Liebe war es nie - Mi. 14.07. - ARD: 22.50 Uhr

In der Todeszone zwischen böse und rein

12.07.2021 von SWYRL/Wilfried Geldner

Die Dokumentation der israelischen Autorin Maya Sarfaty erzählt anhand von Tagebüchern, Zeugenberichten und ausführlichen Archivrecherchen die Geschichte der Liebesbeziehung zwischen einer jungen jüdischen Gefangenen und ihrem SS-Aufseher im Vernichtungslager Auschwitz.

Helena Citron, die Heldin des Films "Liebe war es nie" von Maya Sarfaty (2020), war eine der ersten jüdischen Frauen, die 1942 aus der Slowakei ins Konzentrationslager Auschwitz kamen. Als Arbeiterin in der dortigen Asservatenkammer mit dem Raubgut der Ermordeten lernte die junge Frau mit der schönen Stimme den 20-jährigen SS-Aufseher Franz Wunsch kennen, der sich unter Tränen in sie verliebte, als sie bei einer Geburtstagsfeier der Aufseher die Tangoschnulze "Liebe war es nie" zum Besten gab. Der Titel sollte von tieferer Bedeutung bleiben. Helena und Franz Wunsch lebten unter beidseitiger Todesbedrohung eine zweieinhalb Jahre währende gefährliche "Liebe" im KZ.

Doch war es wirklich Liebe? Und war der österreichische SS-Mann Franz Wunsch, der nach Berichten von Zeuginnen, die mit Helena im Lager gearbeitet hatten, ein grausamer Scherge war, einfach ein böser Mensch? Immerhin rettete er, als später Helenas Schwester Rosa nach Auschwitz kam, deren Leben, indem er sie vor der Gaskammer bewahrte. Die beiden kleinen Kinder Rosas konnte er allerdings nicht retten, wie Zeuginnen unter Tränen berichten.

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War es wirklich Liebe?

Es kann also sein, dass ein Mensch unter Zwängen zum Teufel wird und doch lieben kann: Franz Wunsch, der im zweiten Wiener Auschwitz-Prozess 1972 einerseits wegen Mangels an Beweisen, andererseits wegen Verjährung eines erwiesenen Totschlags freigesprochen wurde, trug jedenfalls sein Leben lang ein von ihm selbst fotografiertes Bild Helenas mit sich herum. Mehr noch: Er montierte es mit neuen Kleidern und geschöntem Hintergrund zu einer ergreifenden Sehnsuchtsutopie.

Von dieser Collagetechnik ließ sich die Autorin Maya Sarfaty ihrerseits zu einem durchgehenden Kunstmittel verleiten: Sie webt in die Erzählungen der hochbetagten, zur Aufnahmezeit 90-jährigen Zeuginnen und Zeugen Montagebilder aus dem Krieg und aus dem Lager ein. Das mildert die Wahrheitstreue der Erinnerungen keineswegs, wirkt aber doch leidlich aufgesetzt. Es dürfte, ganz klar, eine einseitige Liebe gewesen sein, von der hier die Rede ist. Heute würde man das Wort "Stockholmsyndrom" in die Waagschale werfen. Die Regisseurin selbst spricht von einer "Grauzone zwischen böse und rein", die für sie die Motivation für ihren Film gewesen sei.

Der Schlager "Liebe war es nie ... denn du hast kein Herz" stammt übrigens aus dem Jahr 1933 und wurde von Fritz Rotter, einem der besten jüdischen Light-Entertainment-Autoren der 20er- und 30er-Jahre ("Veronika, der Lenz ist da", "Was macht der Maier am Himalaja") komponiert. Ein Titel der alles besagt und einer unter vielen starken Funden in diesem Film.

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