03.03.2024 von SWYRL/Eric Leimann
Im "Tatort: Borowski und der Wiedergänger" sah sich der Kieler Ermittler (Axel Milberg) mit dem fast perfekten Verbrechen konfrontiert. Grund dafür war eine der besten, vielschichtigsten Gegenspielerinnen der Formatgeschichte. Wer war die Schauspielerin und warum lief der Abspann schon in der Mitte?
Nur noch dreimal ermitteln Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) nach dem "Tatort: Borowski und der Wiedergänger" gemeinsam in Kiel. 2025 geht Milbergs Kommissar nach 22 Dienstjahren in Rente. Man wird ihn vermissen, sollten die restlichen Fälle ebenso stark sein wie dieser vom ersten März-Wochenende 2024.
Grundlage des Krimi-Coups war ein Drehbuch, das einiges anders machte, als man es vom traditionsreichen Sonntagskrimi gewohnt ist: Zum einen war lange unklar, ob es überhaupt einen Toten gibt. Trotzdem schien die vermeintliche Täterin, wenn es denn eine Tat gab, von Beginn an festzustehen. Die Kommissare hingegen griffen ungewöhnlich spät ins Krimispiel ein und nach 68 Minuten lief schon mal der "Tatort"-Abspann. Dann nämlich, als die Ermittler aufgeben wollten, weil es nach einem perfekten, nicht nachweisbaren Verbrechen aussah. Wir erklären, was sich die Macher bei diesem Balla-Balla-"Tatort" dachten - und wer die grandiose Hauptdarstellerin war.
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Worum ging es?
Beim Ehepaar Greta (Cordelia Wege) und Tobi Exner (Pétur Óskar) scheint sich um eine Beziehung zu handeln, die direkt aus der Hölle kommt. Auf einer Party in der Designervilla stößt die steinreiche Unternehmerin, Mittvierzigerin und Hobby-Künstlerin, auf ihren Mann an. Ein kleiner Trick, denn der einigen Jahre jüngere Schönling - vor der Ehe mittellos - will gerade eine attraktive Liebschaft ins Hinterzimmer locken. Ein Vorgang, den die Ehefrau offenbar schon kennt.
Wenig später verschwindet Tobi Exner. Seine Spur verliert sich auf der Familienjacht "Kitty". Gretas Eltern, Vera (Karin Neuhäuser) und Konstantin (Stephan Bissmeier), gehören zu den reichsten Menschen Norddeutschlands. Sie fänden es nicht schlecht, wenn der prekäre Schwiegersohn und Tunichtgut nie zurückkehren würde. Greta hingegen scheint gespalten. Sie alarmiert die Kieler Mordkommission, die aber keine Leiche findet. Hat sich der Ehemann doch abgesetzt - oder handelt es sich um ein perfektes Verbrechen ohne Spuren?
Worum ging es wirklich?
Zunächst mal war diese Story vom Kieler Drehbuch-Veteran Sascha Arango ("Tatort: Borowski und der stille Gast") fantastisch konzipiert und vom hochdekorierten Regisseur Andreas Kleinert ("Lieber Thomas") äußerst kunstvoll in Szene gesetzt. Weil die vermeintliche Täterin von Anfang an festzustehen schien - auch wenn später Zweifel daran gesät wurden - und die Ermittler erst spät ins Bild kamen, erinnerte das Krimikonzept ein wenig an den guten alten Inspektor Columbo (1968-2003). In diesen Krimiklassikern mit Peter Falk bestand die alleinige Spannung darin, wie der von den (von Anfang an bekannten) Mördern unterschätzte Ermittler diesen auf die Schliche kam.
Auch Axel Milberg und seine Figur Borowski mögen die Rolle des freundlichen, unterschätzten Ermittlers, welcher in diesem Film raffiniert eine Falle stellt. Absolut faszinierend war die Figur der Täterin, bei der man mitunter nicht sicher war, ob sie sich tatsächlich an ihre Tat erinnern konnte - oder sie abgespalten hatte.
Wer war die grandiose Hauptdarstellerin?
Cordelia Wege, 47, ist vor allem als Theaterschauspielerin ein Star. Die Mutter von vier Kindern, verheiratet mit dem Theaterregisseur und ehemaligen Intendanten des Schauspiels Leipzig, Sebastian Hartmann, stammt aus Halle. Sie arbeitete mit ihrem Mann nach bereits hochkarätigen Stationen in Hamburg und Berlin bis 2013 gemeinsam in Leipzig. Seitdem ist sie als freie Schauspielerin tätig.
Im Film und Fernsehen sieht man Cordelia Wege hin und wieder, aber keineswegs inflationär oft. So spielte sie im bislang einmaligen Hallenser "Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strande" mit Peter Kurth und Peter Schneider (Fall zwei kommt 2024!) und zuletzt an der Seite von Ulrich Noethen im "Wendlandkrimi". Über ihre Rolle als schwer zu durchschauende Greta im Kieler "Tatort" sagt Wege: "Ich musste als Greta immer das meinen, was ich sagte. Ich musste mich regelrecht selbst überlisten, damit ich von 'wahr' zu 'gegenteilig und genauso wahr' gleiten konnte."
Was ist überhaupt ein Wiedergänger?
Der Wiedergänger, im Englischen übrigens "The Revenant", ist ein Untoter, der ins Leben zurückkehrt und dort wahlweise Ordnung schafft oder für Unruhe bei den Überlebenden sorgt. Meist hat der Wiedergänger - nach altem Volksglauben - noch etwas im Diesseits zu erledigen. Dies trifft auf die Figur des doch eigentlich getöteten Ehemannes - laut schlechtem Gewissen der Täterin im "Tatort"- zu. Aber auch auf Leonardo DiCaprio, der im Oscar-prämierten Film "The Revenant" als ein beinahe verstorbener Rächer auftritt, um seinen Fastmörder und jenen seines Sohnes zu bestrafen.
In vielen europäischen Volksglauben war man bis Anfang des 20. Jahrhunderts überzeugt davon, dass Tote nach ihrem Ableben trotzdem eine Weile weiterlebten und einen unheilvollen Einfluss aus dem Grab heraus ausüben. Weshalb man den ein oder anderen Menschen, vor dessen Wiederkehr man Sorge hatte, im Sarg auf den Bauch drehte oder ihn anderweitig im Sarg "fixierte". Die mythischen Figuren Gespenster, Vampire und Zombies sind allesamt Varianten der Wiedergänger-Idee.
Was hatte es mit dem "Tatort"-Abspann mitten im Film auf sich?
Nach 68 Minuten geschieht in diesem "Tatort" etwas, das es in der fast 54-jährigen Geschichte des Formats noch nie gab: Nach einem frustrierten Dialog zwischen den Ermittlern Sahin und Borowski, die bis dahin keine Leiche und keine Spuren eines Verbrechens gefunden haben, schließt sich an die Worte Axel Milbergs ("Das war's. Feierabend.") ein klassischer blau-weißer "Tatort"-Abspann mit der bekannten Musik an.
Der stellt sich zwar nach wenigen Sekunden als Fernseherlebnis ("Ups, der war spannend") der später überführten Täterin heraus, doch dieser Überraschungs-Coup ist geglückt. Für kurze Zeit denkt man wirklich, der Krimi wäre hier zu Ende. Die auf den Texttafeln gezeigten Namen und Funktionen - unter anderem Garderobe und Stunt-Beratung - sind übrigens kein "Fake", sondern echte Mitarbeitende an diesem "Tatort".
Wie geht es beim "Tatort in Kiel weiter?
Die Tage von Kommissar Borowski in Kiel sind gezählt. Der 67-jährige Schauspieler und gebürtige Kieler Axel Milberg zieht sich 2025 in die Ermittler-Rente zurück. Drei Fälle wird es noch geben: "Borowski und das hungrige Herz", "Borowski und das zweite Leben" sowie "Borowski und das Haupt der Medusa", dessen Dreharbeiten ab Januar 2024 stattfanden.
Für Milberg dürfte die letzte Klappe als Borowski mittlerweile gefallen sein. Doch erst 2025 wird sein Abschied im TV zu sehen sein. Partnerin Almila Bagriacik soll als Mila Sahin bleiben. Wer zukünftig an ihrer Seite ermittelt, hat der NDR noch nicht verraten.