01.01.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Mit "Großstadtrevier: Im Moment der Angst" läuft zum zweiten Mal nach 2021 ein abendfüllender Spielfilm mit den Figuren der Hamburger Vorabend-Polizeiserie. Harry Möller (Maria Ketikidou) erleidet ein Trauma, nachdem sie in eine Gewaltszene geraten ist. Kollege Nils Sanchez (Enrique Fiß) sorgt sich.
Schon der erste Film "Großstadtrevier - St. Pauli, 06:07 Uhr" lief 2021 so erfolgreich im Ersten, dass sich der Sender über "Tatort"-artige Quoten freuen durfte. Fast sieben Millionen Menschen schauten zu, der Marktanteil lag bei 23,4 Prozent. Wenig verwunderlich, dass es für die Hamburger Polizeiserie, die seit 1986 läuft und lange Jahre vom Charme des am 30. Dezember 2019 verstorbenen Jan Fedder profitierte, nun ein weiteres Mal heißt: Sie haben 90 Minuten Zeit zu ermitteln! Doch was heißt hier schon ermitteln?
Polizistin Harry Möller (Maria Ketikidou) erleidet in "Großstadtrevier: Im Moment der Angst" ein doppeltes Trauma, als sie sich mit ihrem Kollegen Nils Sanchez (Enrique Fiß) auf Streife befindet und zu einem Gewaltexzess gerufen wird. Unter einer Innenstadt-Brücke prügelt eine größere Gruppe junger Männer aufeinander ein. Auch die junge Rettungssanitäterin Mirja Grabowski (Franziska von Harsdorf) ist gekommen, um zu helfen. Beide Frauen, Harry und Mirja, können sich nur mit letzter Kraft vor dem wütenden Mob in den Rettungswagen flüchten. Das eigentliche Drama beginnt jedoch erst später im Krankenhaus.
Dass einem als Hamburger das Hippokratische Krankenhaus aus dem zweiten "Großstadtrevier"-Film nichts sagt, kann man nach Ansicht des Films gut verstehen. Das Klinikum, in dem Andreas Kaufmann (Drehbuch) und Florian Gottschick (Regie) ihre Geschichte spielen lassen, gibt es nicht wirklich. Wenn man sieht, wie chaotisch es auf der dortigen Notaufnahme zugeht, ist das nachvollziehbar. Kein echtes Krankenhaus hätte seinen Namen für diesen Fall hergeben. Die junge Rettungssanitäterin, der Harry ihr Leben verdankt, stirbt am Folgetag an einer unentdeckten Verletzung. Harry, die eigentlich schwerer verletzt schien als Mirja und zuerst behandelt wurde, macht sich schwere Vorwürfe.
Mirjas Vater, der Kranführer Tom Grabowski (Andreas Anke), ist am Boden zerstört. Dabei nährt er Harrys Zweifel, die sich fragt, ob sie den Tod der jungen Retterin hätte verhindern können. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Nils befragt Harry die Ärztin Dr. Raluca Dimitru (Janina Elkin) und den ärztlichen Leiter des Klinikums, Dr. Torben Achs (Torben Liebrecht). Wurde bei der Behandlung Mirjas ein Fehler gemacht? Bereits ab 31. Dezember steht "Großstadtrevier: Im Moment der Angst" zum Streamen in der ARD Mediathek bereit.
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Auch ohne Corona: Triage in deutscher Notaufnahme
Gleich mehrere Themen, die der in die Montags-Primetime gehievte "Großstadtrevier"-Film anspricht, sorgen für beim Betrachter für Beklemmungen: Da ist zum einen die sinnlose Gewalt und Missachtung von Autoritäten wie Polizei und Rettungskräften in der Gesellschaft, die im Film zu Jagdszenen auf Harry und Mirja führen. Der Dresdner "Tatort: Rettung so nah" hatte sich dem Phänomen Gewalt gegen Rettungskräfte, sicher eines der widerwärtigsten und verstörendsten Themen unserer Gesellschaft, bereits im Februar 2021 angenommen. Auch im "Großstadtrevier"-Film knapp fünf Jahre später lassen einen die Bilder junger Männer, die zur Triebabfuhr sinnlos auf eine Sanitäterin einprügeln, sprachlos zurück. Danach mutiert der Film, in dem der Rest der aktuellen "Großstadtrevier"-Serienbelegschaft in kleinen Nebenrollen auftaucht, jedoch zum Krankenhaus-Thriller.
Auf den Fluren des Hippokratischen Krankenhauses herrscht Chaos. Das Personal ist viel zu knapp. Alle Patienten werden triagiert, das heißt in diesem Fall: nach Dringlichkeit in eine Reihenfolge gebracht. Nun, im Falle der schwer verletzten Sanitäterin Mirja, wurde offenbar ein Fehler gemacht. So sehen es jedenfalls Harry und Nils, die das Krankenhaus und seine Automatismen nun genauer unter die Lupe nehmen. Doch da wäre ja auch noch Mirjas untröstlicher Vater, der eine Schuldige für den unverständlichen Tod seiner Tochter sucht. Harry bleibt im Gespräch mit dem trauernden Vater zwar aufrecht, doch in einsamen Momenten packen auch sie starke Selbstzweifel. Hätte sie sich anders verhalten müssen?
"Großstadtrevier: Im Moment der Angst" schafft den Spagat zwischen einem taffen Thema und der etwas "leichteren" Vorabendwelt, die ihr Personal diesmal in ein wuchtiges Drama stürzt. Eines, das lange überzeugt, wenn auch das Ende ein bisschen zu dick aufgetragen scheint. Dennoch ist es ein guter Krimidrama-Plot, dem man hier beiwohnt. Einer, der gesellschaftliche Missstände anspricht, für die man sich schämen sollte.