27.12.2023 von SWYRL/Julian Weinberger
Horst Lichter wäre lieber eine Biene als eine Fliege. Wie er das meint, erklärt der "Bares für Rares"-Moderator im Interview. Außerdem lässt er ein bewegtes Jahr 2023 vor dem inneren Auge Revue passieren und gibt preis, warum er privat die Haare gern offen trägt.
Ab aufs Motorrad und nach Italien: Zum Jahresausklang lässt Horst Lichter traditionell die Seele baumeln und wagt in "Horst Lichters Traumrouten" (Montag, 1. Januar, 18 Uhr, ZDF) eine Reise der besonderen Art. Dieses Jahr verschlägt es den allseits beliebten Lebemann nach Italien, wo er den besonderen Geist des Dolce Vita atmet. Ruhe und Besonnenheit tanken, das kann auch der 61-jährige Berufsoptimist nach dem bewegten Jahr 2023 gebrauchen. Im Interview nutzt Lichter die Gelegenheit, die vergangenen zwölf Monate Revue passieren zu lassen. Abgesehen davon verrät er, welcher Promi ihn auf seiner jüngsten Reise besonders beeindruckt hat.
teleschau: Weihnachten und der Jahresausklang bieten die Gelegenheit, auf das vergangene Jahr zurückzublicken. Was haben Sie 2023 über sich gelernt?
Lichter: Ich wundere mich eher über die Menschheit und frage mich: "Bin ich auch so?" Ich hoffe, nein. Mich erschüttert schon, dass die Menschen allem Anschein nach nicht in der Lage sind, zu lernen. Ansonsten wären die Entwicklungen weltweit nicht so, wie sie sind.
teleschau: Was kann man als Einzelner dagegen tun?
Lichter: Ich will vorleben, dass man selbst auch etwas verändern kann, auch wenn es vielleicht nur ein Promille ist. Wenn ich anfange, aufzuheben, was andere weggeworfen haben, weil es mich stört, dann liegt schon mal weniger da. Wenn ich überlege, wie ich was esse, kann ich Tiere schützen. Das versuche ich zu machen, ohne lehrerhaft oder als Prophet durch die Gegend zu rennen.
teleschau: 2022 äußerten Sie in einem Interview die Hoffnung, dass die Menschen sich wieder mehr zuhören sollen. Haben Sie den Eindruck, da hat sich im vergangenen Jahr etwas getan?
Lichter: In meinem direkten Umfeld hat sich das schon verbessert. Steter Tropfen höhlt den Stein, und wenn es einer tut, steckt er andere an. In der Gesamtheit der Gesellschaft sehe ich das aber noch nicht. Man muss natürlich über Dinge berichten, die nicht gut sind, aber trotzdem kann man auch was tun. Ganz einfach runtergebrochen: Wir haben 80 Millionen Fußballtrainer, wenn Deutschland spielt. Bloß: Die meisten davon sitzen im Sessel und hatten noch nie einen Ball vor den Füßen, wissen also gar nicht, wovon sie reden.
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"Die Menschen wünschen sich aus tiefem Herzen Normalität"
teleschau: Einschneidende Ereignisse wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die Zunahme von Antisemitismus hierzulande prägten 2023. Dennoch treten Sie stets lebensbejahend auf. Wie behalten Sie Ihren Optimismus?
Lichter: Das ist natürlich zum Teil Selbstschutz. Würde man einen halben Tag nur Nachrichten schauen, dann können zwei Dinge passieren. Entweder ich stehe auf und sage, ich muss irgendetwas tun, was positiv ist. Oder aber ich schlussfolgere, das hat alles keinen Sinn mehr. Dann bricht aber Anarchie aus, und dann ist es eine selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn aber Menschen irgendwann sagen, es ist Krieg und keiner geht hin, wäre es auch mal interessant.
teleschau: Wie gehen Sie mit den Krisen der Welt um?
Lichter: Es ist nicht so, dass ich die Augen davor verschließe. Aber es nützt nichts, wenn ich nichts mehr esse. Dadurch wird niemand in einem anderen Land satt. Ich kann aber vernünftiger damit umgehen und dafür sorgen, dass es meinem Umfeld besser geht. Ich kann weiterhin schöne und lustige Dinge produzieren, denn es muss weiterhin und Hoffnung gestiftet werden. Nur weil Kriege herrschen und Katastrophen stattfinden, kann man nicht nur darüber berichten und nichts Schönes mehr zeigen. Dann verliert die Menschheit auch den Sinn für und die Lust auf etwas Schönes, dann haben wir keine Hoffnung mehr.
teleschau: Sendungen wie "Bares für Rares" oder "Horst Lichters Traumrouten" bilden einen Gegenpol. Sind die Entschleunigung und der Eskapismus in eine heile Welt, die die Formate kennzeichnen, deren größte Erfolgsfaktoren?
Lichter: Das glaube ich sehr wohl, denn die Menschen wünschen sich aus tiefem Herzen eine Normalität und Rituale. Dass man höflich, freundlich, respektvoll ist und es nicht immer nur einfordert, ohne es zu geben. Wenn ich von Meran nach Venedig fahre, ist das eine Traumroute, nicht weil wir es uns schönreden, sondern wenn man die Augen öffnet und hinguckt, dann ist das schön. Ich habe einen treffenden Vergleich für all diese Dinge.
teleschau: Ja?
Lichter: Man muss sich im Leben irgendwann entscheiden: Möchte ich Fliege oder Biene sein? Eine Fliege findet inmitten eines Blütenmeeres einen Haufen Mist und setzt sich darauf. Eine Biene findet hingegen inmitten eines riesigen Mistfeldes eine Blüte. Ich möchte lieber Biene sein als Fliege, was nicht heißt, dass ich den Mist nicht sehe. Aber ich versuche die Menschen mit meiner positiven Lebenseinstellung anzustecken.
"Judith Williams ist ein Engel auf Erden"
teleschau: Im Rahmen von "Horst Lichters Traumrouten" waren Sie dieses Jahr von Meran nach Venedig unterwegs. Was schätzen Sie an der Dolce Vita in Italien?
Lichter: Ein paar Dinge, die mir in Deutschland teilweise verloren gehen, was ich sehr schade finde. Wenn man in Italien essen geht, egal wo, dann sind jede Menge Kinder dabei, die toben rum. Da werden Kinder als Kinder wahrgenommen, und nicht zur Ruhe ermahnt. Man liebt das Essen, die Geselligkeit. Wenn die Italiener erzählen, mag sich das für Außenstehende anhören, als wenn sie sich anschreien, in Wirklichkeit erzählen sie sich aber schöne Geschichten und lachen dabei. Das mag ich sehr.
teleschau: Sie haben nicht nur Orte bereist, sondern auch viele Menschen getroffen. Welche Begegnung hat Sie besonders beeindruckt?
Lichter: Das waren tatsächlich einige. Mich hat zum Beispiel dieser Fassmacher unglaublich beeindruckt, der mit weit über 80 Jahren immer noch ein Fass zusammenbaut, wo manch ein junger Mann denkt: zweimal Hammer gehoben, einen Tag Pause, weil die Work-Life-Balance sonst nicht mehr stimmt.
teleschau: Wie üblich waren Sie auch mit Prominenten unterwegs ...
Lichter: Judith Williams ist ein Engel auf Erden. Wer die Gelegenheit hat, sie privat kennenzulernen, wird mehr als überrascht sein. Ich habe häufiger Menschen gehört, die sie im Fernsehen als gekünstelt wahrgenommen haben. Ganz ehrlich: Null! Für die würde ich die Hand ins Feuer legen. Sie ist so was von höflich, freundlich, nett und normal, egal zu wem und egal wo. Judith ist so eine lebensbejahende Persönlichkeit, mit der ich tolle Gespräche geführt und viel gelacht habe.
teleschau: Was bedeutet es für Sie, zu reisen?
Lichter: Wer eine Reise tut, hat etwas zu erzählen. Das erfüllt einfach, und es bildet auch. In den vergangenen Jahrhunderten unternahm man nicht umsonst eine Grand Tour, um fremde Länder zu bereisen und dortige Sitten kennenzulernen. Das sind die Dinge, die auch Arbeiter in den 50er-Jahren unternehmen konnten. Die sind mit dem Rollerchen über die Alpen nach Italien gefahren. Einfach riechen, hören, fühlen, schmecken - das ist für mich ein Traum, wunderschön.
teleschau: Gibt es Orte, die Sie unbedingt noch bereisen wollen?
Lichter: Ich würde gerne noch einmal nach Südafrika. Da war ich vor fast 26 Jahren. Das hat mir wahnsinnig gut gefallen. Da waren wir im Hinterland in einem Cottage, das war traumhaft. Da habe ich wirklich glückliche Menschen kennengelernt und auch welche, von denen man denkt, sie sind bettelarm. Die waren aber bedeutend glücklicher als manch andere in ihrem Wohlstand. Meine ganz große Liebe ist aber England mit Cornwall und den Midlands.
Horst Lichter über Albert Maier: "Ich vermisse ihn sehr"
teleschau: Im Unterschied zu den vergangenen Jahren unternahmen Sie die Reise an sich dieses Jahr alleine, haben nur an den unterschiedlichen Zielen Menschen getroffen. Wie war das für Sie? Können Sie gut mit sich alleine sein?
Lichter: Ich kann sehr gut mit mir alleine sein, auch im Privatleben. Wenn ich mal frei habe und meine Frau Freundinnen besucht, kann es auch einmal passieren, dass ich drei Tage fast gar nicht vom Hof gehe, weil ich mir dann genug bin. Dann brauche ich auch mal Ruhe. Auch auf Reisen bin ich gerne alleine unterwegs. Dann hat man viel mehr Luft und Zeit, neue Menschen kennenzulernen.
teleschau: Sie arbeiten viel, sind omnipräsent im TV und den Medien. Wie schalten Sie ab?
Lichter: Indem ich ein normales Leben lebe. Ich kehre unsere Straße, ich mähe unseren Rasen, ich gehe einkaufen. Ich denke, wenn jemand herumstolziert wie ein Hahn, wird er auch gesehen wie ein Hahn. Ich mache den Schnurrbart aber zum Beispiel nicht nach oben, wenn ich freihabe. Da muss ich mich ja nicht präsentieren und trage die Haare offen. Ich komme auch aus einer Arbeiterfamilie und bin ein Arbeiter. Wir hatte nie Bedienstete, sondern wir waren Dienstpersonal. Deswegen wird das auch immer so bleiben.
teleschau: 2023 hat sich der Experte Albert Maier aus der "Bares für Rares"-Familie verabschiedet. Wie war dieser Abschied für Sie?
Lichter: Wir haben zehn Jahre gemeinsam gearbeitet. Das ist immer zwiespältig. Auf der einen Seite vermisse ich Ihn sehr, weil das auch eine Freundschaft geworden ist. Ich habe seine Meinungen immer geschätzt und mag ihn außerordentlich gerne als Menschen. Man darf nicht vergessen: Der Mann ist schon über 70. Da sei es ihm auch vergönnt, wenn er seinem Hobby nicht mehr so in der Öffentlichkeit nachgeht.
teleschau: Hat Sie der Abschied auch über Ihre Zukunft bei "Bares für Rares" ins Überlegen gebracht?
Lichter: In dem Moment, in dem ich merke, ich habe nicht mehr die Lust oder es wird zur Belastung, dann höre ich auf. Aber noch bin ich zu jung dafür. Und außerdem macht es mir zu viel Freude.
teleschau: Lassen Sie uns zum Abschluss einen Blick in das neue Jahr 2024 werfen. Wann ist 2024 für Sie ein glückliches, erfülltes Jahr?
Lichter: Wenn wir nächstes Jahr um die gleiche Zeit telefonieren und zum Beispiel sagen können: Hätten Sie gedacht, dass sich Israel und Palästina vertragen? Hätten Sie gedacht, dass Putin und Selenskyj sagen: Wir hören auf und bringen alles wieder in Ordnung? Wenn die Menschen auf der Straße wieder etwas netter zueinander werden, wenn der Müll von jedem selbst aufgehoben wird. All diese Dinge würden mir das Leben versüßen und die Lage für uns alle verbessern.