Zum Martinstag
"Ich gehe mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir": So oder so ähnlich sehen die Straßen alljährlich um den Martinstag herum aus. Zu Sankt Martin am 11. November erfreuen sich üblicherweise Groß und Klein an Laternenumzügen, Martinsfeuern, Weckmännern und Gänsen. Was hat es mit diesen Traditionen eigentlich auf sich?
© 2018 Getty Images/Andreas RentzWer war der Heilige Martin?
Die Legende geht so: Der römische Soldat Martin, der um 316 nach Christus im heutigen Ungarn geboren war, traf eines Winters in Frankreich auf einen Mann, der kaum etwas am Leib trug und fror. Martin teilte seinen Mantel mit dem Schwert und gab dem Mittellosen eine Hälfte ab. Dieser Akt der Nächstenliebe, hier abgebildet in der Kathedrale von Tours, soll Martin zum christlichen Glauben gebracht haben.
© iStock/JorisvoMartin und das Christentum
Ein Kirchenfenster in Avallon, Frankreich, zeigt, wie das geschehen sein soll: Nach der Begegnung mit dem armen Mann erschien Martin dieser im Traum, und zwar in der Gestalt von Jesus Christus. Martin bat daraufhin um die Taufe und führte fortan ein Leben im Dienst des christlichen Glaubens und an den Menschen. Er wurde so beliebt, dass die Bewohner von Tours ihn zum Bischof auserkoren.
© Godong/Universal Images Group via Getty ImagesDie Legende von den Martinsgänsen
Diese Avance soll den ehrfürchtigen Martin verschreckt haben. Aus Respekt vor dem hohen Kirchenamt flüchtete er in einen Gänsestall und verbarg sich dort. Durch das Geschnatter des Federviehs wurde er jedoch bald entdeckt und zum Bischof von Tours gemacht. Er blieb es für knapp 30 Jahre und soll in dieser Zeit zahlreiche Wohltaten und sogar Wunder bewirkt haben.
© iStock/K_ThalhoferBischof Martin von Tours
Später wurde Martin von Tours heiliggesprochen. Diese Statue, die mehr als vier Meter misst, befindet sich auf der Basilika Saint-Martin de Tours, die über der Grabstätte des Heiligen Martin erbaut worden ist. Der 11. November 397 ist das Datum, an dem Martin beerdigt wurde. Bis heute wird anlässlich des Martinstages mit festlichen Traditionen an ihn erinnert.
© GUILLAUME SOUVANT/Getty ImagesMartinsfeuer und Martinsumzug
Über Jahrhunderte hinweg haben sich die Martinsbräuche, wie wir sie heute kennen, entwickelt. Wie so oft wurden dabei verschiedene Einflüsse und Traditionen vermischt. Martinsfeuer und Laternenumzüge etwa stehen ursprünglich nicht unbedingt in Bezug zur Person Martins und seiner Verehrung als Heiligem.
© iStock/Elisabeth SchittenhelmFeuer auf dem Feld
Der 11. November war für die Menschen im Mittelalter aus einem anderen, existenziellen Grund von Bedeutung: als Abschluss des Erntejahres. Zur Feier dieses Anlasses wurde traditionell ein Feuer auf einem Feld entzündet. Das nahmen wiederum Kinder zum Anlass, selbst mit Fackeln oder Laternen loszuziehen ...
© iStock/Elisabeth SchittenhelmLaterne
Diese Laternen wurden nicht mit Schere, Kleber und buntem Papier im Kindergarten gebastelt, sondern dafür wurden beispielsweise Rüben ausgehöhlt. Auf diese Weise ließen sich die düsteren Abende im November freundlich erleuchten und Licht ins Dunkel bringen, auch symbolisch. Dem Laternenumzug am Martinstag könnte zugleich die sehr lange christliche Tradition der Lichterprozession zugrunde liegen.
© iStock/nadisjaLaternenumzug und Heischegang
Neben der Laterne aus einem ausgehöhlten, illuminierten Gewächs lässt noch eine andere Sankt Martins-Tradition an den hierzulande noch relativ jungen "Süßes oder Saures"-Brauch zu Halloween denken: In einigen Regionen, wie etwa dem Rheinland, wandern Kindern mit Laternen und Liedern von Haus zu Haus und erbitten Süßigkeiten. Schnörzen, Dotzen oder Gripschen sind regionale Begriffe für diese Heischegänge.
© iStock/RawpixelSüßes für Martinslieder
Heischegänge sind ebenfalls bereits aus dem Mittelalter bekannt. Ein Zusammenhang zwischen Laternenumzügen, Beutezügen an Haustüren und der Figur des Heiligen Martin wurde wohl erst im 19. Jahrhundert hergestellt. Schließlich kommt die christliche Haltung zum Teilen, für die Martin als Vorbild gilt, darin zum Ausdruck.
© iStock/romrodinkaWeckmann
Das gilt auch für das Verteilen von Weckmännern, Stutenkerlen, Piepenkerlen oder wie auch immer sie in unterschiedlichen Gegenden genannt werden: die Männchen aus Hefeteig, die häufig mit einer Pfeife ausgestattet sind. Möglicherweise hatten die Teig-Figuren ursprünglich einen anderen Gegenstand bei sich, aus dem sich irgendwann diese Pfeife entwickelt hat.
© iStock/beats3Gebildebrot
Gebildebrot heißen die anlassbezogen geformten Backwaren, die zu bestimmten Kirchenfesten angeboten werden. Weckmänner werden in vielen Gegenden sowohl zu Sankt Martin gereicht als auch am Nikolaustag. Da beide Heilige Bischöfe waren, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem heute gängigen Pfeifchen in der Ursprungsvariante um einen Bischofsstab handelte.
© iStock/beats3Martinsgans
Was hat es schließlich mit der Martinsgans auf sich? Ist es den verräterischen Gänsen, bei denen Martin dereinst Zuflucht suchte, zuzuschreiben, dass bis heute ihre Nachfahren zu seinem Ehrentag gebraten werden? Näher liegt doch die Erklärung, dass zum Datum des abgeschlossenen Erntejahres früher auch Pacht, Zins und dergleichen entrichtet werden mussten. Es war durchaus üblich, mit einer Mastgans zu bezahlen.
© iStock/Stefan RotterFastenzeit
Außerdem begann früher am Tag nach Sankt Martin das 40-tägige Adventsfasten bis Weihnachten. Da stärkten sich viele noch einmal mit einem Gänsebraten.
© iStock/AlexRaths