Auf dem Grund - Mi. 08.05. - ARD: 20.15 Uhr

Kommissarinnen haben frei - und dürfen mal Mensch sein

02.05.2024 von SWYRL/Eric Leimann

In "Auf dem Grund" zeigen Claudia Michelsen, Karin Hanczewski und Eleonore Weisgerber ein für alle Seiten schmerzhaftes Mutter-Töchter-Verhältnis. Sie tun dies so glaubhaft, dass man dem ARD-Drama von 2022 gebannt zusieht und sein Geheimnis lüften will. Auch, wenn's ziemlich weh tut.

Mit Claudia Michelsen (Magdeburger "Polizeiruf 110" ) und Karin Hanczewski (Dresdener "Tatort") "ermitteln" im ARD-Drama "Auf dem Grund" aus dem Jahr 2022 zwei Primetime-Kommissarinnen des Senders. Dies jedoch mal völlig ohne Leiche und Krimi-Plot. Im Familienfilm der Autorinnen Susanne Schneider und Astrid Ruppert ("Obendrüber, da schneit es") verkörpern Michelsen und Hanczewski die erwachsenen Töchter einer schwierigen Mutter. Was genau an Inge (Eleonore Weisgerber) so kompliziert ist, wird erst nach und nach deutlich - aber die Restfamilie zittert offenbar schon in den ersten Minuten des Films vor deren nahendem Geburtstag.

Zwei Töchter gibt es: Anne (Michelsen), die ältere, früher eine deutsche Spitzenschwimmerin und heute als Trainerin in der niedersächsischen Provinz tätig, bekommt die Launen der Mutter am deutlichsten ab. Miriam (Hanczewski) ist etwa zehn Jahre jünger als Anne und von Beruf klassische Musikerin. Von der launischen, gern mal gegen die Familie ausfallend werdenden Inge wird das "Nesthäkchen" etwas milder behandelt.

Schließlich ist da noch Inges Ehemann Helmut (Michael Wittenborn). Er interpretiert seine Rolle eher passiv und beschwichtigend. Während die Ehe der offenbar gut situierten Anne und ihres Mannes Tom (Alexander Wüst) kinderlos geblieben ist, hat Miriam eine halbwüchsige Tochter - aber keinen Mann. Juli (Anna-Lena Schwing) ist wie einst ihre Tante eine hochtalentierte Schwimmerin und wird auch von dieser trainiert. Anne scheint allerdings noch von anderen Dämonen besessen als nur von einer chronisch nervigen Mutter. Die Schwimmtrainerin leidet unter angsteinflößenden Visionen und befürchtet, dass ihr der Alltag entgleitet.

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Dunkle Familienfeste, Offenbarungen und Eklats

Nun gut, dass es im tiefenpsychologisch angelegten Familienfilm unter der Regie von Thorsten M. Schmidt um ein dunkles Familiengeheimnis geht und dass dabei Verdrängung, Schuld und Wut eine Rolle spielen könnten - das lässt sich auch ohne Uni-Abschluss in Psychologie vielleicht schon früh erahnen. Trotzdem schaut man dieser dysfunktionalen Familie gebannt zu: beim Streiten in der Gruppe, beim Zwiegespräch und sogar beim Leiden. Dies liegt vor allem am präzise geschriebenen Buch, das in seinen Dialogen und auch wortlosen Szenen angenehm "echt" bleibt.

Was Michelsen, Hanczewski, Weisgerber und Co. im unprätentiös erzählten Drama ins Wohnzimmer liefern, dürfte manche an eigene dunkle Familienfeste, Offenbarungen und Eklats erinnern - oder, wenn daheim alles "paletti" war, dann vielleicht an andere gute Filme zum Thema. Nicht zuletzt ist das bis zum Ende der 90 Minuten subtil spannende TV-Werk auch mal wieder ein Plädoyer in Richtung Fernsehmacher: Traut euch mehr Erzählungen ohne Leiche zu! Selbst erfahrene Primetime-Kommissarinnen freuen sich, wenn sie wie in diesem Film einfach mal nur leben - und nicht ermitteln müssen.

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