09.11.2022 von SWYRL
Flaschenöffner oder Kunstwerk? Dieses "Bares für Rares"-Objekt war genderpolitisch durchaus heikel. Die Expertise tat alles, um den Künstler vom Sexismus-Verdacht zu befreien. Im Händlerraum klappte das nicht.
Hübsch und funktional ist das Objekt von Peter aus Hamburg, das er in die Mittwochsausgabe von "Bares für Rares" zu Gastgeber Horst Lichter brachte. Aber heikel ist die Darstellung auch. Die Expertin der ZDF-Trödelshow sah sich mehrfach genötigt zu betonen, dass es sich nicht um die Degradierung des weiblichen Körpers handele. Im Händlerraum jedoch lief eine voll in die Sexismusfalle ...
Die erotische Bronze einer stilisierten Frau hatte vormals dem Schwiegervater gehört, der die Statuette im Schuppen an der Wand hängen hatte. "Für mich sieht sie aus wie ein Flaschenöffner", meinte Horst Lichter und bekam sogleich die Bestätigung von Expertin Friederike Werner: "Das ist sie auch, aber erst in zweiter Linie!" Da bekam Lichter große Augen und freute sich auf die "spannende Expertise".
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"Bares für Rares": "Blanke Brüste" dank Patinierung
Verkäufer Peter hatte bereits zuvor die Vermutung gehabt, dass es sich um mehr als nur einen schnöden Flaschenöffner handelte. Die Signatur und Limitierung auf der Rückseite des Objekts hatte er nämlich schon entdeckt. Zudem fand er das Objekt "ganz schön schwer für einen Flaschenöffner". Expertin Werner war vor allem schwer begeistert!
"Es handelt sich um eine sehr schöne, weibliche, schlanke Figur, die eigentlich als Statuette mit Sockel konzipiert wurde", beschrieb Werner das Objekt. Von den Füßen aus wachse gleichsam eine Tulpe mit einer Blüte, die mitten auf dem Bauch ende, und "darüber sieht man ihre Brüste, die durch die Patinierung schon blitzblank geworden sind". Holla!
Die stilisierte Frau ohne Kopf stamme von dem Künstler Paul Wunderlich, der bekannt sei für seine surrealistischen Figuren. Der Name stehe für die Attribute "geheimnisvoll, erotisch, rätselhaft und mythologisch", dozierte Werner, die das Werk des deutschen Malers und Bildhauers und auch den vermeintlichen Flaschenöffner als themenreich beschrieb.
Horst Lichter: "Ein interessantes Kunstobjekt!"
"Das Geheimnis der Figur liegt im Namen 'Kleine Stele'", klärte Werner weiter auf. Unter "Stele" verstehe man ein antikes Objekt der Verehrung, das auch einer Göttin gewidmet sein konnte, so die Expertin. Neben der Signatur und der Editionsnummer 200 von 1.000 stand auch die Jahreszahl laut Prägung fest: 1983.
Zudem sei der Zustand der schweren Bronze sehr gut und "wie gesagt der Busen blitzblank", wie Werner noch mal betonte. Indes: "Hier geht es nicht darum, eine weibliche Figur zum Flaschenöffner zu degradieren, sondern um das Gegenteil. Paul Wunderlich hatte die Idee, auch ganz banale Gegenstände wunderschön zu gestalten."
Horst Lichter stimmte zu: "Ein interessantes Kunstobjekt!" Nun wollte der Moderator nur noch den Wunschpreis seines Trödelshowkandidaten erfahren. Der lag zwischen 200 und 300 Euro. Expertin Werner taxierte ähnlich. Ihre Expertise belief sich auf 200 bis 250 Euro. Der Verkäufer nahm die Händlerkarte dankend an und empfand sein Objekt "jetzt nach der Expertise noch viel schöner".
Händlerin irritiert Kollegen mit Klischee-Aussage
Auch Händler Friedrich Häusser erkannte das Wunderlich-Objekt als "sehr schönes Sammlerstück". Doch das erste Gebot kam von seinem Kollegen Walter Lehnertz, der für ihn typisch mit 80 Euro einstieg. Doch die wurden schnell mit 200 Euro von David Suppes überboten. "Das hört sich schon besser an", schnaufte der Verkäufer erleichtert.
Das Bieten ging weiter, denn Daniel Meyer hatte bereits einen Kunden im Kopf und erhöhte auf 250 Euro. Plötzlich schien jeder Interesse an dem erotischen Objekt zu haben, und so lieferte sich die ganze Runde ein lustiges Bietergefecht. Bis Susanne Steiger 350 Euro bot für "das schöne Geschenk für einen Mann". "Warum?", fragte Lehnertz irritiert.
"Die meisten Männer trinken gerne Bier", griff Steiger ganz tief in der Schublade der Geschlechterklischees. Lehnertz widersprach. "Es gibt auch genug Frauen, die Bier trinken." Steiger nickte und fing an zu lachen: "Umso besser!", denn so hatte sich ihre Zielgruppe für das vermeintliche "Geschenk" erweitert. Doch letztlich kaufte Suppes "den wohl teuersten Flaschenöffner" für 400 Euro.