Stalingrad - Stimmen aus Ruinen - Di. 11.02. - 3sat: 22.25 Uhr

Der blutige Mythos

07.02.2025 von SWYRL/Jasmin Herzog

Spätestens im Winter 1942/43 wendete sich das Kriegsgeschehen: Stalingrad wurde zum Symbol für die Sowjetunion und des Siegs über Nazi-Deutschland. Eine Doku erzählt die verheerende Schlacht aus Sicht derer, die sie erleben mussten.

Es war einer der zentralen Wendepunkte des Zweiten Weltkriegs und die Geburtsstunde eines sowjetischen Mythos: Vor 82 Jahren endete die Schlacht um Stalingrad. Der "Unternehmen Barbarossa" genannte Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion wurde im Februar 1943 in Eiseskälte gestoppt, fortan ging die Rote Armee in die Offensive. Stalingrad - heute trägt die Stadt den Namen Wolgograd - ist ein ewiges Symbol für den Schrecken des Krieges, der auch in Europa wieder spürbar ist.

Die sehenswerte Dokumentation "Stalingrad - Stimmen aus Ruinen" von Artem Demenok, die zwei Jahre nach der Erstausstrahlung bei ARTE nun bei 3sat wiederholt wird, widmet sich der brutalen Schlacht, die über eine Million Opfer forderte, aus Sicht derjenigen, die sie am eigenen Leib erleben mussten: Zivilisten und Soldaten, auf sowjetischer und deutscher Seite, hinterließen Tagebucheinträge und Briefe aus einer Stadt im Feuer. Teils sind es die letzten Andenken eines ausgelöschten Menschenlebens. Es handelt sich um direkt aus der Situation entstandene, ungeschönte Notizen ohne Angst vor möglichen Folgen.

Im Sommer 1942 marschieren die Wehrmacht und ihre Verbündeten auf Stalingrad - hier setzt auch die Erzählung des Films ein. In der Folge lässt sich anhand der Zeitzeugen-Aussagen ablesen, wie auf deutscher Seite aus hochtrabenden Eroberern Besiegte wurden: verzagt, frierend und hungernd. Auf sowjetischer Seite kommt unter anderem der spätere Staatschef Nikita Chruschtschow zu Wort, vor allem jedoch erinnern sich hier Zivilisten, die versuchten, den unerbittlichen deutschen Angriff zu überleben. Fliehen konnten sie nicht, Stalin sah die Evakuierung einer Stadt, die seinen Namen trägt, als falsches Signal.

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"Krieg ist Krieg"

Eine dieser zivilen Stimmen, die sinnbildlich für die Gewöhnung an den Terror steht, gehört dem damals zwölfjährigen Oleg Trubatschow. Der Schüler berichtete von den Warnungen vor einem Luftangriff, die ihn aufgrund ihrer Häufigkeit kaum interessierten. "Ich war mit Freunden auf der Straße, und wir scherten uns weder um den Alarm, noch um das ferne Geschütz-Feuer", so Oleg. "Wenige Augenblicke später verschmolzen das Pfeifen und die Explosionen von Bomben zu einem furchterregenden Donner." Während seiner Großeltern von der Druckwelle weggeschleudert wurden, öffnete Oleg den Mund und hielt sich die Ohren zu. Er wusste, dass Trommelfelle sonst ganz schnell platzen können.

Ebenso interessant sind auch die Notizen der Militärs. Der sowjetische Gebietsparteisekretär Aleksei Tschujanow stellte per Dolmetscher dem geschlagenen Oberbefehlshaber der deutschen 6. Armee, Friedrich Paulus, die Frage: "Warum haben sie Stalingrad so heftig, geradezu bestialisch zerstört?" Paulus' Antwort zeugt von blindem soldatischen Gehorsam: "Krieg ist Krieg. Ich habe den Befehl ausgeführt, den mir das Oberkommando gegeben hat."

Paulus wurde erst einen Tag zuvor von Hitler zum Generalfeldmarschall ernannt, ein deutscher Feldmarschall hatte nie zuvor in der Geschichte kapituliert. Eine Beförderung, die den Heldentod - oder zumindest Selbstmord - implizierte. Doch Paulus kapitulierte. "Hätte ich gewusst, dass ich erst Feldmarschall werde und dann Kriegsgefangener... wäre das ein Theaterstück, würde ich sagen: 'So ein Quatsch", wird er später zu anderen Offizieren sagen. Bis 1953 blieb er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.

Die Enttäuschung der Nazis

Auch die Aufzeichnungen von Major Erich von Lossow zeugen von der Enttäuschung der Besiegten. Als der Rückzug und die Aufgabe Stalingrads besiegelt worden waren, notierte er: "Nichts ist deprimierender als die Zerstörung all dessen, was man aufgebaut hat und das Aufgeben einer mit viel Blut, Opfern und enormen Anstrengungen erkämpften Stellung." Seine Soldaten ließ er zunächst im Unklaren. Später wurde er verletzt ausgeflogen. Seine Abteilung war etwa 400 Mann stark, nur vier überlebten.

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