Neue Folgen "Auf der Couch"

"Echte, ungefilterte Momente": Wie Dr. Leon Windscheid in angespannten Zeiten Menschen zusammenbringt

17.02.2025 von SWYRL/Kristina Rauscher

Als Teil der "Langen Nacht zur Bundestagswahl" von Mittwoch, 19., auf Donnerstag, 20. Februar, bringt der Psychologe Dr. Leon Windscheid in drei Folgen Gäste mit konträren Meinungen zu verschiedenen gesellschaftlich relevanten Themen zusammen.

Gesellschaftliche Konflikte, polarisierende Debatten und die Suche nach Verständigung - darum geht es im ZDF-Format "Auf der Couch" mit Dr. Leon Windscheid. Als Teil der "Langen Nacht zur Bundestagswahl" von Mittwoch, 19., auf Donnerstag, 20. Februar, bringt der Psychologe Gäste mit konträren Meinungen zusammen. Alle drei Folgen sind bereits ab Montag, 17. Februar, 18 Uhr, in der ZDF-Mediathek verfügbar.

In "Grenzen dicht oder Willkommenskultur?" steht das Thema Migration im Mittelpunkt. Die Ethnologin Prof. Susanne Schröter spricht sich hier für mehr Kontrolle aus, während Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal vor einer politischen Instrumentalisierung der Debatte warnt. Auch beim Thema Bürgergeld sucht Windscheid nach Verständigung unter den Gesprächspartnern. Denn während Unternehmerin Susanne Nickel das Bürgergeld eher kritisch sieht, fordert Helena Steinhaus, Gründerin des Vereins Sanktionsfrei, eine stärkere Unterstützung für Bedürftige. Zum Thema Gleichberechtigung tauschen die Kulturwissenschaftlerin Tara-Louise Wittwer und der Unternehmer Ozan Taş Argumente aus.

"In 'Auf der Couch' diskutieren Menschen mit einer Haltung, mit einer Erfahrung, mit einer Lebensgeschichte", betont Dr. Leon Windscheid im Interview und verrät: "Da liegt oft extreme Spannung im Raum." Aus seiner Erfahrung als Psychologe weiß er, dass viel Fingerspitzengefühl und eine besondere Art der Gesprächsführung notwendig sind, damit Personen mit scheinbar unüberbrückbaren Konflikten miteinander sprechen, Verständnis füreinander entwickeln und vielleicht sogar zu einem Kompromiss finden können.

teleschau: Wie bereiten Sie sich auf die Diskussionen vor?

Dr. Leon Windscheid: Mein erster Schritt ist immer, den Konflikt zu verstehen, der zwischen den Gästen entstehen kann. Wir suchen bewusst nach Menschen mit gegensätzlichen Ansichten, weil wir abbilden wollen, was in der Gesellschaft gerade passiert. Oft sind die Fronten extrem verhärtet, und mein Ziel ist es, herauszufinden, worin genau die Differenzen liegen.

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"Für beide Seiten eine wertvolle Erfahrung"

teleschau: Wie gehen Sie dabei vor?

Windscheid: Gemeinsam mit meinem Team entwickle ich Übungen, die es ermöglichen, dass die beiden nicht aneinander vorbeireden, sondern wirklich ins Gespräch kommen. Dabei geht es nicht darum, eine Debatte mit klaren Gewinnern und Verlierern zu führen, sondern darum, neue Perspektiven zu eröffnen. Wir setzen zum Beispiel auf psychologische Übungen, die einen Perspektivwechsel schaffen - etwa indem die Gäste die Argumente der Gegenseite übernehmen und aus dieser Sicht eine Rede halten müssen.

teleschau: Das klingt anspruchsvoll.

Windscheid: Für viele ist das eine echte Herausforderung, weil sie plötzlich gezwungen sind, ihre festgefahrenen Positionen zu verlassen. Sie wissen vorher nicht, dass sie sich auf so eine Übung einlassen müssen, das passiert spontan. Aber genau das sorgt für echte, ungefilterte Momente. Anders als in klassischen Talkshows, in denen oft nur einstudierte Phrasen wiederholt werden oder das Wahlprogramm abgespult wird, entstehen hier ehrliche Auseinandersetzungen, und das ist das, was ich immer wieder bewusst suche. Die Gäste merken, dass sie sich intensiver mit der anderen Sichtweise beschäftigen müssen. Das ist für beide Seiten eine wertvolle Erfahrung.

teleschau: Haben Sie ein Beispiel für so einen ehrlichen Moment?

Windscheid: Da gibt es viele, zum Beispiel hatten wir ein starkes Gespräch zwischen einem Polizisten und einem Mann mit Migrationshintergrund über Racial Profiling. Hier wurde sehr emotional darüber gestritten, ob Menschen mit bestimmtem Aussehen häufiger kontrolliert werden. Am Ende war kein Kompromiss in Aussicht, doch darum geht es in der Sendung auch nicht. Oft bleiben die Gäste bei ihren Meinungen, aber sie verstehen einander besser. Für die Zuschauer ist das genauso wertvoll.

"Dieses Hochkochen von Emotionen ist oft eher kontraproduktiv"

teleschau: Glauben Sie, dass Ihre Sendung die Meinung in der Bevölkerung beeinflussen kann?

Windscheid: Ich glaube nicht, dass eine Fernsehsendung die Meinung eines ganzen Landes verändern kann - und das ist auch nicht das Ziel. Aber was ich mir wünsche, ist, dass wir Impulse setzen. Wenn jemand nach einer Folge das Gefühl hat, ein Thema neu oder aus einer anderen Perspektive zu sehen, dann haben wir schon viel erreicht. Vielleicht erkennt jemand Parallelen zu einem Streit in der eigenen Familie oder mit Kollegen und fragt sich: Wie könnte ich diese Diskussion anders führen? Darum geht es mir.

teleschau: Gibt es Ereignisse im Rahmen von "Auf der Couch", die Sie besonders bewegt haben?

Windscheid: Ich erinnere mich besonders an die Sendung, in der ein junger, linker Aktivist mit einem Soldaten über die Frage diskutiert hat, ob man für Deutschland in den Krieg ziehen sollte. Der eine warb aktiv für den Dienst an der Waffe, der andere lehnte das kategorisch ab. Zu dieser Sendung haben junge Menschen in den sozialen Medien kleine Clips hochgeladen. Das war für mich besonders bewegend und eine Bestätigung dafür, dass es gut ist, wenn wir wieder anders diskutieren, als wir das bisher oft erlebten.

teleschau: Hat Streit nicht auch eine reinigende Wirkung?

Windscheid: Die sogenannte Katharsis-Hypothese - also die Idee, dass sich durch einen lauten Streit oder das Herauslassen von Aggressionen eine innere Reinigung vollzieht - hält sich hartnäckig, ist aber überholt. Natürlich gibt es Momente, in denen man sich nach einem heftigen Streit vielleicht erleichtert fühlt. Es gibt ja sogar Angebote wie "Wut-Räume", in denen man für Geld Dinge zerstören kann. Aber aus psychologischer Sicht ist dieses Hochkochen von Emotionen oft eher kontraproduktiv. Viel hilfreicher ist es, Streit als einen Prozess zu sehen, bei dem man seine Position klarmacht, ohne den anderen niederzubrüllen. Ein ehrliches Gespräch, in dem nichts unter den Teppich gekehrt wird, ist zielführender als ein emotionales Ausrasten.

"Das Format lebt von dem Versuch, Brücken zu bauen"

teleschau: Gab es in Ihrer Sendung schon Situationen, die eskaliert sind?

Windscheid: Nein, das ist tatsächlich nicht die Atmosphäre, die dort entsteht. Die Gäste stehen zwar in maximaler Distanz zueinander, da das der Ausgangspunkt der Sendung ist. Aber das bedeutet nicht, dass wir Security hinter der Bühne brauchen. Im Gegenteil: Das Format lebt von dem Versuch, Brücken zu bauen. Ich lege zu Beginn immer Wert darauf, die Positionen der Gäste klar herauszuarbeiten, damit jeder weiß, woran er ist. Das gibt Orientierung und hilft dabei, die Diskussion in eine produktive Richtung zu lenken. Natürlich sind es Debatten, bei denen jeder von uns eine erste Instinktreaktion hat, aber durch die Gespräche auf der Couch wird deutlich, warum Menschen zu ihren Ansichten kommen.

teleschau: Dazu muss die Bereitschaft vorhanden sein, aufeinander zuzugehen.

Windscheid: Das ist mein Job. Ich bereite die Gäste auf das Treffen vor, indem ich mit beiden vorher spreche und deutlich mache: Wir sind hier, um ein echtes Gespräch zu führen. Niemand muss sich verstellen oder zurückhalten. Gerade weil es sich um Menschen mit persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen handelt, geht es mir darum, dass sie wirklich sagen, was sie bewegt. Dafür nutzen wir verschiedene Methoden, zum Beispiel lassen wir die Gäste mit einer Skala visualisieren, wie stark sie einer bestimmten Aussage zustimmen. Oder wir arbeiten mit Bildern, um Emotionen zum Thema greifbar zu machen. Das sind Momente, in denen oft eine neue Gesprächsdynamik entsteht und festgefahrene Positionen aufgelockert werden. Wenn sich dabei überraschende Gemeinsamkeiten zeigen, kann das hilfreich sein - aber auch wenn nicht, ist das völlig in Ordnung. Mein Ziel ist es, das Gespräch am Laufen zu halten und Impulse zu geben, um mögliche Sackgassen zu vermeiden.

teleschau: Macht es einen Unterschied, ob Sie mit Männern oder Frauen arbeiten?

Windscheid: Ich glaube nicht an die typischen Klischees, dass Männer weniger Gefühle zeigen oder Frauen bessere Softskills haben. Das sind oft antrainierte Rollen und Sozialisierungen. Natürlich gibt es unterschiedliche Kommunikationsstile, aber bisher habe ich keine klare Tendenz festgestellt, die sich auf das Geschlecht zurückführen ließe.

teleschau: Können Zuschauer etwas aus Ihrer Sendung für den Alltag mitnehmen?

Windscheid: Definitiv. Eine Übung, die ich besonders hilfreich finde, ist, dem anderen wirklich erst mal nur zuzuhören - ohne sofort zu bewerten oder zu widersprechen. In der Folge über das Bürgergeld haben wir es ausprobiert: Der eine Gast legt sich auf die Couch, der andere setzt sich daneben und hat die Aufgabe, nur zu verstehen, was die andere Person erlebt hat. Das kann man auch im eigenen Alltag anwenden. Anstatt sofort in die Gegenargumentation zu gehen, erst mal zu sagen: "Erzähl' mir deine Geschichte." Das kann eine ganz neue Basis schaffen.

"Gäste merken sehr schnell, wenn man sie austricksen will"

teleschau: Wie ehrlich kann man im Fernsehen sprechen?

Windscheid: Es gibt natürlich Situationen, in denen Gäste sich zurückhalten oder sich diplomatisch ausdrücken. Das spreche ich dann an. Wenn ich merke, dass jemand um ein Thema herumtänzelt, dann frage ich nach. In einer Diskussion zur Migration haben wir zum Beispiel eine Methode genutzt, bei der die Gäste Rücken an Rücken saßen und per Signalkarten Statements bewerten mussten, ohne zu wissen, wie der andere reagiert. Dadurch wurde schnell sichtbar, wo sie wirklich stehen. Solche Techniken helfen, Klarheit in die Diskussion zu bringen, ohne dass sich jemand unter Druck gesetzt fühlt.

teleschau: Das klingt, als bräuchte man nur die richtigen Tricks, um Diskussionen zu lenken?

Windscheid: Tricks klingt so, als würde ich versuchen, jemanden zu manipulieren - das ist nicht der Fall. Ich mache immer transparent, was passiert und erkläre den Gästen, warum wir eine Übung machen. Es geht darum, Blockaden im Gespräch zu lösen, nicht darum, Menschen zu beeinflussen. Gäste merken sehr schnell, wenn man sie austricksen will, und würden dann dichtmachen. Deswegen ist meine Herangehensweise immer: Offen sagen, worum es geht, und dann schauen, was passiert.

teleschau: Vermutlich schwingen hier Vorurteile mit, dass Psychologen bereits nach den ersten kurzen Sätzen die privatesten Gedanken lesen könnten und so alles über ihr Gegenüber erfahren.

Windscheid: Ich kenne das von jeder Party. Es ist furchtbar. Das stimmt aber nicht.

teleschau: Gibt es Gesprächspartner, die Sie sich besonders wünschen würden?

Windscheid: Nach der Bundestagswahl wäre es sicher spannend, zwei Politiker aus derselben Partei einzuladen, um interne Spannungen offenzulegen. Es wäre auch faszinierend, ein Gespräch zwischen Angela Merkel und Friedrich Merz zu führen, das könnte vermutlich fast eine eigene Staffel füllen. Die Dynamik zwischen den beiden wäre psychologisch extrem interessant.

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