17.11.2022 von SWYRL/Sebastian Klarzyk
Die Aktionen der Klimaschutzbewegung "Die letzte Generation" erregen die Gemüter im Land. Ist diese Form des Protests, die unter Umständen auch Menschenleben gefährdet, gerechtfertigt? Dazu hat die hinterbliebene Schwester der in Berlin verunglückten Radfahrerin im Talk von Sandra Maischberger eine klare Meinung.
Wie weit darf Protest gehen? Diese Frage versucht Sandra Maischberger am Mittwochabend zusammen mit ihren ARD-Talkshow-Gästen zu klären. Anlass ist der Tod einer Radfahrerin in Berlin vergangene Woche, der sich möglicherweise hätte verhindern lassen, wäre Spezialgerät zur Rettung rechtzeitig am Unfallort gewesen. Doch das war es nicht.
Die Berliner Staatsanwaltschaft versucht nun zu klären, ob eine Protestaktion der "Letzten Generation" ein schnelles Eintreffen der Rettungskräfte behindert hat. Anja Umann, die Schwester der verstorbenen Radfahrerin, hat sich bei "Maischberger" zu der Frage geäußert.
Abonniere doch jetzt unseren Newsletter.
Anja Umann: "Helfer sind behindert worden, ihren Anteil zu leisten"
"Viele Indizien weisen darauf hin, dass meine Schwester unter Umständen jetzt am Leben hätte sein können", sagt sie auf Nachfrage der Gastgeberin. Die Angehörige bezieht sich unter anderem den Abschlussbericht der Berliner Feuerwehr, in dem die Brandschützer darauf hinweisen, dass ein Spezialfahrzeug acht Minuten zu spät am Unfallort eintraf, weil es im Stau stand.
Verursacht wurde der Stau durch einen Protest von Klimaaktivisten der Gruppierung "Die letzte Generation". Aktivisten hatten sich auf die Straße geklebt, um für Klimaschutz und ein Autobahn-Tempolimit zu werben. "Helfer sind behindert worden, ihren Anteil zu leisten", bewertete Umann die Situation. Es gäbe Erhebungen seitens der Feuerwehr, dass seit Juli bei 13 von 18 Protestaktionen der Aktivisten Rettungskräfte verzögert eingetroffen seien, so die Hinterbliebene.
Dabei hätten sich Anja Umann und Ihre verstorbene Schwester Sandra immer mit den Zielen der Klimaaktivisten identifiziert. Die beiden Schwestern selbst haben das nachhaltige Modelabel Umasan gegründet. "Wir haben einen anderen Weg gewählt, nicht den des Protestierens, sondern den der Veränderung." Hass Wut und Zerstörung seinen nicht der richtige Weg. Ein konstruktives Miteinander könne mehr erreichen, um Problem zu lösen, so ihre Botschaft.
"Wir haben einen anderen Weg gewählt"
Maischberger stellt dem gegenüber, dass in ihrer vorherigen Sendung eine Vertreterin der "Letzten Generation" darauf hingewiesen hat, dass sich der Protest nicht aus Hass und Wut speise, sondern aus Verzweiflung resultiere. Verzweiflung darüber, dass Argumentieren und auf Risiken und Lösungen hinzuweisen, nichts bewirke.
Selbst handeln, aktiv etwas beitragen, versuchen, mit Lösungsansätzen etwas zu erreichen, anstatt mit blindem Protest Veränderungen einzufordern, ist Anja Umanns Antwort darauf. Sie wünscht sich, dass man im Hinterkopf haben sollte, dass es um Menschenleben gehen kann und dass Radikalität in der Debatte niemanden weiterbringe.
Die kommentierende "Maischberger"-Gäste am Mittwoch - Schauspieler Hannes Jaenicke, Verleger und Publizist Wolfram Weimer und "Pioneer"-Chefreporterin Alev Dogan - sind sich einig: Diese radikale Form des Protests ist der falsche Weg. Hannes Jeanicke, selbst seit vielen Jahren Umweltaktivist, hält den Weg der "Letzten Generation" für kontraproduktiv. Die Wahl der Mittel sei falsch, weil diese Form des Protests eine Gegenreaktion auslöse, die unproduktiv für die Klimadebatte sei. Ähnlich bewertet es Alev Dogan: "Die Botschaft kommt nicht an, sondern die Botschaft 'Ich komme zu spät ins Büro' kommt an."
Ralf Stegner: "Müssen wir jetzt Kampfpanzer liefern, um eine Fürhrungsrolle zu übernehmen?"
Das andere Hauptthema des Abends ist der Ukraine-Krieg - und im Speziellen: die in Polen eingeschlagene S-300 Luftabwehrrakete. Sowohl die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack- Zimmermann (FDP), als auch Ralf Stegner (SPD) finden die besonnene Reaktion der Nato auf den dramatischen Vorfall richtig. Doch bei der Frage, ob sich nach dem Rückzug der russischen Streitkräfte aus Cherson nun ein Fenster für Verhandlungen der beiden Kriegsparteien auftue, gehen die Meinungen der beiden auseinander.
Für Strack-Zimmermann gehe es vor allem darum, Stärke zu zeigen. Denn Putin würde nur Stärke verstehen. Damit meint sie vor allem militärische Stärke. Die FDP-Politikerin hat sich in den letzten Monaten immer wieder für die Lieferung von Kampfpanzern - zur Not in Form eines deutschen "Alleingangs" - starkgemacht. Sie ist der Meinung, dass Deutschland jetzt eine Führungsrolle übernehmen müsse.
"Wir reduzieren uns auf das Vermitteln", monierte die Liberale, doch jetzt sei "der Zahltag gekommen, Verantwortung zu übernehmen". Strack-Zimmermann spielt darauf an, dass Deutschland die Chance gehabt hat, nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisch zu werden. Aus ihrer Sicht müsse diese Investition der Alliierten nun zurückgezahlt werden, indem Deutschland vorangeht und andere Länder auffordert mitzumachen. "Es geht darum Initiative zu zeigen", sagte die frisch aus Kiew zurückgekehrte Politikerin.
Ralf Stegner dagegen setzt wie in den vergangenen Monaten auch weiter auf die Diplomatie: "Die Staaten müssen miteinander reden." Dass dies nicht aussichtslos sei, habe nicht zuletzt die gemeinsame Verurteilung eines potenziellen Atomwaffeneinsatzes durch China und die USA am Rande des G20-Gipfels gezeigt.
Für Stegner gilt es jetzt, dafür zu sorgen, dass der Krieg ein Ende findet. Gleichzeitig müsse Sorge getragen werden, dass der Krieg nicht eskaliert und dass die Welt nicht noch weiter in diesen Krieg hineingezogen werde. "Eine militärische Führungsrolle für Deutschland würde ich mir nicht wünschen", sagte der SPD-Politiker.
Ein Alleingang Deutschlands in Bezug auf die Lieferung von Kampfpanzern wäre aus Sicht des Sozialdemokraten falsch. Deutschland müsse keine Kampfpanzer liefern, um eine Führungsrolle zu übernehmen. Waffenlieferungen seien notwendig, aber nur in Absprache mit anderen Ländern.