da seh'n wir uns hier wieder."
Hoffentlich klappt's ein bisschen früher.