"Der Trump-Einflüsterer"

Regisseur zahlte für Doku über Trump-Berater fast mit dem Leben - sein Film ist eine "Warnung"

19.10.2024 von SWYRL/Jens Szameit

"Der Trump-Einflüsterer - Der republikanische Königsmacher Roger Stone" heißt ein verstörender neuer Dokumentarfilm in der ARD-Mediathek. Er zeigt, wie selbstverständlich politische Hetze und Verleumdung in den USA geworden sind. Der dänische Filmemacher kollabierte während der Drehzeit.

"Immer noch auf der Flucht vor dem Gesetz?" So fangen Smalltalks in Kreisen republikanischer US-Politiker und ihrer Berater an. "Wenn ich eine Begnadigung brauche, zähle ich auf dich", sagt der Berater, gegen den ein Sonderermittler schwere Vorwürfe erhoben hat. Sein Gesprächspartner, ein republikanischer Abgeordneter, antwortet: "Hier sind überall Aufnahmegeräte. Ich erzähle lieber nicht, was ich diesbezüglich schon alles unternommen habe." Und weiter: "Der Boss hält immer noch große Stücke auf dich. Er weiß, dass du nicht in den Bau willst." Der Berater raunt: "Ich hätte leicht aus der Nummer rauskommen können."

Der Politikberater aus dieser Szene ist der gefürchtete rechte Strippenzieher und Stratege Roger Stone (72). 2020 hat ihn ein Gericht wegen seiner Verwicklung in die "Russland-Affäre" bei der US-Wahl von 2016 zu 40 Monaten Haft verurteilt. Antreten musste er den Vollzug nie. Donald Trump, der "Boss" aus der zitierten Unterredung, erließ seinem jahrzehntelangen persönlichen Berater erst die Haft und begnadigte ihn später vollumfänglich.

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Herzstillstand im Fitnessstudio

Das alles lässt sich nachlesen bei Wikipedia und anderswo. Oder es lässt sich "miterleben" in einem Dokumentarfilm, der seit Kurzem in der ARD-Mediathek abrufbar ist. Das wiederum ist eine Erfahrung der besonderen Art. "Der Trump-Einflüsterer - Der republikanische Königsmacher Roger Stone" heißt der 90-Minüter. Sein Autor, der dänische Filmemacher Christoffer Guldbrandsen, hätte das Projekt fast mit dem Leben bezahlt.

Guldbrandsen wollte einen Film über die Präsidentschaftswahl 2020 drehen. Roger Stone, ein extrovertierter Typ mit Zigarren-Tick und Nixon-Tattoo, sollte ihm Zutritt zum Inneren der Trump-Kampagne verschaffen. Insgesamt drei Jahre lang begleitete der Filmemacher den rechten Ideologen mit der Kamera. Zwischendrin kippte Guldbrandsen einfach um.

Im Oktober 2020 war das, in einem Fitnessstudio in Kopenhagen. Der Film zeigt minutenlang die Aufzeichnung der Überwachungskamera. Guldbrandsen hatte einen Herzstillstand erlitten, musste wiederbelebt werden und sich einer Bypass-Operation unterziehen. Aus dem Nichts traf ihn dieser Schicksalsschlag nicht.

Roger Stone erfand "Stop the Steal" schon 2016

"Je länger ich drehte, desto abhängiger wurde ich von Stone. Ohne ihn würde es ja keinen Film geben", reflektiert der Filmemacher in der Doku selbstkritisch. Nach einem Jahr Drehzeit hatte Stone jedoch ein anderes Team beauftragt, das ihm ein lukrativeres Angebot unterbreitet hatte. "Er servierte mich einfach ab, reagierte nicht auf meine Anrufe und Nachrichten." Dabei hatte Guldbrandsen sein "ganzes Herzblut und Vermögen" in den Film gesteckt. Der Stress wurde einfach zu viel.

Der heute 53-Jährige kam mit dem Leben davon - und Roger Stone überlegte es sich noch mal. Denn das andere Filmteam hatte das Interesse an ihm verloren, nachdem klar geworden war, dass er nicht ins Gefängnis musste. Guldbrandsen flog also wieder in die USA und wurde Zeuge einer Entwicklung, die in den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 münden sollte.

Die zeitgeschichtlichen Fakten aus der Innenperspektive der Trumpisten nachzuvollziehen, ist ein verstörendes Unterfangen, man kann es schlecht anders nennen. Man sieht, wie Mitglieder der rechtsextremen Milizen Proud Boys und Oath Keepers ein- und ausgehen. Man hört, wie Roger Stone die Verschwörungsideologen von QAnon lobt ("Das sind Patrioten, die das Internet nutzen"). Und wie er offen damit prahlt, die "Stop the Steal"-Kampagne schon 2016 konzipiert zu haben. Für den Fall eines Wahlsieges von Hilary Clinton.

Als Stone merkt, dass die Trump-Kampagne vier Jahre später "ein absolutes Desaster" ist, holt er die Wahlbetrugs-Erzählung einsatzbereit aus der Schublade: "Jetzt braucht es Eigeninitiative."

"Wenn du das verwendest, bringe ich dich um"

"Der Trump-Einflüsterer" verdeutlicht besser, als jeder US-Korrespondent es könnte, wie alltäglich Hass, Hetze, Lüge und Verleumdung im politischen Amerika geworden sind. Es ist nichts, das man vor der Kamera eines europäischen Doku-Regisseurs verbergen müsste. Am Ende des Films beobachtet man einen Mann, der offenbar seine eigenen Lügen glaubt, der wie vom Wahn befallen Hassnachrichten und Morddrohungen an seine Gegner ins Handy diktiert. Auch gerichtet an Donald Trump.

"Er hat alle verraten. Kandidier noch mal und ich schlage dir den Schädel ein!", hört man Roger Stone ins Telefon bellen. "Er war der größte Fehler in der amerikanischen Geschichte." Und zum Filmemacher Guldbrandsen: "Wenn du das verwendest, bringe ich dich um."

Guldbrandsen hat die Warnung ignoriert und dennoch keinen Mordanschlag gewärtigen müssen. Seinen Film beschließt er dennoch mit einer düsteren Prognose. "Was die Ereignisse angeht, deren Zeuge ich wurde: Ich glaube, sie waren erst der Anfang. Eine Warnung vor dem, was noch kommen wird." Am 5. November sind Präsidentschaftswahlen in den USA. Roger Stone unternimmt nach aktuellen Berichten alles, damit der "historische Fehler" Trump ins Weiße Haus zurückkehrt.

"Der Trump-Einflüsterer - Der republikanische Königsmacher Roger Stone" ist zum Abruf in der ARD-Mediathek zu finden und läuft am Abend vor der US-Wahl, am Montag, 4. November, 22.50 Uhr, im Ersten.

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