Die mutigen 56 - Di. 29.04. - 3sat: 22.25 Uhr

Historischer Kampf um bessere Arbeit: So lief der längste Streik Deutschlands

27.04.2025 von SWYRL/Maximilian Haase

Bessere Arbeitsbedingungen gab und gibt es nicht geschenkt: Das Dokudrama "Die mutigen 56" erzählt vom längsten Streik der deutschen Geschichte - und davon, wie die Lohnfortzahlung bei Krankheit mühsam erkämpft werden musste.

Streiks werden in Deutschland traditionell eher skeptisch beäugt. Anders als in Ländern wie Frankreich hält man Arbeitskämpfe hierzulande nicht für selbstverständlich, wie die Debatten um Bahn- und sonstige Streiks regelmäßig zeigen. Dass Verbesserungen der Arbeitsbedingungen meist mühsam erstritten werden müssen, gilt schon seit dem Beginn der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert. Den größten Streik überhaupt erlebte Deutschland allerdings in den 1950er-Jahren: Bis zu 34.000 Metallarbeiter legten 1956 die Arbeit nieder - und sich mit den Fabrikbossen an. Wie es ihnen trotz aller Widrigkeiten gelang, die Lohnfortzahlung auch im Krankheitsfall zu erstreiken, zeigt das Dokudrama "Die mutigen 56" (2024), das nun kurz vor dem "Tag der Arbeit" bei 3sat wiederholt wird.

Was heute als Normalität gilt, war kurz nach Gründung der BRD absolut unüblich: Während die Angestellten bereits in den 50er-Jahren bei Krankheit ihren Lohn weiter erhielten, gab es für die Arbeiterinnen und Arbeiter an den ersten drei Krankheitstagen gar kein Geld - und auch danach nur wenig. Eine Ungerechtigkeit, die die Betroffenen nicht mehr hinnehmen wollten: Zehntausende Arbeiter in den Fabriken und Werften von Schleswig-Holstein begaben sich im Oktober 1956 in einen Streik, der heute als längster überhaupt gilt. Die boomende Schiffbaubranche kam zum Stillstand - was Werftchefs, Arbeitgeber und führende Politiker naturgemäß zur Weißglut trieb. Mit aller Härte gingen sie gegen die Streikenden vor, wie der Film der Berliner Regisseurin Sabine Bernardi und des Hamburger Dokumentarfilmers und Historikers Ingo Helm in einer Mixtur aus fiktionalen und dokumentarischen Szenen illustriert.

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Björn Engholm als Zeitzeuge

Am Beispiel einer fiktiven Arbeiterfamilie aus Kiel erzählt "Die mutigen 56" von jenen beispiellosen Tagen in Norddeutschland: Die Zuschauer begleiten die für die Zeit typische Mutter und Hausfrau Emma Freese (Anna Schimrigk) und ihren Mann Alfred (David Bredin), der auf der Kieler Howaldtswerft arbeitet. Nur ein gutes Jahrzehnt ist es her, dass der Krieg und seine Folgen die Familie leiden ließen und eine ganze Generation traumatisierten. Dank des Wirtschaftswunders konnten sich die Lebensbedingungen Schritt für Schritt verbessern, doch eben nicht uneingeschränkt: Als Alfred auf der Werft krank zusammenbricht und sich fortan zu Hause schonen muss, spitzt sich die ohnehin schon von Entbehrungen geprägte Lage zu. Ohne Lohn mangelt es der Familie selbst am Essen. Die Wut steigt - und der Streik ist unabwendbar.

Das Dokudrama begleitet auch die Gewerkschafter Julius Bredenbeck (Peter Sikorski), Herbert Sührig (David C. Bunners) und Hein Wadle (Ronald Kukulies), die den umfangreichen Arbeitskampf planten, organisierten und umsetzten - und heute in den Geschichtsbüchern stehen. Auf der Gegenseite platziert die ARD-Dokufiktion neben der Politik, die den Streik möglichst schnell niederschlagen will, auch die Arbeitgeber - da ist etwa Peter Lohmeyer als Arbeitgebervertreter Josef Schiml zu sehen, sowie der (ausgedachte) Werftboss Adolf Westphal (Max Herbrechter), der um neue Aufträge bangt.

Bis ins Detail haben die Autoren die Ereignisse nachrecherchiert und mannigfaltige Quellen einfließen lassen. So auch Zeitzeugeninterviews - unter anderem mit dem SPD-Politiker Björn Engholm, der den Streik als 17-Jähriger miterlebte und dadurch politisiert wurde. Eines illustriert der lehrreiche Film jedenfalls hervorragend, und das lässt auch aktuelle Streiks in einem anderen Licht erscheinen: Was uns heute als selbstverständliches Recht gilt, musste einst in harten Auseinandersetzungen erkämpft werden.

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