Tatort: Borowski und das ewige Meer - So. 10.11. - ARD: 20.15 Uhr

Todespoesie an der Förde

06.11.2024 von SWYRL/Eric Leimann

In seinem drittletzten "Tatort: Borowski und das ewige Meer" wird der Kommissar (Axel Milberg) mit dem Tod junger Klimaaktivisten in der Ostsee konfrontiert. Man darf sich auf einen wendungsreichen Fall freuen, der auch vom Verhältnis der Generationen in Sachen Klimakatastrophe erzählt.

Dieser "Tatort" beginnt mit einem Gedicht: "Eines Nachts starb das Meer / von einem Ufer zum anderen / sich faltend, schrumpfend / ein Mantel, den man fortnimmt." - Die düsteren Anfangsworte vom "Tatort: Borowski und das ewige Meer" stammen aus "Der Tod des Meeres" von Gabriela Mistral. Die 1957 verstorbene Autorin, 1945 gewann sie den Literatur-Nobelpreis, dürfte sie in einer Zeit geschrieben haben, da von Klimawandel noch nicht die Rede war. Trotzdem könnten ihre Worte direkt, wenn auch weniger lyrisch, aus dem Munde jener Umwelt-Aktivisten kommen, die im neuen Kiel-Krimi nach und nach tot im Wasser treiben. Anfangs glauben die Ermittler Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) noch an eine Beziehungstat und haben den Freund (Jonathan Berlin) der ersten Toten im Visier. Doch mit einem zweiten Opfer weitet sich der Betrachtungswinkel der Kommissare.

Sie beginnen die Szene der Klimaschützer zu durchleuchten, was gar nicht so einfach ist, denn dort spricht man nicht gerne mit der Polizei. Kein Wunder, denn die Staatsgewalt löst regelmäßig Proteste der jungen Leute gegen ein aberwitziges Bauprojekt an der Kieler Förde auf. Man muss also auf alternative Strategien setzen. So zum Beispiel Borowski, der sich als Vater einer Aktivistin ausgibt und die Nähe zur 18-jährigen Leonie (Johanna Götting) sucht. Für das hochintelligente, aber verzweifelte Mädchen entwickelt der Polizist, selbst Vater einer entfremdeten Tochter, bald elterliche Gefühle. Wie kommt er aus dieser Nummer emotional wieder raus? Derweil kümmert sich Sahin mit Forensikerin Paula Rinck (Thea Ehre) um die digitale Welt: Alle Toten haben vor dem Ableben ihr Handy im gleichen Recyclinghof abgegeben - und sie standen in Kontakt mit Umwelt-Influencerin Zenaida (Milena Tscharntke). Der Weg zu ihr führt offenbar über die bei ihrer Großmutter (Tatja Seibt) lebende Programmiererin und Aktivistin Sofia (Pauline Fusban).

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Eine zweite Vaterchance für Borowski?

Weltuntergangspoesie und politischer Aktivismus prägen die ersten Minuten des neuen "Tatort"-Krimis aus Kiel. Zu dunklen Bildern einer trostlos aussehenden Küste (Kameramann Robert von Münchhofen drehte sie bewusst nach einer Sturmflut) sieht man ebenso traurige junge Menschen, die sich dem Klimawandel bereits mit ziemlicher Verzweiflung entgegenzustellen versuchen. Die Welt der Aktivisten wird von Katharina Adler, Rudi Gaul (beide Buch) und Katharina Bischof (Regie) von jener der Älteren völlig isoliert dargestellt. Während Boomer und Generation X weiterhin die Zeichen der (End)Zeit ignorieren, suchen die Jüngeren längst nach radikalen Lösungen für Probleme, die zu groß erscheinen, um noch abwarten zu können. Wie ambitioniert der Krimi des Autorenduos, welches bisher fürs Stuttgarter Revier starke Folgen wie "Videobeweis" und "Vergebung" verantwortete, wirklich ist, merkt man aber erst nach einem Plot-Twist etwa in der Mitte des Falls.

Dann bekommt dieser Kieler Fall noch mal ein neues, spannendes Thema, über das man aus Spoilergründen jedoch noch nicht reden darf. Der Generationskonflikt, mit dem Borowskis "Tatort" am 30. November 2003 einmal startete, wird nun zum Ende der Amtszeit des mittlerweile 68-jährigen Schauspielers Axel Milberg nochmals aufgegriffen: Sein erster Fall aus Milbergs Heimatstadt Kiel hieß damals "Väter". Er berichtete auch von der Entfremdung zwischen Borowski und seiner damaligen Teeanger-Tochter Carla nach einer Trennung. Die Spur der Borowski-Tochter verlief sich zwar irgendwann in der Ermittler-Timeline, doch der mittlerweile achtsam sensible Kommissar, der früher so sperrig und ungehalten war, bekommt nun kurz vor Schluss noch mal die Chance, verpasste Vater-Taten mit der traurigen Umweltaktivistin Leonie nachzuholen.

Mut zum Risiko am Ende der Amtszeit

Durchaus berührend ist das, ebenso wie die gesamte Konzeption dieser Geschichte über das abgeschnittene Band zwischen einer den Klimawandel ignorierenden Entscheider-Generation und jenen jungen Leuten, die mit dem kommenden Desaster leben müssen. Dass der "Tatort: Borowski und das ewige Meer" am Ende ziemlich kühn wird und Gegner auftauchen, die man so im Sonntagskrimi wohl noch nicht gesehen hat, ist ein bisschen wild. Es dürfte auch zu zahlreichen Second Screen-Recherchen zumindest bei digital interessierten Zuschauerinnen und Zuschauern führen.

Interessant ist der Plot und seine Implikationen für unser Leben aber auf jeden Fall. Nach dem filmisch grandiosen Vorgänger "Tatort: Borowski und der Wiedergänger" vom März 2024 ist dieser drittletzte Einsatz von Borowski zwar alles andere als perfekt, doch man merkt, dass Milberg und Co. gegen Ende von Borowskis Amtszeit noch mal hochinteressante Dinge probieren. Man darf gespannt darauf sein, welche es in den letzten beiden Fällen von der Förde sind. Auf dem Programm stehen noch "Tatort: Borowski und das hungrige Herz" und zum Abschluss "Tatort: Borowski und das Haupt der Medusa".

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