Mittagsstunde - Mo. 26.08. - ZDF: 20.15 Uhr

Charly Hübner in Hochform: Norddeutsches "Kuddelmuddel" mit trockenem Witz

24.08.2024 von SWYRL/Jasmin Herzog

Schauspieler Charly Hübner brilliert mit norddeutscher Melancholie: Das Drama "Mittagsstunde" erzählt eine tragische friesische Familiengeschichte samt trockenem Witz. Im Zweiten feiert die Bestsellerverfilmung jetzt ihre Free-TV-Premiere.

"Mudder, das' aber auch 'en Kuddelmuddel mit uns", sagt Ingwer, neben seiner Mutter auf einer Bank sitzend, mit leerem Blick. Keine Reaktion von der Frau neben ihm. "Kuddelmuddel"? Stark untertrieben, aber das macht wohl auch den speziellen Charme dieses Films aus. Ingwer, herausragend gespielt von Charly Hübner, ist in der nordfriesischen Pampa aufgewachsen, lebte dann lange in der Stadt, und als er nach Hause zurückkehrt, erkennt er seine Heimat kaum wieder. Und seine "Mudder" (Hildegard Schmahl), inzwischen schon ein halber Pflegefall, auch nicht. Vieles tut weh in "Mittagsstunde", einem wundervollen Drama von Regisseur Lars Jessen, das im Zweiten nun als Free-TV-Premiere zu sehen ist. Doch auch im größten Mist findet man in der Bestsellerverfilmung, die auf dem gleichnamigen Roman von Dörte Hansen ("Das Alte Land") basiert, noch den Witz des Lebens.

Ingwer Feddersen arbeitet als Dozent an der Uni in Kiel, ist irgendwie angekommen, aber so richtig hat er seinen Platz im Leben trotzdem nicht gefunden. Als ihn beunruhigende Nachrichten von zu Hause erreichen - seinen "Ollen" geht's nicht gut -, entschließt er sich zu einem Sabbatical. Ein Jahr lang zurück ins fiktive Dorf Brinkebüll, ein wenig nach dem Rechten sehen, die Dinge ordnen. Man empfängt ihn allerdings nicht mit offenen Armen, schon gar nicht seine Eltern, die noch immer ihren alten Gasthof führen. "Moin Vadder", grüßt Ingwer beim Eintritt. "Kopfweh-Wetter", entgegnet der Alte (Peter Franke) trocken und kippt sich einen Schnaps in den Rachen.

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Gedreht auf Platt

Der Vater ein sturer, alter Bock, die Mutter, zerschunden vom Leben, nah am Wahnsinn: Hier kann Ingwer eigentlich gar nichts mehr ordnen, nur noch aufräumen. Jenseits des Gasthofs sieht es kaum besser aus. Seit den unschuldigen 60-ern, in die Regisseur Lars Jessen nach einem Drehbuch von Catharina Junk immer wieder zurückschwenkt, hat sich viel verändert. Keine Störche mehr im Dorf, die alte Kastanie ist auch weg, draußen nur noch riesige Maisfelder. Das ist nicht mehr das Brinkebüll, in dem Ingwer groß wurde. Und dann wäre da ja noch das Schicksal von Marret (Gro Swantje Kohlhof), deren Geschichte in Rückblicken erzählt wird und die ganze tragische Dimension dieser Familiengeschichte verdeutlicht. "Was machst du eigentlich, wenn dein Bummeljahr vorbei ist und wir dann immer noch nicht tot sind?", fragt der Vater irgendwann, während Ingwer ihn wäscht. "Dann muss ich euch wohl totschießen." Eine kurze Pause, dann lacht der Alte. Das muss bei all dem "Kuddelmuddel" ja noch erlaubt sein.

Ohnehin ist es der trockene norddeutsche Humor, für den der gebürtige Neustrelitzer Charly Hübner bekannt ist - und der auch diesem mit 300.000 Kinozuschauern überaus erfolgreichen Arthouse-Drama sein Grundgerüst verleiht. Midlife-Krise, Alter, Nostalgie, Strukturwandel der Moderne: All das wird in "Mittagsstunde" so ernst wie nötig und so humorvoll wie möglich verhandelt. Und das - zumindest in der damaligen Kinofassung - in Originalsprache: Plattdeutsch.

Gedreht wurde der Film, der im nordfriesischen Husum Weltpremiere feierte, sowohl in einer hochdeutschen als auch einer Dialekt-Variante. Dem Publikum und der Kritik gefiel's: Das von Klaas Heufer-Umlauf koproduzierte Drama erhielt unter anderem den Gilde-Filmpreis der Leipziger Filmkunstmesse und war für den Deutschen Filmpreis nominiert.

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