"Tatort: Charlie"
Keine Experimente! Den Wahlspruch Konrad Adenauers unterschreiben auch die "Tatort"-Planer. Dann und wann pfeifen die Macher dennoch auf Regeln. Wie wagemutig die neue "Tatort"-Folge "Charlie" (Bild) mit den Münchner Kommissaren Batic (rechts) und Leitmayr ist so ein Fall. Gedreht wurde quasi "live" während eines echten NATO-Manövers mit 6.000 Soldaten. Ein Rückblick auf die verrücktesten "Tatort"-Episoden aller Zeiten.
© BR/Lucky Bird Pictures/Oliver OppitzPlatz 20: Chateau Mort (2015)
2015 lösten die Bodensee-Kommissare Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel, Bild) ihren außergewöhnlichsten Fall: Die weinselige Episode "Chateau Mort" schlägt den Bogen von der Zeit des Vormärz in die Gegenwart. Am Ende klärte Perlmann im Kellerverlies einen rund 150 Jahre alten Mord an einem badischen Revolutionär auf. Sehr wahrscheinlich "Tatort"-Rekord.
© SWR / Martin FurchPlatz 19: Hitchcock und Frau Wernicke (2010)
Mord! Von ihrem Fenster zum Hinterhof hat Frau Wernicke (Barbara Morawiecz) alles ganz genau gesehen. Klingt vertraut? Stimmt! "Hitchcock und Frau Wernicke" ist eine Hommage an Alfred Hitchcocks Meilenstein "Das Fenster zum Hof". Die Berliner Kommissare Ritter (Dominic Raacke, rechts) und Stark (Boris Aljinovic) spielten 2010 gekonnt auf der Klaviatur des Suspense-Meisters.
© rbb / Hans-Joachim PfeifferPlatz 18: Das Team (2020)
"Das Team" heißt der Neujahrs-Fall des Jahres 2020, doch das Stück zum Jubiläum "50 Jahre Tatort" hätte auch "Das Experiment" heißen können. Sieben Ermittler aus unterschiedlichen Revieren improvisierten ohne festes Drehbuch. Am Ende waren viele Kritiker etwas ratlos, und eine Kommissarin starb den Filmtod.
© WDR/Tom TrambowPlatz 17: Limbus (2020)
Im "Tatort: Limbus", später im Jahr 2020 ausgestrahlt, gab es ein Wiedersehen mit der in "Das Team" gemeuchelten Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter). Die trifft in der titelgebenden Vorhölle die transzendierende Seele Professor Boernes (Jan Josef Liefers), während dessen Körper im Koma liegt. Eine anregend-enervierende Geister-Farce!
© WDR / Bavaria Fiction GmbH / Martin Valentin MenkePlatz 16: Das Dorf (2011)
Als der Wiesbadener LKA-Mann Felix Murot (Ulrich Tukur, rechts, mit Thomas Thieme) auf der "Tatort"-Landkarte erschien, sprach er mit seinem Hirntumor und legte mit Fall Nummer zwei erst so richtig los: "Das Dorf" (2011) ist ein aberwitziger Retro- und Ego-Trip und vor allem eine hemmungslose Hommage an die Filmklassiker der "Edgar Wallace"-Reihe.
© HR / Carl-Friedrich KoschnickPlatz 15: Mord unter Misteln (2022)
"Tatort", very british: In "Mord unter Misteln" (2022) begeben sich Chief Inspector Francis Lightmyer (Udo Wachtveitl), Constable Ivor Partridge (Miroslav Nemec) und ihre Münchner Kripo-Kollegen auf Zeitreise ins England der 1920er-Jahre - wenn auch nur im Rahmen eines sogenannten Krimidinners. Mörderrätsel ohne echte Leiche - so harmlos war der "Tatort" nie.
© BR/Bavaria Fiction GmbH/Hendrik HeidenPlatz 14: Fürchte dich (2017)
Willkommen in Spukhaus! Der Frankfurter "Tatort: Fürchte dich" (2017) ist ein Krimi wie eine Geisterbahnfahrt. Irgendwann kriecht Kommmissar Brix' Vermieterin Fanny (Zazie de Paris) mit glühenden Augen durch ihr in Flammen stehendes Haus und fordert ein Menschenopfer. Die Einschaltquote war übrigens gespenstisch schlecht.
© HR / Benjamin DernbecherPlatz 13: Die Musik stirbt zuletzt (2018)
Einen formvollendeten "Tatort" wie diesen gab es wohl kein zweites Mal: Regisseur Dani Levy ließ seine Hauptdarsteller Stefan Gubser und Delia Mayer in "Die Musik stirbt zuletzt" (2018) 90 Minuten am Stück ermitteln, ganz ohne Schnitt, in einer einzigen beweglichen Handkamera-Einstellung. Ein Heidenaufwand, den die Kritiker dankten, die Zuschauer (nur 4,79 Millionen) aber weniger.
© ARD Degeto / SRF / HugofilmPlatz 12: Niedere Instinkte (2015)
Am Ende ließen sie Fünfe gerade sein: "Niedere Instinkte", gesendet im April 2015, war ein bizarres und radikales Abschiedsfanal der Leipziger Kommissare Keppler (Martin Wuttke) und Saalfeld (Simone Thomalla). Ausgehend von einem perversen Fall von Kindesentführung entspinnt sich ein greller Avantgardefilm voller Schweiß, Hundekacke und Nasenexkremente. Geschmackssache.
© MDR / Saxonia Media / JunghansPlatz 11: Die Ballade von Cenk und Valerie (2012)
Noch ein Abschiedsfall, bei dem alles erlaubt war: Der Hamburger Undercovermann Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, links, mit Kai Wiesinger als Bundeskanzler) stolpert in "Die Ballade von Cenk und Valerie" (2012) in eine im Graphic-Novel-Stil inszenierte Verschwörung. Batu opfert sein Leben, und die Zuschauer dieses brachial überdrehten Kunstfilms opferten 90 Minuten Lebenszeit.
© NDR / Sandra HoeverPlatz 10: Der treue Roy (2016)
Der Weimarer "Tatort: Der treue Roy" (2016) war allerhand, nur kein richtiger Krimi. Bizarre Verlierergestalten, wie man sie sonst nur in den Grotesken der Coen-Brüder findet, säumten den mit Leichen gepflasterten Weg des unglücklichen Titelhelden. Wie sagt der Chef der Ermittler Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) so schön: "Ich glaub', mein Schwein pfeift La Paloma!"
© MDR / Anke NeugebauerPlatz 9: Meta (2018)
Der Titel "Meta" deutet intellektuelle Volten an, die der Berliner "Tatort" aus dem Jahr 2018 als Film-im-Film-Erzählung im Umfeld der Berlinale entfaltet: Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) studieren einen Festivalfilm, der von Verbrechen handelt, die auch in der Wirklichkeit geschehen. Oder ist es umgegekehrt?
© rbb / Reiner BajoPlatz 8: Tote Taube in der Beethovenstraße (1973)
Allzu forsche Experimente, die konservative "Tatort"-Fans verschrecken, sind keine ganz junge Erfindung. 1973 ließ man beim WDR Hollywoodregisseur Samuel Fuller nach allen Regeln der Filmkunst gewähren. Gegen "Tote Taube in der Beethovenstraße" mit Zolloberinspektor Kressin (Siegardt Rupp, rechts, mit Glenn Corbett) hagelte es Zuschauerproteste der Marke "größter Käse des Jahrhunderts".
© WDRPlatz 7: Propheteus (2022)
Außerirdisch waren bis dato nur die Einschaltquoten des Münster-"Tatorts". In "Prophetheus" (2022) bekamen es Thiel (Axel Prahl, rechts) und Boerne (Jan Josef Liefers) jedoch mit Reptiloiden zu tun. Oder wenigstens mit Durchgeknallten, die an Echsen-Aliens glauben. Eine lustvoll bis an die Schmerzgrenze gedehnte Krimi-Farce zwischen Deepfake, Aluhut und Prepperszene.
© WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas KostPlatz 6: HAL (2016)
Ein "Tatort", der unverhohlen einen Klassiker der Kinogeschichte zitiert: "HAL" (Erstsendung: 2016) - so heißt der mörderische Bordcomputer in Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum". Um ein außer Kontrolle geratenes Software-Programm geht es folglich auch in diesem technologiekritischen Sci-Fi-Stück aus Stuttgart.
© SWRPlatz 5: Murot und das Murmeltier (2019)
Ist er völlig wahnsinnig geworden? Begreiflich wäre es. Felix Murot (Ulrich Tukur, links, mit Jens Wawrczeck) erlebt in "Murot und das Murmeltier" (2019) denselben für ihn tödlich endenden Einsatz immer wieder aufs Neue. Auch mit der Motorsäge kann der Kommissar der quälenden Zeitschleife nicht entkommen.
© HR / Bettina MüllerPlatz 4: "Scheherazade" (2005)
Rasante Schnitte reißen den Zuschauer hinein in den Trip einer jungen Frau (Esther Zimmerin), die beweisen will, dass hinter den Anschlägen vom 11. September eine gigantische Verschwörung steckt. Es dauert nicht lange, da verfällt Stedefreund (Oliver Mommsen) wie der Sultan in der Geschichte von "Scheherazade" der verängstigten Schönen. Ein groß gedachter Bremer "Tatort". Doch der 600. der Reihe (Erstsendung: 2005) ist auch einer, der großartig gescheitert ist.
© RBPlatz 3: Babbeldasch (2017)
2017 gab's erstmals Impro-Theater am "Tatort"-Sonntag: "Spielleiter" Axel Ranisch ließ in "Babbeldasch" Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, links) und Laiendarstellern einer Ludwigshafener Mundart-Bühne freie Hand, eine "Arsen und Spitzenhäubchen"-Variation auf Pfälzisch aufzuführen. Mutig, aber wie auch der baugleiche Nachfolger "Waldlust" (2017) durchaus zum Fremdschämen.
© SWR / Martin FurchPlatz 2: Tod im All (1997)
Über diesen Krimi sprach nach der Erstausstrahlung im Januar 1997 ganz Deutschland. Und das nicht nur wegen Gaststar Nina Hagen (Bild). In "Tod im All" ermitteln die Ludwigshafener Kommissare Odenthal und Kopper im Fall eines ermordeten Ufologen, der Kontakt zu Außerirdischen gehabt haben soll. Kontrovers war vor allem die letzte Szene: Ein Wasserturm entpuppt sich als Ufo und schwebt davon.
© SWR / Wolf TschiraPlatz 1: Wer bin ich? (2015)
Da hat er mal wieder den Vogel abgeschossen: Ulrich Tukur spielt Ulrich Tukur, der Felix Murot spielt. Noch Fragen? - "Wer bin ich?" (Erstsendung 2015) ist wahrscheinlich der verrückteste "Tatort" aller Zeiten: eine selbstironische Film-im-Film-Übung, in welcher der Hauptdarsteller seiner Figur begegnet.
© HR / Kai von Kröcher