Familienfest - Mi. 12.02. - ARTE: 20.15 Uhr

Niemals durchatmen

10.02.2025 von SWYRL/Claudia Nitsche

Mit dem Drama "Familienfest" gelang Regisseur Lars Kraume 2015 ein großer Wurf: Getragen wird der Film von einem Ensemble großer Namen - inklusive Lars Eidinger, dem ARTE im Anschluss eine Doku widmet.

Familienfeste wurden in Fernseh- und Kinofilmen zur Genüge thematisiert. Brauchte es dieses auch noch? Warum verfilmte Lars Kraume, Regisseur der gleichermaßen ernsten wie unterhaltsamen Produktionen "Keine Lieder über Liebe" und "Der Staat gegen Fritz Bauer", im Jahr 2015 erstmals nicht sein eigenes Drehbuch? War dieses wirklich so gut? Und welchen Grund hatte es, dass Schauspieler wie Hannelore Elsner, Lars Eidinger, Marc Hosemann, Barnaby Metschurat und Günther Maria Halmer im Ensemble auftauchen? Allesamt Fragen, die sich nach dem Schauen des wunderbaren Dramas "Familienfest" erübrigen, das nun bei ARTE im Rahmen des Programms zur Berlinale wiederholt wird.

Hannes Westhoff, ein unnahbarer Pianist, ist 69 Jahre alt, er hat drei Söhne und eine fürsorgliche Frau. Das war nicht immer so. Früher, als die Kinder klein waren, war er mit einem ganz anderen Kaliber (Hannelore Elsner) verheiratet. Renate trank zu viel, er schlug sie. Die Kinder haben das alles vergessen, verdrängt, sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Max (Lars Eidinger) hat schon auf der Fahrt zum Fest einen Unfall und landet im Krankenhaus. Frederik (Barnaby Metschurat) plagt sich seit Tagen mit Übelkeit, will er seinem Vater doch seinen Lebensgefährten vorstellen. Gregor (Marc Hosemann) hingegen grübelt über den besten Zeitpunkt nach, Hannes anzupumpen. Zweit-Mama Anne (Michaela May) hält den Laden zusammen und behauptet, Hannes wollte sie alle um sich haben zu seinem 70. Nun - das ist gelogen.

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Überraschende Ideen

Derlei Filme graben sich tief unter die Oberfläche, auch aufgrund überraschender Ideen: Unerwartet zaubert der angeschlagene Max eine Freundin aus dem Hut (Jördis Triebel), die den Besuch aus der Perspektive des Zuschauers erlebt und staunt. So wie wir Zuschauer darüber, dass Hannes erst mal seine liebe Frau umfährt. Spätestens bei ihrer Frage: "Warum fährst du mich denn um?" muss man unweigerlich lachen. Michaela May trifft in ihrer doch so ausgelatschten Rolle der harmoniebedürftigen Gluckenmama den Ton perfekt.

Alle anderen ebenfalls: Die Darsteller liefern prächtige Einzelleistungen ab. Was gibt Barnaby Metschurat für ein erbarmungswürdiges Päckchen Unsicherheit! Was sind das für gnadenlose Dialoge, was für ein hervorragendes Drehbuch! Eines, das Kraume bestimmt gern selbst geschrieben hätte, aber auch eines, das er sich zielsicher zu eigen machte. Der größte Unterschied zu vergleichbaren Produktionen: "Familienfest" nimmt sich keine Pause zum Durchschnaufen. Wo andere unverzagt ein Streichholz nach dem anderen aus der Packung holen, um Hoffnungslichter zu entzünden, bleibt es hier dunkel. Egal, was kommt.

Eidinger-Doku in Erstausstrahlung

Selbst der endgültige Abschied von einem Familienmitglied ändert nichts am groben Umgang miteinander. Auch eine Annäherung an den Vater, verbunden mit dem Versuch einer Erklärung, bringt das gelungene Drama nicht aus der Bahn. Schwer vorstellbar, dass jemand von der Geschichte unberührt bleibt. Verständlich, wenn so mancher froh ist, dass hier keine Überlänge ertragen werden muss. Mehr muss, im positivsten Sinne, wirklich nicht sein.

Das sahen die Fachleute ähnlich: Für "Familienfest" erhielt Lars Kraume 2017 den Deutschen Fernsehpreis, der ihm im selben Jahr übrigens auch für die Schirach-Adaption "Terror - Ihr Urteil" verliehen wurde. Darin ebenfalls in einer eindrücklichen Rolle zu sehen ist der vielfach prämierte Lars Eidinger, dem ARTE im Anschluss gar eine ganze Doku widmet: "Lars Eidinger - Sein oder nicht Sein" (ab 21.45 Uhr) porträtiert den Ausnahmeschauspieler und blickt auf dessen Laufbahn zurück. ARTE zeigt den Film von Reiner Holzemer in Erstausstrahlung.

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