"FCK 2020 - Zweieinhalb Jahre mit Scooter"

Scooter-Doku in der ARD-Mediathek: Gibt es die Trauer nach dem Rave?

16.07.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Das Party-Techno-Phänomen Scooter lebt seit 30 Jahren - und Sänger H.P. Baxxter feierte jüngst 60. Geburtstag. Doch was machen Dauer-Raver, wenn gerade Pandemie ist? Der interessante Dokumentarfilm "FCK 2020 - Zweieinhalb Jahre mit Scooter" erzählt es zwischen den Zeilen (ARD Mediathek).

Normalerweise funktionieren Musikdokus so, dass man die Innensicht einer Band mit einer Draufsicht mischt. Also: Nicht nur die Stars werden im Leben und beim Musizieren begleitet, sondern auch andere Menschen - Journalisten, Kultur-Anthropologen, Whistleblower einer intimen Vergangenheit - sollen das Bild rund werden lassen. Cordula Kablitz-Post, die für ihre famose Doku-Reihe "Durch die Nacht mit ..." 2006 einen Grimme-Preis gewann, hat sich für einen anderen Weg entschieden. Ihre Langzeitbeobachtung "FCK 2020 - Zweieinhalb Jahre mit Scooter" (Samstag, 20. Juli,, 23.15 Uhr, im NDR Fernsehen und danach zwei Monate in der ARD Mediathek) lässt nur die Band und ihr direktes Umfeld sprechen. Dazu kommen im Rahmen eines schnellen Ritts durch die 30-jährige Historie des Party-Techno-Phänomens ein paar ehemalige Mitstreiter zu Wort.

Und: Der 111 Minuten lange Film macht aus jener Not eine Tugend, die zu Beginn der Dreharbeiten Anfang 2020 bald unser Leben bestimmten sollte: den Umständen der Corona-Pandemie. Was tun Menschen, vor allem aber Deutschlands scheinbar altersloser Ravekönig H.P. Baxxter, wenn gerade Kontaktverbot besteht?

Der Film kommt seinen Protagonisten, die Tiefe in ihrer Kunst eigentlich von Haus aus ablehnen, durchaus nahe. Weniger durch zweifelnde oder gar introspektive Momente, denn der Zweifel ist beim Rave außen vor. Psychologisch interessant sind vielmehr Momente, in denen die Partykultur in selbst verordneter Heiterkeit am Leben gehalten werden soll. Dann etwa, wenn Scooter Konzert-Ekstase ins Internet streamen wollen, wenn etwas später ein Autokino-Konzert stattfinden kann (einer der besten Momente des Films) oder wenn H.P. Baxxter am Ende, als im Mai 2022 wieder Konzerte möglich sind, sich einsam im Backstage-Bereich einen anregenden Wodka-Eiswürfel-Energydrink zubereitet, um wenige Minuten später die notwendigen Party-PS auf eine Bühne zu bringen. Dass sich seine beiden Bandkollegen derweil getrennt von H.P. vorbereiten, lässt bereits tief blicken. Kurz nach Beendigung der Dreharbeiten schieden Baxxters Mitstreiter Sebastian Schilde und Michael Simon aus der Band aus. Man habe sich wie in einer Ehe auseinander gelebt, hieß es in einem Statement.

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Der Zerfall einer Band wird im Nachhinein klar

Dass es zwischen dem Frontmann und den Musikern im Hintergrund schon vorher Unstimmigkeiten gab, wird zuvor zwar in der ein oder anderen Szene deutlich - einmal knallt sogar laut eine Studiotür - doch es wird auch viel weggelächelt und ironisch verbal wegverpackt. Schließlich darf es bei einem Projekt wie Scooter, das gänzlich der Party des Lebens verpflichtet ist, auch nicht zu ernst werden. Und wenn man dann doch mal schlecht drauf ist, sei es wegen der Corona-Verordnungen mit schon wieder verschobenen Konzerten oder weil die Hookline im neuen Song nicht so recht flutscht, dreht man einfach die kleine Anlage in der Garderobe ein wenig auf und lässt den Beat die Probleme wegraven.

"FCK 2020 - Zweieinhalb Jahre mit Scooter" ist oberflächlich betrachtet kein besonders tiefgründiger Dokumentarfilm - aber dennoch einer, dem man interessiert zuschaut. Sogar dann, wenn man mit dem Scooter-Sound nichts anfangen kann. Woran liegt das? Wohl weniger an dem eingefangenen Pandemie-Porträt. Luxus-Millionär Baxxter und seiner Privat-Jet-Entourage geht es auch in den Corona-Jahren vergleichsweise gut. Selbst der sich andeutende Zerfall der Band wird erst im Nachhinein klar, denn man hätte all die kleinen Streits im Film auch als Frotzeleien eines alten Künstler-Trios abtun können.

Der vielleicht interessantesten Aspekt von Kablitz-Posts Film, der Anfang 2024 auch im Kino lief, liegt tief vergraben zwischen den Zeilen der Raver und den filmisch durchaus mitreißend eingefangenen Partyszenen. Man glaubt zu erahnen, dass der immergleiche Rave, der durch die Pandemie nur "on hold" gestellt ist, verhindern soll, dass man die Leere und die Endlichkeit des Lebens dahinter spürt. Man muss diese Interpretation nicht teilen, denn sie wird im Film nicht explizit herausgearbeitet. Und doch hat man den Eindruck: Wenn der Beat stoppt, die Tänzerinnen in ihrem Trailer verschwinden und H.P. Baxxters Megafonstimme verstummt, könnte dahinter auch ein tiefer Graben der Traurigkeit lauern.

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