22.10.2024 von SWYRL/Doris Neubauer
So emotional Franziska Brandmann von den Jungen Liberalen und Juso-Chef Philipp Türmer von den Jusos bei "Hart aber Fair" beim "Machtkampf um die Rente" gegeneinander in den Ring stiegen, so unbeeindruckt zeigte sich Investor Georg Kofler: "Ihr macht Show, ich stelle mich der Wirklichkeit!"
Fast 100 Menschen versorgt die "Tafel für Senioren" in Köln-Porz jede Woche mit Lebensmittel. Längst nicht genug, wie die Leiterin Karin Werner am Montag bei "Hart aber Fair" verriet: "Es gibt so viele Menschen, die eine kleine Rente erhalten und mit ihrem Geld nicht auskommen. Wir könnten locker 200 Menschen versorgen." Da die Ehrenamtlichen-Organisation aber am Limit wäre, müsse man diese Hilfesuchenden abweisen.
"Das, was wir gesehen haben, kann man auf die 975 Tafeln in Deutschland übertragen", erklärte Tafel-Geschäftsführerin Sirkka Jendis im Talkshow-Studio, in dem es diese Woche um die Frage "Machtkampf um die Rente: Verlieren die Jungen gegen die Boomer?" ging. Mehr als 30 Prozent der Organisationen hätten Wartelisten und temporäre Aufnahmestopps. Das beträfe auch alte Menschen, denn "ein Viertel der Kunden sind Rentnerinnen und Rentner". Für diese hätten die Tafel zunehmend eine existentielle Bedeutung, "und das kann nicht sein, wenn man ein Leben lang gearbeitet hat", fügte sie hinzu.
Die Rentnerinnen und Rentner tun Philipp Türmer (SPD, Vorsitzender der Jusos) am meisten leid. "Es hängt ein Rattenschwanz dran", berichtete der 28-Jährige aus Erfahrung, hilft er doch selbst bei der Tafel in Heusenstamm mit, "es wird nicht besser. Die Leute sind nicht nur arm, sondern auch einsam. Das soziale Netz bricht weg." Die Krise wäre politisch gemacht, zog er auch seine eigene Partei zur Verantwortung.
Doch nicht nur sie: "Ich bin bei der Tafel, damit sie überflüssig wird. Dann müssen Leute aber auch mitmachen", teilte er gegen die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, aus. "Profipolitiker Türmer schaltet von Mitgefühl direkt in Angriff über", konnte Moderator Louis Klamroth das nicht unkommentiert lassen. "Weil es mich wütend macht", erklärte der Juso-Vorsitzende.
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"Das umlagefinanzierte Rentensystem funktioniert nicht"
In der Vorsitzenden der Jungen Liberalen fand Türmer in Sachen Wortgewalt eine ebenbürtige und willige Gegnerin. "Das umlagefinanzierte Rentensystem funktioniert nicht", forderte sie angesichts des demografischen Wandels eine Reform und sprach sich für ein Anlegen von Rentenbeitragsmitteln am Aktienmarkt aus. Dass das geplante Rentenpaket dieser Forderung zum Teil nachkommt, sei der jungen Politikerin nicht genug: "Das Generationenkapital ist eine Mischgeschichte: Der Staat leiht sich Geld und legt das am Aktienmarkt an." Damit würden "Beitragssteigerungen auf Kosten der jungen Generation" nur um 0,3 Prozent und damit minimal verringert werden. Aufgrund der versprochenen Sicherung des Rentenniveaus bei 48 Prozent würden alle, die künftig arbeiten, um 18 bis 22 Prozent mehr einzahlen.
"Das ist der grundsätzliche Konflikt zwischen den zwei Seiten des Tischs", konterte Türmer, "zwischen mir und Franziska. Ich will dafür sorgen, dass die gesetzliche Rente sicher bleibt und Löhne steigen." Mit den Beitragsmitteln der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu spekulieren, lehnte er ab: "Wo ist das Problem zu sagen, wir haben ein Generationenkapital und dann die gesetzliche Rente auf Beitragsmittel?", zeigte er sich gegenüber der Jungen Liberalen versöhnlich, hatte aber gleich einen neuen Widersacher im Visier: "Es ist ungerecht, dass Sozialversicherung und Rente nur vom Arbeitseinkommen getragen wird und bei Kapitaleinkommen gar nichts abgeführt wird", richtete er das Wort an Unternehmer Georg Kofler.
"Mit dem Businessplan schicke ich euch wieder nach Hause"
"Das ist sowas von einfach und plakativ", lehnte der aus der VOX-Sendung "Die Höhle der Löwen" bekannte Investor diesen Vorschlag ab. Man bräuchte eine florierende Wirtschaft und sollte nicht diejenigen zur Zahlung bitten, die Leistungen am laufen hielten. "Das heißt, Sie finden es in Ordnung, dass Unternehmer keinen Beitrag leisten", provozierte ihn Türmer, "ich verstehe die 750.000 Euro an die FDP im letzten Bundestagswahlkampf." Buh-Rufe waren zu hören.
"Was soll denn das?", empörte sich auch Kofler. Schon zuvor hatte der Unternehmer unwirsch darauf reagiert, mit seiner Tischnachbarin Brandmann in einen Topf geworfen zu werden. "Kampfparolen langweilen mich. Ihr beide könnte Show machen, als Unternehmer muss ich mich der Wirklichkeit stellen", konnte er dem Schlagabtausch der zwei Jungpolitiker nichts abgewinnen. Genauso wenig hatte ihn seine Wochend-Aufgabe vergnügt: Er habe sich den 59-seitigen Gesetzesentwurf der Bundesregierung angeschaut. Kofler holte ein Papier mit einer Tabelle aus seiner Jackentasche. "Da ist ganz viel rot angestrichen, es sieht aus wie meine Klassenarbeit", warf Klamroth einen Blick darauf, "wie ist die Note?"
"Note versetzungsgefährdet", kam es wie aus der Pistole geschossen. Im Jahr 2025 wäre von Ausgaben für die Rente im Bundeshaushalt in der Höhe von 400 Milliarden Euro die Rede, und diese würden sich auf 800 Milliarden weiterentwickeln. "Ich bin total fasziniert von den Riesenzahlen", gab er zu, "ich habe auch Unternehmen in Milliarden-Größenordnungen geführt, aber wir reden von 400 Milliarden Euro. Siemens macht 80 Milliarden Euro, das ist fünfmal Siemens." Zudem würden nur Ausgaben, nicht aber Einnahmen genannt. "Ein Businessplan, der nur Ausgaben zeigt und keine Einnahmen, mit dem schicke ich euch wieder nach Hause", ätzte der Unternehmer. Er hätte selbst recherchiert - mit dem Ergebnis: "Das reicht nicht. Das ganze Unterfangen ist schwer defizitär."
Aktie zur Altersversorgung "hilft nicht, die gesetzliche Rente zu finanzieren"
Die Ampelregierung wäre zwei Antworten schuldig, erläuterte Hermann-Josef Tenhagen (Chefredakteur "Finanztip"): "Wo sie das Geld herholen und wo sie die Leute herholen, die die Rente bezahlen." Die Koalition müsste etwa 400.000 zusätzliche Migranten auf den Arbeitsmarkt bringen und Frauen so teilnehmen lassen wie Männer. "Wenn man diese Hausaufgaben nicht macht, dann ginge es auf Kosten der Jugend", stimmte er einer Befürchtung von Franziska Brandmann zu. Auch in einer anderen Sache war er auf der Seite der FDP-Jungpolitikerin: "Aktien für die Altersversorgung einzusetzen, finde ich prinzipiell gut", meinte er, "es hilft aber nicht, die gesetzliche Rente zu finanzieren."
Wie das gelänge, dazu unterbreitete Heike Oeser (gelernte Bankfachwirtin, will bald in Rente gehen) einen Vorschlag: Beamte und Menschen mit kammerfähigen freien Berufen wie Ärzte, Apotheker, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen wären, sollten künftig ebenfalls einzahlen. Zudem sollte die eine Billion Euro zur Verfügung stehen, die den Rentenkassen für Leistungen wie die Aufstockung der Polizei entzogen würden.
"Alle integrieren" hielt auch Tenhagen für einen gangbaren Weg. "Es löst nicht alle demografischen Probleme", gab er zu bedenken, "aber es hilft, dass man Leuten im Alter mehr Geld geben könnte." Das zeige das Nachbarland Österreich. Zudem würde es Selbstständigen helfen, im Alter nicht in die Armutsfalle zu tappen, ergänzte Türmer. "Dass wir in gewisser Form ganz hohe Einkommen auch heranziehen und zur Verantwortung ziehen, sodass Menschen mit geringen Einkommen eine etwas höhere Rente erhalten."
Beide Ideen stießen bei Brandmann auf Abwehr: In den ersten Jahren würden mehr Einzahlungen vielleicht helfen. Wenn Beamte und anderen Berufsgruppen aber in Rente gingen, würde das Problem schlimmer, berief sie sich auf eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. "Der Vorschlag ist sch...", sprach sie Klartext und fügte zynisch hinzu: "Aber wenn das mein einziger Vorschlag wäre, würde ich den aus Verzweiflung auch machen."
Nicht nur einen, sondern gleich drei Lösungsideen fürs Rentenproblem kündige Georg Kofler "Hart aber Fair" an. Doch es war zu spät: Die Sendezeit war abgelaufen.