ZDF-Talk zum US-Wahlkampf

Maybrit Illner von CDU-Mann irritiert: "Sind Sie ein Trump-Versteher, Herr Spahn?"

26.07.2024 von SWYRL/Doris Neubauer

Der US-Wahlkampf hat durch den Rückzug von Joe Biden an Fahrt gewonnen. Beim vorgezogenen Parteitag der Demokraten am 1. August wird voraussichtlich Kamala Harris ins Präsidentenrennen geschickt. Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstag um die Gretchenfrage: "Er oder sie?"

"Harris gegen Trump - wie schmutzig wird der US-Wahlkampf?", um diese Frage ging es am Donnerstag in Maybrit lllners letzter Talkshow vor der fünfwöchigen Sommerpause. "Der ist jetzt schon schmutzig", kam die Antwort von Jens Spahn wie aus der Pistole geschossen. In den USA herrsche eine "Aggressivität und Wortwahl, wie wir das hier in Deutschland nicht kennen", hatte der CDU-Politiker bei seinem Besuch des Parteitags der Republikaner in Milwaukee vergangene Woche festgestellt.

Dass dort US-Präsident Joe Biden nach seinem Rückzug aus dem Wahlkampf noch nicht einmal mit "zwei, drei netten dankenden Worten" gewürdigt worden war, wie es "politische Kultur in Deutschland" wäre, sei nur ein Beispiel für die tiefe Spaltung des Landes. Entsprechend wünschte er den USA "einen Präsidenten, der das Land eint".

"Er oder sie?", wollte Maybrit Illner von ihm Klartext hören und war sichtlich erstaunt, als der CDU-Politiker auswich. Aus "nationalem Interesse" müsste der deutsche Bundeskanzler mit dem US-Präsidenten - "wer immer es wird" - eine Gesprächsbasis finden, kritisierte er Olaf Scholz' Bekenntnis zu Joe Biden. Illner war irritiert: "Ich habe nicht gedacht, dass Sie jetzt zögern!"

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Hubertus Heil: "Auf das Beste hoffen, aber auch mit schwierigeren Partnern reden"

"Als Mitglied der Bundesregierung darf man auf das Beste hoffen, aber muss auch mit schwierigeren Partnern reden", machte Hubertus Heil (SPD) - selbst eben erst aus den USA zurückgekehrt - keinen Hehl daraus, dass er den Demokraten die Daumen drückte. Trump hingegen habe "offensichtlich ein Problem mit Frauen in jeder Hinsicht", nannte er ein Beispiel für unterschiedliche Ansätze. Mit Biden und Harris habe man mehr gemeinsame Werte.

Zwar gab Spahn zu, dass eine Einigung der USA mit Trump schwierig würde. "Ob Kamala Harris das Land zusammenzuführen kann, das werden wir in nächsten Wochen sehen", zeigte er sich angesichts ihrer 3.5 Jahre Schattendasein als Vize-Präsidentin skeptisch. Die verbleibenden vier Monaten bis zur Wahl wären eine lange Zeit.

"Wir reden kaum mehr über Trump." - "Das wird schon wieder kommen."

"Warten wir den Parteitag am 1. August ab", verwies Constance Chucholowski, Vorsitzende von Democrats Abroad Berlin, auf die erste Hürde der US-Vize-Präsidentin hin, "davor ist nichts sicher". Allerdings wäre das "tiefe Durchatmen" nach Joe Bidens Rückzug auch in Berlin zu spüren gewesen, gab sie sich zuversichtlich. Harris habe innerhalb von 48 Stunden junge Menschen, Frauen, Schwarze mobilisieren können und damit "genau die Wählergruppen, die die Demokraten im Wahlkampf brauchen werden". Gerade die unentschiedenen Mitte-Wähler oder diejenigen, die von den bisher zur Wahl Stehenden "älteren Herren" nicht begeistert seien, hätte Harris in den Wahlkampf zurückgebracht.

Das müsste ihr auch mit dem linken Flügel ihrer Partei gelingen, betonte Wirtschaftshistoriker Adam Tooze, der live aus New York zugeschaltet wurde. Denn selbst wenn Trump gegen die "ultralinke" Harris wetterte, "Harris als Linke zu beschreiben, hat mehr mit ihrer Hautfarbe und ihrem Geschlecht zu tun", verwies der Professor für Zeitgeschichte und Direktor des European Institute an der Columbia University auf ihre eher "zentralistische und Unternehmer-orientierte" Linie.

Erfolgsentscheidend werde die Wahl ihres Vize-Präsidenten sein, ergänzte Frederik Pleitgen, Auslandskorrespondent beim US-Nachrichtensender CNN. Insgesamt hätte Harris laut Umfragen "wesentlich bessere Chancen als Biden". Schon ihre Nominierung hätte den "Republikanern den Wind aus den Segeln genommen": "Wir reden kaum mehr über Trump", sah er einen strategischen Gewinn für die Demokraten. Maybrit Illner konnte er damit nicht überzeugen: "Ach, das wird schon wieder kommen", seufzte sie. Zumindest was ihre Talk-Show betrifft, sollte sie recht behalten.

Jens Spahn: "Bereiten wir uns vor oder freuen wir uns über Harris?"

Würde Trump gewählt, würde er nach eigenen Angaben unnütze Kriege beenden, Zölle einführen, den ökonomischen Handelskrieg mit China gewinnen und vor allem den Ukraine-Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Genau das sei die "größte Sorge", fiel Heil ein. Dass Trump ohne die Nato und "über die Köpfe der Ukraine mit Putin einen Deal macht", betonte er.

"Halten Sie das für möglich?", wollte Maybrit Illner von Spahn wissen. "Es scheint wie Hybris, aber bei Trump muss man damit rechnen, dass er am Tag eins das Gespräch sucht", meinte er. Der Moderatorin reichte das nicht: "Schafft er das? Sind Sie ein Trump-Versteher, Herr Spahn?", fragte sie provokant.

Das sei ein "deutsches Phänomen", lehnte es der CDU Politiker ab, sich in eine - konservative - Schublade mit Trump stecken zu lassen: "Dass ich nicht mag, was er macht, das ist nicht der Punkt. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass er Präsident sein könnte. Die Frage ist: Bereiten wir uns vor - idealerweise auf europäischer Ebene - oder starren wir wie Kaninchen auf die Schlange und freuen uns über Harris?"

"Es ist ein abschreckendes Beispiel, was mit der Demokratie in den USA passiert ist"

Für Deutschland und Europa wäre es ein echtes Problem, wenn die USA sich aus dem Konflikt zurückziehen würden. Umso wichtiger wäre es, sich frühzeitig einzubringen und sich vorzubereiten. Constance Chucholowski war anderer Meinung: "Es ist illusorisch zu denken, dass es Trump um außenpolitische Interessen geht", warnte die Demokratin vor innen- und außenpolitischem Chaos. Harris hingegen würde die Unterstützung für die Ukraine "mit den europäischen Partnern auf Augenhöhe weiterführen", äußerte sie im großen Vertrauen.

So sicher war sich Historiker Tooze nicht: Wie Spahn schon von seiner USA-Reise berichtet hatte, würde die Diskussion zur Ukraine in den USA anderes geführt. Schon jetzt wäre es unwahrscheinlich, dass weitere Milliardenpakete an Unterstützung im Kongress eine Mehrheit finden würden. "The Sums don't add up", zitierte er Trump's Vize-Präsidentschaftskandidaten J.D. Vance. "Gibt es ein Szenario, dass wir den Krieg gewinnbar machen? Ob Harris oder Trump im Weißen Haus sitzen, vor dieser Frage werden sie stehen", erklärte er die Lage.

Was können CDU und SPD lernen aus der Situation in den USA? Die Frage hatte Illner bereits zuvor Hubertus Heil gestellt und nur eine - offensichtlich unbefriedigende Antwort erhalten ("Dass wir in Deutschland gegen die Form der Polarisierung vorgehen, Kompromiss in Demokratie ist kein Stichwort"). Jetzt hatte Historiker Tooze das Schlusswort: "Es ist ein abschreckendes Beispiel, was mit der Demokratie in den USA passiert ist. Die Bürgerkriegsähnliche Rhetorik sollte wirklich für alle DemokratInnen ein abschreckendes Beispiel sein." Biden hätte nicht übertrieben: Es gehe um alles - oder möglicherweise um alles. Und es sei diese Unsicherheit, die erst recht destabilisiere.

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