02.10.2025 von SWYRL/Jan-Niklas Jäger
Mit "American Pie" schrieb Don McLean einen Evergreen, den scheinbar jeder kennt. Weniger bekannt: Was sich hinter dem Stück, das zu den längsten Chart-Hits der Musikgeschichte gehört, wirklich verbirgt. Wer genau hinhört, kann McLean jedoch auf die Spur kommen. Was ist das Geheimnis hinter "American Pie"?
"Bye bye, Miss American Pie": Die Melodie und weite Stellen des Textes von "American Pie" kennt eigentlich jeder, sei es aus Don McLeans Original von 1971 oder Madonnas Coverversion von 2000, die beide zu Hits wurden. Die Bedeutung hinter dem Evergreen aus der Feder von Don McLean, der am Donnerstag, 2. Oktober 2025, 80 Jahre alt wird, hingegen ist kaum bekannt.
Wie ein halbes Jahrzehnt vor ihm Bob Dylan in seinem elf Minuten langen Stück "Desolation Row" (1965) trug McLean für seinen Text eine Menge kultureller Referenzen zusammen, die gleichzeitig ein Gefühl von Nostalgie und Gegenwärtigkeit erzeugen.
Als Angelpunkt dafür dient ihm "the day the music died". Diese in "American Pie" wiederholt auftretende Bezeichnung bezieht sich auf den 3. Februar 1959 - den Tag, als Buddy Holly und einige andere Musiker, mit denen er sich gerade auf Tour befand, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Holly war gerade einmal 23 Jahre alt. Für viele markierte das Unglück das Ende der Rock'n'Roll-Ära. McLean beobachtet in dem Stück ein paar Whiskey trinkende ältere Jungs, die singen "This'll be the day that I die", eine Abänderung der Zeile "That'll be the day you say goodbye" aus Buddy Hollys Hit "That'll Be The Day" (1957).
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Anspielungen von Elvis bis zu Karl Marx und den Beatles
Don McLean war an jenem "Tag, an dem die Musik starb" 13 Jahre alt, also ein junger Teenager. Das Unglück dient "American Pie" als melancholische Umrahmung, die dem Optimismus sowohl der Rock'n'Roll-50er als auch der Flower-Power-60er eine bittersüße Schwere verleiht. Mit der Arbeit an "American Pie" begann McLean 1969, zwei Jahre nach Buddy Hollys Tod. Im selben Jahr starb ein Besucher des Altamont Free Concert während des Auftritts der Rolling Stones direkt vor der Bühne an Messerstichen, die ihm ein als Security angeheuertes Mitglied der Hell's Angels zugefügt hatte. Der Vorfall gilt, ähnlich wie Buddy Hollys Tod, als symbolisches Ende der Hippie-Ära.
McLean verknüpft diese Brüche im Zeitgeist mit seiner persönlichen Melancholie. Bei Veröffentlichung des Songs war er gerade 26 Jahre alt geworden, seine Jugend war vorbei. McLean selbst verwehrte sich lange einer Interpretation des Textes - dieser sei "Poesie jenseits von Interpretation" -, einige Anspielungen lassen sich aber gut herauslesen. Er zieht die Linie von Elvis Presley, der den Rock'n'Roll popularisiert hatte, über Bob Dylan, der ihn mit dem politischen Folk verbunden und damit ein neues Kapitel der Musikgeschichte aufgeschlagen hatte, bis zu den Beatles, dem größten Pop-Phänomen der Dekade.
"While Lenin read a book on Marx the quartet practiced in the park", singt McLean und bringt mit seinem Wortspiel John Lennon und den Sowjet-Revolutionär Lenin zusammen, während mit dem Quartett die Beatles gemeint sein werden. Lennon hatte sich im Laufe der 1960-er zunehmend politisch links radikalisiert und so einen entscheidenden Anteil am Aufkommen und Einfluss der Gegenkultur der Dekade, während Lenin eine erfolgreiche Revolution anführte.
Das wiederkehrende Ende der Unschuld
Doch so wie die Oktoberrevolution letzten Endes statt in Befreiung in eine Diktatur mündete, war die Utopie der Hippies 1969 ausgeträumt. Auch auf den Vorfall beim Rolling-Stones-Konzert kommt McLean zu sprechen, wenn er von "Engeln aus der Hölle" singt. Auch der Tod Janis Joplins an einer Überdosis wird thematisiert: "I met a girl who sang the blues and asked her for some happy news but she just smiled and turned away". Es gibt noch weitere Anspielungen, etwa auf die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy oder die Morde der Manson-Familie, die das Thema von geplatzten Träumen und dem Ende von Unschuld vertiefen.
Dadurch dass McLean diese kulturellen und weltpolitischen Ereignisse mit einer persönlichen Nostalgie um verlorene Jugend und Endlichkeit verknüpft, wächst "American Pie" über den Status als poetischer Geschichtsabriss hinaus und wird zu einem emotionalen Stück, das viele Menschen tief berührte. Trotz achteinhalb Minuten Spielzeit schaffte es das Folk-Rock-Epos in die Charts.