ARD History: Über Sex sprechen - 100 Jahre Aufklärungsarbeit in Deutschland - Mo. 05.08. - ARD: 23.35 Uhr

Was kosten die Kondome?

04.07.2024 von SWYRL/Hans Czerny

Über Sex wurde viel gesprochen und geschrieben in den vergangenen 100 Jahren. Vom Sexwissenschaftler Magnus Hirschfeld bis hin zu "Bravo" und Kolle reichen die Quellen - ein ewiges Auf-und-ab zwischen solider Reflexion und Herrenwitz-Nähe, zwischen Schulstunde und Pornografie.

Wer wurde wie aufgeklärt, von wem - und über was genau? - Fragen wie diese stellt sich die Spaß-durchsetzte, unterhaltsame Doku "ARD History: Über Sex sprechen - 100 Jahre Aufklärungsarbeit in Deutschland" von Ina Kessebohm (WDR / NDR) über die Geschichte des Sex und seiner Vermittlung im Deutschland der letzten hundert Jahre. Blümchen und Bienen, selbstredend auch hier augenzwinkernd angesprochen, waren vermutlich nie wirklich ein Thema. Es gab vielmehr einen leidenschaftlichen Kampf zwischen Forschung und augenzwinkernder Witzelei. Die Scham sitzt tief, bis heute. Noch immer sprechen Eltern mit ihren Kindern wenig über Sex. "Dann schaue ich halt im Internet nach", sagt ein Gör über die eigene Erfahrung.

Es gab ein ewiges Auf-und-ab, was die sexuelle Kommunikation betrifft. Auf Phasen der Befreiung folgten sexuelle und moralische Fesseln. Mit der Warnung vor Geschlechtskrankheiten und den Gefahren der Prostitution fing alles an. Vor Masturbation wurde bis in die 60er-Jahre gewarnt, sie mache krank. Die Einlassung einer Zeugin, sie habe Angst gehabt, ein Kind zu bekommen "beim ersten Kuss", ist noch gar nicht so lange her. Aufklärungsunterricht beschränkte sich meist auf eine schläfrige Stunde. Und dann erst der "Sexual-Atlas", der sich wie eine "Anweisung für Kühlschränke oder Waschmaschinen" las, wie ein Experte bemerkt.

Da ging's in den Zwanzigern schon viel fortschrittlicher zu. Frauen kämpften um Beratungsstellen und wollten illegale Abtreibungen verhindern, alles völlig scham-befreit. Hedi Lamarr führte in den 30-ern im Spielfilm "Extase" erstmals Gefühle beim Orgasmus vor, bis dann die Nazis kamen und dafür sorgten, dass sich die Arier ganz ohne Erotik fleißig vermehrten. Mutterschaft ohne Sex.

Nach dem Krieg wurden in der DDR frühe Fortschritte gemacht. Lebensfreude und Genuss beim Sex waren gefragt, sie kosteten nichts. Der Zugang zur Pille, im Westen noch streng bewacht, wurde erleichtert und die Abtreibung erlaubt. Kolle-Filme und Jugendmagazine wie die "Bravo" fanden im Westen ein Millionenpublikum. Bis Aids kam und in den 80-ern die fröhliche Sexualaufklärung zunichtemachte. Das Kondom hatte Hochsaison und eine neue Prüderie wohl auch. "Tina, was kosten die Kondome?" kerrte Hella von Sinnen als Tabubrecherin an der Supermarktkasse in der Werbung.

Alles in allem sind die Fortschritte beim Sprechen über Sex eher dürftig geblieben. Noch immer gilt - und so endet denn auch der Film mit der erneuten Aufforderung: "Let's talk about sex - Lasst uns über Sex sprechen!" Trotz aller Sexmagazine im TV, trotz aller Influencerinnen, die "als Freundin" im Internet ihr Bestes geben, bleibt Sex noch immer ein Stück weit tabu. Es gehört wohl einfach dazu.

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