Tod und Spiele - München '72 - Mo. 05.09. - ARD: 20.15 Uhr

Überlebender Terrorist schockiert mit Aussage: "Ich werde es niemals bereuen!"

02.09.2022 von SWYRL/Wilfried Geldner

Das Attentat vom 05. September 1972 auf die israelische Olympiamannschaft hat sich längst ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Zahlreiche Dokumentationen und Spielfilme haben dafür gesorgt. Doch nun kommt im Ersten noch einmal Überraschendes: Auch überlebende Terroristen kommen zu Wort.

"Tod und Spiele - München '72" - das ist, mal als 90 Minuten-Doku im Ersten (am 05. 09., genau 50 Jahre nach dem Attentat), mal als Vierteiler im BR (am 07. und 14.09.) alles andere als leichte Kost. Erstmals werden in dem Montagefilm Opfer und Täter, Israelis und Palästinenser, einander gegenübergestellt. Mag die ausführliche Recherche (Bence Máte´ und Lucio Mollica) auch noch so lohnend gewesen sein, was neue Erkenntnisse betrifft: Groß bleibt vor allem das Entsetzen darüber, dass die Olympischen Spiele von '72 zu einem Anschlag auf friedliebende Sportler missbraucht wurden.

Es ist vor allem die Freude der israelischen Sportler, der Stolz auf die Teilnahme in Deutschland, der in Interviews und Archivaufnahmen sehr deutlich wird und unter die Haut geht. Da ist vor allem die Sprinterin und Hürdenläuferin Esther Shachamorov, deren Einzug ins Hürden-Halbfinale in Israel, aber auch von ihr selbst überschwänglich gefeiert wird. Es war dort die Gründerzeit des Fernsehens, alle hingen an den Apparaten, das Parlament machte Pause, so berichtet sie. Ihr Trainer Amitzur Schapira, der sie jahrelang geführt hatte und nach dem Erfolg in München "stolz herumlief wie ein Pfau", war unter den Geiseln, er wurde ermordet.

Umso entsetzlicher das Bekenntnis Mohamed Safadys, eines der zwei noch lebenden Terroristen, die sich nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 als Guerilla-Kämpfer begriffen, aus schrecklichen Vertriebenen-Lagern kamen und von der palästinensischen Befreiungsorganisation rekrutiert und ausgebildet wurden. "Ich bereue es nicht, ich werde es niemals bereuen. Niemals!", so sagt Mohamed Safady befremdlich kühl bei seinem ersten Auftritt vor der Kamera. Es ist ein fremdbestimmter Hass, der ihn damals motivierte. Und er hält bis heute an.

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Polizisten in blassblauer Uniform

Das ist so schrecklich wie authentisch - hier spricht einer selbst, mit eigener Stimme und ganz ohne einbindenden Kommentar. In anderen Fällen, vor allem beim Kritisieren der "heiteren Spiele" als PR-Programm, ist das nicht so: Da schalten sich kommentierende Reporter und Dabeigewesene dazwischen, liefern rückblickend zweifelhafte Interpretationen. Es darf beispielsweise in Frage gestellt werden, ob die Spiele von 1972 eine reine Propagandaveranstaltung waren, die vor allem die Erinnerung an die Spiele von 1936 aus dem Gedächtnis löschen sollten, wie der Kommentator vom britischen Nachrichtenkanal ITN behauptet.

Anderes wiederum muss vom Zuschauer zeitlich eingeordnet werden. Da wird der Einfall, unbewaffnete Polizisten in blassblauer Uniform als "Polizeisportler" auszugeben oder der Umstand, dass man die Tore zum olympischen Dorf sagenhaft schlecht bewachte, von Augenzeugen gleich zum Blumenkinder-Effekt stilisiert. So geht mitunter der Blick auf die Ungeheuerlichkeit des Anschlags verloren. Israelische Sportler wurden daran gehindert, "sich mit Sportlern aus aller Welt zu messen", wie der Geher Shaul Ladany sagt, einziger Überlebender des Holocaust aus seiner Familie und des Münchner Attentats.

Der Rest ist ein schrecklicher Countdown - der Terror, die Ultimaten, die dem Überfall vom frühen Morgen des 05. September folgten, und dann die Nacht auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck, als nach zwei im Olympiadorf getöteten Israeli neun weitere Geiseln, fünf Terroristen und ein deutscher Polizist starben. Die Befreiungsaktion wurde zu einem im kollektiven Gedächtnis eingeprägten Debakel, von einem bis heute unvorstellbarem Unvermögen entfacht.

Den Wahnsinn des Terrors mildert das nicht. Doch er wird durch die subjektiven Schilderungen des Terroristen Safady plausibel gemacht. Der Wahnsinn bekommt ein Gesicht. Wie sagt der Attentäter doch im Film? Er sei gerne dem Aufruf seines Anführers gefolgt, der da lautete: "Ihr müsst das Bild des gebrochenen Volkes ändern, das die Welt von uns hat!" Zu den Opfern aber kein Wort.

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