07.07.2022 von SWYRL/Rupert Sommer
Zwei Deutsche in L.A. - und eine verstörende Theorie zum Tod Whitney Houstons: In einer RTL-Dokumentation mit Jan Josef Liefers kritisiert der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos die US-Ermittler scharf. Für ihn gibt es nur eine plausible Todesursache.
Eine berechtigte Frage muss man vorausschicken: Warum eigentlich Jan Josef Liefers? Damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich spielt der Starschauspieler aus dem Münster-"Tatort" mit in der Regel rundum überzeugender Scharfsinnigkeit den gleichermaßen brillanten wie arroganten Rechtsmedizin-Professor Boerne, dem bei der Untersuchung von Gewaltopfern bei der Leichenschau auch nicht das kleinste Detail zu entgehen scheint.
Aber man muss es doch noch mal klar betonen: Auch wenn zwischen Boerne und Liefers in der öffentlichen Wahrnehmung oft kein Leichentuch zu passen scheint - es ist eine Rolle! Liefers versteht vom Obduzieren vermutlich so viel wie die sprichwörtliche Kuh vom Melken.
Dennoch hat sich zwischen dem "Tatort"-Rechtsmediziner und dem echten Leiter der Berliner Rechtsmedizin eine nicht nicht ganz alltägliche Form von Männerfreundschaft entwickelt. 2021 startete die Reihe "Obduktion - Echte Fälle mit Tsokos und Liefers". Prrofessor Michael Tsokos, der Mediziner mit dem kriminalistisch geschulten Auge, waltet seines Amtes - und Liefers staunt.
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Offizielle Todesursache: Unfall
Mehr noch: Liefers liefert in den Fernsehdokus eine Art von Außenperspektive, die nun bei der erneuten Begutachtung des tragischen Todes von Soul-Diva Whitney Houston von Nutzen sein könnte. Meint zumindest Tsokos. Immerhin bewege sich ja auch der ARD-Star in der Welt der Reichen und Schönen. Wenn auch eher in heimischen Gefilden weit weg von Hollywood.
Tatsächlich hat sich das ungleiche Gespann für den Start der neuen RTL-Reihe "Todesrätsel mit Liefers und Tsokos" (abrufbar beim Streamingportal RTL+) einen besonders großen Fall vorgenommen, an dem man sich leicht verheben könnte. Als knifflige Aufgabe gilt es nun, in der Rückschau bislang vielleicht übersehene Fakten rund um das Ableben von Whitney Houston vor zehn Jahren aufzudecken.
Zur Erinnerung: Die weltberühmte Sängerin war mit nur 48 Jahren am 11. Februar 2012 im Beverly Hills Hilton tot aufgefunden worden. Ihre Leiche lag bäuchlings in einer Hotelbadewanne. Todesursache: Ertrinken. Nur kurze Zeit später schloss die örtliche Polizei den Fall ab: Unfalltod.
Warum lag die Leiche bäuchlings in der Badewanne?
Es ist ein Umstand, der Michael Tsokos heute noch stutzig macht: "Ein bäuchlings in einer mit Wasser gefüllten Badewanne gefundener Toter ist mir in den 30 Jahren, die ich jetzt Rechtsmedizin mache, nie untergekommen." Tsokos lässt wissen, dass Tote in Badewannen - man denke nur an den 1987 unter mysteriösen Umständen aus dem Leben geschiedenen Spitzenpolitiker Uwe Barschel - bei Rechtsmedizinern die Alarmglocken schrillen lassen. Meist liegt ein Suizid nahe. Aber auch Gewaltverbrechen sind eine Möglichkeit. Die Dunkelziffer sei hoch, sagt Tsokos.
Was den Fall Houston problematisch macht: Nicht nur ist die Leiche längst beerdigt, auch die Ermittlungen gelten als abgeschlossen. Zumindest aus Deutschland heraus scheint es zunächst so gut wie unmöglich, die genauen Todesumstände noch einmal zu beleuchten. Lediglich die Protokolle des einstigen Obduktionsberichts - mit darin enthaltenen schematischen Zeichnungen des Leichenkörpers sowie Angaben zu der großen Mengen Drogen, die in Whitney Houstons Körper nachgewiesen wurden - hat sich der renommierte Rechtsmediziner besorgen können.
Liefers: "Dieses Thema soll offenbar aus der Erinnerung verschwinden"
Also steigen Tsokos und Liefers in einen Langstreckenflieger und brechen auf nach Kalifornien. Zunächst voller Zuversicht und mit viel Selbstbewusstsein im Gepäck. "Ich bin zum ersten Mal nach Los Angeles geflogen - mit einer Mission", sagt Liefers. Klingt wichtig. Vor Ort sieht die Ermittler-Realität dann allerdings düster aus.
Die Hilton-Hotelkette scheut allem Anschein nach erneuten Medienrummel und verweigert dem Filmteam den Zugang zum einstigen Leichen-Fundort in Beverly Hills. Liefers raunt verschwörerisch: "Dieses Thema soll offenbar aus der Erinnerung verschwinden."
Vor Ort gelingt es kaum, an verwertbare neue Fakten zu gelangen. Mitglieder der einst umfangreichen, im Rückblick teilweise recht dubios wirkenden Entourage des Stars, die sich am Todestag ebenfalls im Beverly Hills Hilton aufhielten, wollen mit Tsokos und Liefers nicht sprechen. Auch die Polizei ist zu keiner Auskunft bereit.
Nur ein vom Filmteam engagierter älterer Privatdetektiv liefert Ansatzpunkte. "Der wirkt auf mich wie ein gut abgehangenes Steak", sagt Liefers über den Auftragsschnüffler. Der mietet sich in einer etwas bizarr wirkenden Undercover-Aktion in einem der Hotelzimmer ein und liefert den Deutschen Abmessungen einer auffallend kleinen Badewanne, wie sie auch aller Wahrscheinlichkeit Whitney Houston benutzt haben könnte. Im einstigen Tatort-Zimmer war er allerdings nicht. Und so ist nicht abschließend geklärt, ob in Whitneys Suite auch genau so eine Wanne stand.
Tsokos erkennt viele Gründe, "dass das kein Unfall gewesen sein kann"
Was Tsokos keine Ruhe lässt, sind die Umstände, unter denen die Leiche aufgefunden wurde. Er spricht von mehr als einem Indiz dafür, "dass das kein Unfall gewesen sein kann", und wundert sich, warum die Polizei keine weiterführenden Ermittlungen anstellte. Dass sich Whitney Houston selbst in die Auffinde-Position begeben haben könnte, schließt er aus. "In so einer Badewanne mit diesen Abmessungen dreht man sich nicht einfach um." Tsokos bemüht die Statistik: "Ungefähr jeder fünfte bis zehnte Todesfall in einer Badewanne ist auf ein Tötungsdelikt zurückzuführen."
Umso ärgerlicher, dass die Polizei einst offenbar nicht nach deutschen Kriminalerstandards vorging und sich jetzt - gegenüber dem deutschen Team - nicht mehr äußern möchte. "Das stinkt alles gewaltig", echauffiert sich der Gast von der Berliner Charité.
Allerdings: Außer ein paar Stadt-Ansichten, Fahrten im Mustang-Cabrio und einem Sonnenuntergang am Strand hat der Ausflug nach Los Angeles dann doch kaum etwas Verwertbares ergeben. Umso wichtiger ist es, zurück in Berlin Gas beim Nach-Ermitteln zu geben. Ausgerechnet in seinen eigenen Leichenschau-Räumen fällt Michael Tsokos dann doch noch ein wichtiges Detail auf.
Rätselhafte Hämatome deuten auf Mord
Die in den Obduktionsprotokollen vermerkten frischen Hämatome am Oberarm könnten auf Griffspuren von Fingerkuppen hindeuten. Plötzlich steht die Frage im Raum: Wurde Whitney Houston in der Wanne gewaltsam gedreht, sodass sie letztlich auf dem Bauch ertrank?
Noch mehr Brisanz erhält die Frage, weil bekanntlich auch Whitneys leibliche Tochter Bobbi Kristina Brown ein Jahr später selbst tot aufgefunden wurde - erneut bäuchlings in einer Badewanne. Haben beide Fälle miteinander zu tun? Gab es - mutmaßlich aus dem Begleiterkreis der Diva - einen Eindringling ins Badezimmer? Ein Gewaltverbrechen sei nicht auszuschließen, hat sich Liefers überzeugen lassen.
Glasklar wird zum Schluss Michael Tsokos: "Warum ist den ganzen Ungereimtheiten nicht nachgegangen worden?", fragt er ärgerlich. Dann sagt er: "Ich glaube, dass mindestens eine Person da Hand angelegt hat." Tsokos: "Man kann das drehen und wenden, wie man will - wir kommen immer wieder dabei an, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt." Sollten die Ermittlungen nun doch noch mal in Gang kommen? Mord verjährt bekanntlich nicht.
Die Dokumenation "Todesrätsel mit Liefers und Tsokos - Der Fall Whitney Houston" ist ab sofort abrufbar bei RTL+.