06.12.2025 von SWYRL/Marko Schlichting
Er prägte zwei Fernsehgenerationen: Thomas Gottschalk. Nun macht er Schluss mit dem Fernsehen. Seine Gesundheit zwingt ihn dazu. Und er hat auch keine Lust mehr. Zeit für eine Würdigung.
Wer sich noch an die 1970er-Jahre erinnern kann, erinnert sich vielleicht auch noch an die Blütezeit von Bayern 3. Das war damals der wohl beliebteste öffentlich-rechtliche Radiosender. Dort lief viel Popmusik, aber ab und zu auch der eine oder andere Schlager. Stündlich gab es Nachrichten, immer wieder Verkehrsmeldungen. Die Moderatoren nannten ihre Sendungen "Shows", waren cool, machten Witze.
Dann war da dieser eine junge Mann, der eher unfreiwillig eine Show moderiert. Dort muss er einen Schlager spielen: "Wer Liebe sucht, der muss auch Liebe geben", hieß er. Plötzlich, so heißt es, soll der Moderator auf Sendung gegangen sein und gesagt haben: "Das ist doch eigentlich Quatsch. Dann müsste man auch sagen: Wer Eier isst, der muss auch Eier legen." So soll sie begonnen haben, die Karriere des Thomas Gottschalk.
Bis in die 1990er-Jahre bleibt Gottschalk dem Radio treu: vor allem Bayern 3. Dazwischen holt ihn Frank Elstner zu Radio Luxemburg, wo er gleich drei Sendungen pro Woche moderiert. Anfang der 1990er-Jahre besitzt er in München einen Privatsender. Bei Radio Xanadu kann er endlich seine Musik spielen: Classic Rock, New Wave.
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1987 kommt Thomas Gottschalk bei seiner Bestimmung an: "Wetten, dass ..?"
Dass er darauf steht, hatte Gottschalk bereits 1980 klargestellt. Da hatte er mit seinen Kollegen Frank Laufenberg und Manfred Sexauer mit "Rappers Deutsch" eine witzige deutsche Fassung des Mega-Hits "Rappers Delight" von der Sugarhill Gang aufgenommen. Das war angeblich der erste deutsche Song, in dem gerappt wurde. "Ich steh' auf Boomtown Rats, XTC, Devo, Patti Smith", rappte er damals.
Seine Lieblingsmusik kann Gottschalk auch im Fernsehen präsentieren, wieder beim Bayerischen Rundfunk. "Popstop" heißt die Sendung, mit der seine Fernsehkarriere startet. Da ist er gerade Mitte 20. Als die Sendung auslief, wechselt er ins Erste. Gottschalk übernimmt die "Montagsmaler", ein Ratespiel mit Bildern, von seinem Kollegen Frank Elstner. Das war 1977.
Weitere Stationen folgen: Die "Telespiele" im Ersten und "Na sowas" im ZDF. Bei dieser Show kann der gebürtige Bamberger zum ersten Mal vor einem großen Publikum zeigen, dass er eigentlich für die großen Shows geboren ist. Im September 1987 ist es dann so weit: der große Sprung in die Primetime am Samstagabend. Gottschalk übernimmt die Show "Wetten, dass ..?" im ZDF, wieder von Frank Elstner. Die Show moderiert er fast ununterbrochen bis 2011. Rund 24 Jahre lang ist er das Gesicht der Show. Eine kleine Unterbrechung gibt es Anfang der 1990er. Da versucht sich Thomas Gottschalk als Talkmaster einer Late-Night-Show bei RTL.
Seine Late Night zeigt, was Gottschalk kann - und was er nicht kann
Hier kann Thomas Gottschalk alle Register seines Könnens ziehen. Unvergessen ist einer der letzten Fernsehauftritte von Heinz Rühmann, den Thomas Gottschalk als "lebende Legende" würdigt. Ein Jahr davor hatte Gottschalk in seiner Show das "Model 92" gesucht - und gefunden: Heidi Klum. Doch diese RTL-Show zeigt auch die Grenzen des Showmasters auf: Politik-Talk kann er nicht. An einem Interview mit dem Vorsitzenden der rechtsextremen Republikaner Franz Schönhuber scheitert er. "Ich war zu naiv", erkennt Gottschalk später.
Gottschalk war der Mann für die große Bühne, für Small-Talk und spontane Witze. Damit prägte er zwei Fernsehgenerationen, für die es ein Schock war, als sich die Tragödie ereignete. Das war am 4. Dezember 2010 in der Sendung "Wetten, dass ..?". Wettkandidat Samuel Koch will mit speziellen Sprungstelzen, sogenannten Powerbocks, über mehrere fahrende Autos springen. Doch beim Sprung über das fünfte Auto stürzt er.
Koch verletzt sich schwer an der Halswirbelsäule, ist seither querschnittsgelähmt. Die Sendung wird abgebrochen. Thomas Gottschalk will sie später nicht mehr weitermoderieren. Nach der glücklosen Ära von Markus Lanz wird die einst größte TV-Show Europas eingestellt. Für drei Revival-Ausgaben mit Gottschalk kehrt die Show ab 2021 einmal jährlich zurück. Die letzte Sendung endet unversöhnlich.
2023: Bitterer Abgang von der großen ZDF-Bühne
Thomas Gottschalk erklärt, er könne im Fernsehen nicht mehr so reden wie als Privatmann, weil er häufig missverstanden werde. "Bevor hier ein verzweifelter Aufnahmeleiter hin- und herrennt und sagt, 'Du hast wieder einen Shitstorm herbeigelabert', da sage ich lieber gar nichts mehr", gab der Moderator dem Publikum zu verstehen.
Seine Kritik an Medien und angeblichen "Sprachverboten" löst breite Diskussionen aus. Der Meteorologe und Moderator Jörg Kachelmann etwa spricht von "peinlicher Larmoyanz" über die angebliche Cancel Culture. Doch es gibt auch Zustimmung. Seine Äußerungen seien "leider verständlich", schreibt "Bild". "Seine Show war das bundesdeutsche Lagerfeuer für Alte und Junge, Denker und Drechsler, Baggerfahrer und Bundeskanzler."
Tatsächlich ist Thomas Gottschalk etwas gelungen, was nur wenige vor ihm geschafft haben: die perfekte Samstagabend-Show für die ganze Familie, in der er sagen durfte, was er wollte. Das gilt auch heute noch - wenn man den Shitstorm aushalten kann, den man vielleicht auslöst. Was früher vielleicht eine einzige Kritik in einer großen Tageszeitung auf der ersten Seite war, sind heute Tausende Posts in sozialen Netzwerken. Inzwischen scheinen auch Fernsehsender mehr auf soziale Netzwerke zu reagieren, als sich schützend vor ihre Stars zu stellen.
Häme nach unglücklichen Gala-Auftritten: etwas typisch Deutsches?
Bei RTL sieht man das offenbar anders. Im August 2018 startet der Sender die Show "Denn sie wissen nicht, was passiert" mit Barbara Schöneberger, Günther Jauch und Thomas Gottschalk. Jauch und Gottschalk kannten sich schon vom Radio, moderierten verschiedene Fernsehsendungen gemeinsam. Nun soll die Sendung zu Ende gehen. Heute (Samstag, 6. Dezember, 20.15 Uhr) läuft sie zum letzten Mal in dieser Besetzung. Thomas Gottschalk hatte schon vorher erklärt, er werde in diesem Jahr die große Bühne verlassen. Er sei jetzt 75 Jahre alt. Es sei Zeit. Da war von seiner schweren Krankheit noch nichts bekannt.
Gottschalk ist an einem bösartigen Tumor erkrankt. "Ich glaube, dass wir die Karten auf den Tisch legen müssen: Ich habe Krebs", sagt er am vergangenen Sonntag der "Bild"-Zeitung. Zwei Operationen habe er bereits überstanden. Er muss Schmerzmittel nehmen, die starke Nebenwirkungen haben. Nun muss er sich auf seine Gesundheit konzentrieren. Und er wird sein Leben umstellen müssen.
Vorher hatte er zwei Auftritte bei Preisverleihungen in Deutschland und Österreich. Da merkte man ihm an, dass er unkonzentriert war, er wirkte, als sei er nicht recht präsent. Viele Medien berichten, manche nicht ganz ohne Häme. Das ist vielleicht etwas typisch Deutsches, das in die heutige Zeit gehört: Gottschalk hat mehr als 1.500 Fernsehsendungen in den letzten 50 Jahren moderiert und sich eine Fan-Gemeinde von mehreren Millionen Menschen erarbeitet. Doch immer noch wird mit Behagen über Fehler berichtet, als sei der Superstar ein Anfänger.
Der erste echte Fernsehrocker in der Primetime
Thomas Gottschalk war an vielen Abenden in so manchem Wohnzimmer durch das Fernsehen zu Gast. Er ignorierte kontinuierlich die Kleiderordnung von ARD und ZDF und zeigte, dass man auch mit schrillen Klamotten cool aussehen kann.
Gottschalk fand es immer cool, ein wenig anzuecken - mit einem unkonventionellen Moderationsstil und mit unkonventionellen Meinungen. Die muss man nicht unbedingt immer teilen. Wahr aber bleibt: Thomas Gottschalk war der erste echte Fernsehrocker in der Primetime. So wird er vielen Zuschauerinnen und Zuschauern in Erinnerung bleiben.
Eines ist klar: Wenn sich Thomas Gottschalk nun von der Fernsehbühne verabschiedet, wird er eine Lücke hinterlassen. Viele Fernsehstars von heute versuchen, ihn zu kopieren. Erreichen können sie ihn selten. Denn Gottschalk hat den Entertainer in sich. Das kann man nicht lernen, das muss man fühlen. Und dafür darf man als Zuschauer mit Recht dankbar sein.
Alles Gute, Thomas Gottschalk!



