07.03.2025 von SWYRL/Eric Leimann
30 Jahre nach der Verhaftung des Kaufhaus-Erpressers "Dagobert" kam die wohl verrückteste True-Crime-Geschichte Deutschlands im Herbst 2024 als sechsteilige Serie zu RTL+. Die rasante und detailgetreue Verbrecherhatz ist echtes Qualitätsfernsehen. Nun zeigt RTL die ersten beiden Folgen im Free-TV.
Wer gewohnt ist, bei Filmen und Serien, die auf wahren Ereignissen beruhen, parallel zum Schauen den Fakten-Check durchzuführen - Wikipedia-Einträge und mehr - sollte dies bei "Ich bin Dagobert" lieber lassen. Warum? Weil sich die sechsteilige Serie von Autor Ronny Schalk ("Oktoberfest 1900") in den meisten Szenen bis ins kleinste Detail an die Realität hält und gerade darin ungemein spannend inszeniert ist. Man würde sich den Spaß verderben, wüsste man bei all diesen Szenen schon vorher, wie sie ausgehen.
"Ich bin Dagobert" ist die wahre Geschichte des Westberliners Arno Funke, der zwischen 1988 und 1994 die Kaufhauskette Karstadt mit kleinen Sprengsätzen erpresste, die er - meist ohne jemanden zu verletzen - in unterschiedlichen Filialen platzierte. Damit nichts Schlimmeres passiert, sollte der Konzern Funke, der sich ab den 90-ern "Dagobert" nannte, bezahlen. Am Anfang mit 500.000, später gingen die Forderungen bis weit über eine Million D-Mark nach oben.
RTL zeigt die erste und zweite Folge des im vergangenen Herbst bei RTL+ gestarteten Sechsteilers im Free-TV. Episode zwei gibt es am Dienstag, 25. März, ebenfalls um 22.15 Uhr zu sehen. Wer weiterschauen will, kann dies aber nach wie vor nur über ein kostenpflichtiges Abo von RTL+ tun. Die Serie ist stark besetzt: Friedrich Mücke als "Dagobert" sowie Mišel Matičević, Moritz Führmann und Sonja Gerhardt als SoKo-Jäger.
Vor allem die geplanten Geldübergaben "Dagoberts" waren von solch planerischer und technischer Finesse, dass er nicht nur Tausende Polizisten über Jahre beschäftigte, sondern auch zum Medienstar mit "Robin Hood"-Sympathien bei vielen Deutschen avancierte. Auch wenn Funke niemals vorhatte, das Geld an die Armen zu verteilen, imponierte es doch vielen Deutschen in den 90-ern, wie kreativ "Dagobert" den Staatsapparat foppte.
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Hunderte, ja sogar tausende Beamte waren im Einsatz
Arno Funke, mittlerweile 75 Jahre alt, beriet die Serienmacher übrigens intensiv. In Folge fünf hat der echte "Dagobert" gar einen kleinen Cameo-Auftritt als Polizeibeamter (!), der eine Telefonzelle untersucht. Erzählerisch setzt die Serie Mitte bis Ende der 80er-Jahre in Westberlin ein. Der begabte Maler und Grafiker Arno Funke kann nicht von seiner Kunst leben und arbeitet in einer Kfz-Werkstatt. Er hat mit Depressionen und Lücken des Kurzzeitgedächtnisses zu kämpfen. Anstatt sich umzubringen, was wohl immer mal wieder eine Option im Kopfe Funkes war, beschließt er, zu viel Geld zu kommen und so seine Probleme zu lösen. Über kleine Warnsprengsätze bringt er den Karstadt-Konzern, der in der Serie jedoch Harburg heißt, dazu, ihm 500.000 D-Mark Unterlassungsgeld zu zahlen.
Dabei arrangiert der Täter immer wieder kreative Geldübergaben, die meist mit Zügen zu tun haben und ihm maximale Sicherheit garantieren. Tatsächlich gelingt ein Coup und Funke kann einige Jahre vom Geld leben. Er gibt seinen Job auf, lernt im Urlaub die Spanierin Anais (Carol Rovira) kennen, heiratet sie und bekommt einen Sohn. Doch das Geld ist irgendwann alle, und Funke beschließt 1992, sein altes Geschäftsmodell wieder aufzunehmen. Nachdem er seine erste Tat in Berlin verübt hatte, gerät nun eine Hamburger Filiale in sein Visier. Schnell bildet sich eine gewaltige SoKo der Polizei. Fast immer sind Hunderte, insgesamt über die Fälle Tausende Beamte im Einsatz. Dagoberts Übergabe-Werkzeuge, in der Regel handelt es sich um selbst gebaute Technik, und seine planerische Finesse sind den Methoden der Polizei jedoch lange überlegen.
Polizeiapparat gegen "Lupin"-artigen Meisterverbrecher
Man kann es kaum glauben: Fast alle verrückten Finten und Strategien des Erpressers sind genauso wie in der Serie beschrieben passiert. In der rasant inszenierten Logistik der Lösegeld-Übergaben (Regie: Hannu Salonen) liegt auch die größte Stärke der Serie. Das über sechsmal etwa 45 Minuten inszenierte Duell des Polizeiapparats gegen einen "Lupin"-artigen Meisterverbrecher ist nicht nur eine wahre Geschichte, sondern auch packend und präzise umgesetzt. Ob man nun die Fantasie-Szenen, in denen eine Geisterbahn-artige Horrorpuppe mit Entengesicht zu Arno Funke spricht, gebraucht hätte, oder auch die Szenen seiner schwierigen Kindheit mit dem autoritär fiesen Vater - geschenkt.
Abgesehen von den kleinen Erinnerungs- und Fantasy-Momenten, die nicht viel Raum einnehmen, werden auch die privaten Erzählstränge und damit die Entwicklung des Gejagten sowie der Jäger über sechs Jahre (Funke wurde 1994, vor gut 30 Jahren verhaftet) glaubhaft erzählt. Solange bis im gelungenen Serienfinale alle Last der Hatz, des Versteckens und Davonlaufens von den Figuren abfällt. Das Fassen und Gefasstwerden erleben die Figuren dann auch ein Stück weit als Erlösung.