04.10.2024 von SWYRL/Natascha Wittmann
Der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz steigt nach den Wahlniederlagen der SPD. Bei "Markus Lanz" machte Kevin Kühnert dennoch deutlich, dass Scholz trotz aller Kritik als Kanzlerkandidat in der nächsten Bundestagswahl antreten werde. Mit seiner Erklärung sorgte er jedoch für Verwirrung.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen fuhren nicht nur die Grünen, sondern auch die SPD historisch schlechte Ergebnisse ein. ZDF-Moderator Markus Lanz wollte deshalb am Donnerstag von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wissen, welches Gefühl ihm die Wahlniederlagen seiner Partei bereite.
Statt auf die eigenen Fehler zu blicken, sah Kühnert in den Ergebnissen der Landtagswahl jedoch lediglich den Beleg für "eine hohe Volatilität" bei den Wählern sowie ein "flexibleres Wahlverhalten" bei jungen Menschen. Gleichzeitig sagte Kühnert, dass es "Verschiebungen in der politischen Landschaft" gebe, denn: "Wir haben einen Anstieg (...) von Menschen mit geschlossen rechtsradikalen Weltbildern." Dies spiegle sich dementsprechend "auch in den Wahlergebnissen" wider.
Lanz konterte empört: "Sie sind die Regierungspartei!" Man könne sich "doch nicht damit zufriedengeben, dass man irgendwie sechs bis sieben Prozent erreicht". In dem Zusammenhang sprach der ZDF-Moderator den Rücktritt von Grünen-Chefin Ricarda Lang und Omid Nouripour an und wollte wissen, was Kühnert davon halte. "Ein respektabler Schritt", so der Politiker. Er fügte jedoch hinzu: "Ich habe jetzt auch nach mehreren Tagen (...) noch nicht so richtig verstanden, warum eigentlich der Rücktritt der grünen Parteivorsitzenden die passende Antwort auf die Problemsituation der grünen Partei sein soll."
Der Moderator stichelte prompt: "Verantwortung übernehmen für miese Wahlergebnisse?" Auch Journalist Robin Alexander stellte scherzhaft fest: "Kevin Kühnert baut vor. Sollte Olaf Scholz auf die Idee kommen, den SPD-Generalsekretär auszuwechseln ..."
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Journalist Robin Alexander: "Die Lage ist schlecht und die Stimmung ist noch schlechter"
Während Markus Lanz herzhaft lachte, sagte Kevin Kühnert sichtlich genervt: "Ich klebe da bestimmt auch nicht an meinem Sessel." Als Lanz hellhörig nachhakte, fügte der SPD-Generalsekretär hinzu: "Jeder in führenden Ämtern sollte regelmäßig sich hinterfragen, ob er im positiven Sinne einen Unterschied in seinem Amt machen kann." Gleichzeitig merkte er jedoch an, dass ein Rücktritt der Parteispitze nur wenig Auswirkungen habe, "weil die grundsätzliche Stimmung gegenüber Bundespolitik sich nicht in der Mitte einer Wahlperiode fundamental ändert". Kühnert zeigte sich im Gespräch mit Lanz überzeugt davon, dass keines der aktuellen Probleme gelöst werde, "wenn jetzt beispielsweise ich zurücktreten würde". Der Politiker fügte dennoch hinzu: "Ich bin da ganz unorthodox. Wenn das helfen würde, (...) ich würde das sofort machen."
Journalist Robin Alexander konterte empört: "Sie haben gerade etwas gesagt, was echt fatal ist. Nämlich: Die Stimmung ändert sich nicht mehr. Und das ist nicht okay!" Alexander erklärte: "Die Lage ist schlecht und die Stimmung ist noch schlechter und deshalb muss sich ein Kanzler oder eine Regierung einen Kopf machen: Wie drehe ich das?"
Kühnert zeigte sich unbeeindruckt und sprach von einem "Grundsatzverdruss", der sich nicht mehr "an konkreten politischen Maßnahmen" festmache, "sondern zum Beispiel an dem Gefühl: 'Was ich auch wähle, mit wem ich auch spreche - (...) im Ergebnis ändert sich nicht viel'". Markus Lanz bezeichnete dies als "fatale" Aussage und hakte irritiert nach: "Sie sagen, da gibt's einfach nur ein Gefühl?!" Zwar konterte Kevin Kühnert mit einem "Nicht nur!", er gab jedoch auch zu, dass er selbst "mit einer gewissen Ohnmacht" vor der aktuellen Situation stehe und "noch nicht die abschließende Antwort gefunden" habe.
Kevin Kühnert: "Ich würde hohe Wetten darauf abschließen - der Kanzler ist der Kandidat"
Dies brachte Markus Lanz schließlich auf die Wahlerfolge der AfD zu sprechen, die er als "die neue Arbeiterpartei" bezeichnete. Generationenforscher Rüdiger Maas erklärte in dem Zusammenhang, dass vor allem junge Menschen der Politik nicht mehr vertrauen würden. "40 Prozent der Jungen (...) glauben, dass die Regierung gegen sie arbeitet", so Maas. Eine Zahl, die den ZDF-Moderator schockierte: "Woran machen die das fest? Das ist ja irre!"
Maas erklärte, das viele junge Menschen das Gefühl hätten, "der Staat muss mehr machen". Laut des Generationenforschers wachsen Jugendliche heutzutage behüteter und mit der Annahme auf, "dass immer die Umgebung sich ein Stück mir anpasst. Und das wird jetzt auch auf den Staat übertragen." Laut Maas gebe es zudem "ein ganz anderes Politikverständnis" in der jungen Generation. "Die AfD ist für viele Jungen keine Extrem-Partei", so Maas. Er erklärte, dass die AfD vielmehr als "eine nahbare Partei der konservativen Mitte" gesehen werde.
Lanz wollte abschließend wissen, ob diese Erkenntnis bei der SPD zu einem Wechsel des Kanzlerkandidaten bei der nächsten Bundestagswahl führen werde. Kevin Kühnert wiegelte jedoch ab: "Ich würde hohe Wetten darauf abschließen - der Kanzler ist der Kandidat." Lanz hakte weiter nach: "Sie schließen es nicht aus, dass Boris Pistorius plötzlich der Kandidat ist?" Daraufhin stichelte Kühnert trocken zurück: "Ich schließe auch nicht aus, dass Uschi Glas die Kanzlerkandidatin der SPD im nächsten Jahr wird!"