Demnächst in "heute-show HISTORY"

Valerie Niehaus im Interview: "Ich habe schon immer zu viel gedacht - und auch zu viel gefühlt."

07.07.2024 von SWYRL/Eric Leimann

In der sommerlichen Sondersendung "heute-show HISTORY" schaltet Valerie Niehaus als Host einer Magazinsendung in die Vergangenheit. So spricht sie mit berühmten sowie unbekannten Personen der Weltgeschichte. Die meisten werden gespielt von - Valerie Niehaus.

Valerie Niehaus, heute 49 Jahre alt, war für viele Menschen Mitte der 90-er ein Superstar. Als eine der Hauptprotagonistinnen der Daily Soap "Verbotene Liebe" lockte die blutjunge Schauspielerin damals ein Millionenpublikum vor die Bildschirme. Doch Niehaus haderte bald mit der Rolle und den Reaktionen darauf, wie sie jetzt im Interview verrät. Sie unterzog sich einem selbstgewählten Prozess der Veränderung: studierte Schauspiel in den USA und begann vor etwa zehn Jahren, ihr Lebenselixier - den Humor - zum Zentrum ihrer Arbeit zu machen. Von 2015 an war sie in der Comedy-Serie "Sketch History" (ZDF) zu sehen. Und seit 2018 ist die Mutter eines Sohnes Teil des "heute-show"-Ensembles um Oliver Welke. Für das populäre ZDF-Format hat sie nun eine Spezial-Folge aufgenommen, in der wiederum Niehaus' Faible für den Blick zurück durchschimmert. In "heute-show HISTORY" (Freitag, 12. Juli, 22.30 Uhr, ZDF) schaltet sie als Host einer Magazinsendung zu berühmten und weniger berühmten Figuren der Weltgeschichte.

teleschau: Frau Niehaus, was passiert bei "heute-show HISTORY" genau?

Valerie Niehaus: Eine Moderatorin, die ich verkörpere, stellt Fragen an teils berühmte, teils unbekannte Figuren der Vergangenheit. Immer mit der Idee, dass wir herausfinden wollen, an welchen Punkten die Menschheit falsch abgebogen ist. Es werden - noch geheime - Leute auftreten, die wir aus der Geschichte kennen, aber auch unbekannte Menschen, die für den Zeitgeist stehen. Wir verfolgen diese Idee schon länger als Rubrik in der "heute-show", nun wird ein Spezial daraus.

teleschau: Können Sie Fragen verraten, die Sie an die Geschichte haben?

Valerie Niehaus: Wenn wir die Kernfrage "Wer hat's verbockt?" nehmen, liegt natürlich einiges auf der Hand: Klimawandel, politische Entwicklungen, Geschlechterbilder. Man ist durchaus überrascht, wie unterschiedlich zu heute früher manche Ansicht war. Über die Erderwärmung dachte man lange Zeit durchaus positiv. Man erwartete bessere Ernten, geringere Energiekosten und eine gute Zeit. Andererseits war der kritische Blick der Älteren auf die Jugend immer schon da. Schon der Philosoph Sokrates bezeichnete die jungen Leute als arbeitsscheu - und beschimpfte die Politiker als Idioten. Sokrates lebte bis 399 vor Christus. Manche populären Ansichten ändern sich offenbar nie.

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"Ich kann ganz gut Realismus aushalten und mit Klarheit auf Probleme blicken"

teleschau: Wer ist schuld daran, dass der Mensch immer wieder sinnlose Kriege führt?

Valerie Niehaus: Auslöser sind meistens eher die Umstände. Viel seltener einzelne Personen. Natürlich bringen diese Umstände Menschen in Führungspositionen, die dann entsprechend entscheiden müssen. Ja, wir reden auch über Krieg in der Sendung, aber eher im Zusammenhang mit politischen Entscheidungen und Wahlen. Es wurde und wird viel gewählt in Deutschland und anderswo auf der Welt in diesem Jahr. Auch das betrachten wir im Kontext der Geschichte.

teleschau: Politische Satire ist meist Tagesgeschäft. Ist es erhellend, mal über die aktuelle Nachrichtenlage hinauszublicken und auch in Sachen Humor auf den historischen Kontext zu blicken?

Valerie Niehaus: Der Blick zurück lohnt immer, egal in welchem Geschäft man sich bewegt. Welcher Weg hat uns hierhin geführt? Wie sind wir das geworden, was wir sind? Fragen wie diese werden in unserer Gesellschaft zwar oft gestellt, aber fast nie wertfrei oder wissenschaftlich beantwortet. Man stellt diese Fragen, um die eigene Agenda zu "pushen". Wir versuchen diese Dinge nun, wenn auch mit den Mitteln der Satire, weitestgehend wertfrei und aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zu betrachten.

teleschau: Wenn man derzeit auf die Welt schaut, scheint Pessimismus angebracht. Wie geht es Ihnen?

Valerie Niehaus: Ein optimistischer Blick auf die Welt fällt derzeit schwer, das gebe ich zu. Trotzdem bin ich keine Pessimistin. Wahrscheinlich liegt meine Persönlichkeit irgendwo zwischen Optimistin und Pessimistin. Ich kann ganz gut Realismus aushalten und mit Klarheit auf Probleme blicken. Ich kann aushalten, dass wir alle von Bedeutungslosigkeit bedroht in dieses Leben geworfen werden. Dass wir aufeinander angewiesen sind und dass es auf die meisten Dinge keine einfachen Antworten gibt. Weil vieles unglaublich komplex ist und schon lange im Argen liegt.

"Wir alle scheitern als Menschen, damit müssen wir klar kommen"

teleschau: Und das löst bei Ihnen keine Schwermut aus?

Valerie Niehaus: Doch, das Gefühl der Schwermut kenne ich gut. Auch das der Traurigkeit. Habe ich Angst? Ja, auch das. Ich will der Angst allerdings nicht die Kontrolle über mein Leben lassen. Angst ist ein schlechter Ratgeber im Leben. Stattdessen brauchen wir gute Ideen. Für all die Fragen vom Klimawandel über Migrationsbewegungen bis hin zu den gesammelten Kriegen und anderen Katastrophen der Gegenwart. Wir können nicht denken, wenn wir die ganze Zeit vor Angst erstarren. Deshalb verlange ich mir eine andere Einstellung ab: vielleicht nicht die einer Optimistin, aber die einer zuversichtlichen, ruhigen Gelassenheit, die eben auch Probleme anpackt.

teleschau: Woher nehmen Sie die Kraft für diese Einstellung?

Valerie Niehaus: Humor trägt auf jeden Fall dazu bei. Und auch die Überzeugung, dass man selbst nicht so wichtig ist. Wer sich selbst nicht ganz ernst nimmt, hat bessere Chancen, besser durch Krisen zu kommen. Wir alle scheitern als Menschen, damit müssen wir klar kommen. Es ist für mich auch okay, dass wir scheitern. Die Idee, alles optimieren zu wollen, ist auf jeden Fall der falsche Weg, wenn wir über unser persönliches Leben nachdenken. Wichtiger ist, dass wir unser Leben lieb haben können, so wie es ist.

teleschau: Also sind Sie doch Optimistin?

Valerie Niehaus: Nein, der Begriff gefällt mir nicht. Bei Optimisten findet sich oft die gleiche Ignoranz, die ich bei überzeugten Pessimisten finde. Man ignoriert das Komplexe, die Zwischentöne, das Mal-so-mal-so. Aber genau das ist wichtig. Andererseits braucht jeder Mensch Hoffnung und Zuversicht. Ich zum Beispiel finde den Frühling oder auch den Sommer total berauschend. Auch wenn mir jemand auf der Straße zulächelt, passiert etwas in mir. Dann denke ich: Ach, ist das nett! Und gleich ist die Laune und der Blick auf die Welt ein ganzes Stück positiver. Es ist nicht schwer, die Dinge positiv in Bewegung zu bringen. Man merkt das an solchen kleinen Ereignissen im Leben. Wir müssen öfter bereit sein für weniger.

"Wenn man jung ist, will man unbedingt 'gesehen' werden"

teleschau: Sie haben ganz klassisch als Schauspielerin angefangen und fanden erst später zur Satire als künstlerischer Ausdrucksform. Wie kam es dazu?

Valerie Niehaus: Ich glaube, dieser Weg war schon in der Kindheit angelegt. Ich habe schon immer zu viel gedacht - und auch zu viel gefühlt. Ich bin extrem in beidem (lacht). Ich kriege viel mit und kann mich schlecht abgrenzen. Dann kommt noch die gesellschaftliche Erfahrung hinzu: Als blondes, hübsches Mädchen konnte ich mich generell nicht so gut abgrenzen. Viele wollten Widersprüchliches von mir: nicht zu laut sein, aber auch nicht zu leise. Nicht zu hübsch sein, aber bitte auch nicht zu hässlich. Jeder von uns bekommt ja viele Lebensaufträge. Humor hat mir immer dabei geholfen, sie alle einzusortieren. Auch das Lachen über mich selbst hat mir immer wieder geholfen. Die Zeiten, in denen ich das nicht konnte, erinnere ich als sehr schwierige Zeiten.

teleschau: Über welche Zeit sprechen Sie?

Valerie Niehaus: Am Anfang meiner Karriere konnte ich nicht darüber lachen, dass acht Millionen Leute täglich mein Programm sahen, mir aber den Mittelfinger zeigten, wenn sie mich in der Fußgängerzone trafen. Das fand ich damals nicht witzig, heute kann ich darüber lachen. Nicht, um es abzuwerten, sondern weil es einfach lustig ist. Ich habe als junge Frau bei "Verbotene Liebe" (1995 bis 2015 im Ersten, d. Red.) hart gearbeitet und mich mit viel Einsatz auf diese Rolle gestürzt. Da konnte ich es nicht verstehen, dass mich die Leute dafür hassen. Heute sehe ich es lockerer. Wenn man jung ist, will man unbedingt "gesehen" werden, und man ist wütend darüber, wenn die Menschen einem das verweigern.

"Der neue Blick hat sich - in meiner Wahrnehmung - sehr lange angebahnt"

teleschau: Wie sehr haben Sie damals unter Ihrem Ruhm gelitten?

Valerie Niehaus: Es war eine ungemütliche Zeit, weil ich Verständnisprobleme mit den Reaktionen der Menschen hatte. Das Projekt war sehr erfolgreich, aber die Reaktionen darauf weitgehend negativ. Das Ganze ist ein bisschen paradox und es hat mich im Alter von 20 Jahren durchaus überfordert. Später studierte ich in den USA Schauspiel und dort hat eine Lehrerin dann mal meine Leistung in diesem Soap-Kosmos benannt und gewürdigt. Für mich war es ein richtiges Aha-Erlebnis - und da war ich immerhin schon 23. Damals merkte ich, dass ich stolz sein kann auf das, was ich geleistet habe. Von da an ging es mir deutlich besser.

teleschau: Was hat der frühe Ruhm bei Ihnen hinterlassen?

Valerie Niehaus: Eine kleine Macke, viel Erfahrung und letztendlich hat es mich sensibilisiert für die Frage: Warum will ich diesen Job machen? Worum geht es mir? Was ist mein Kerngeschäft? Die Antwort lautet: Ich will gute Unterhaltung bieten. Wäre mir die "Verbotene Liebe" emotional nicht so an den Karren gefahren, hätte ich mir die Frage vielleicht nie oder zumindest nicht so früh gestellt. Vielleicht war das der berühmte frühe Sprung in der Schüssel, der dazu führt, dass das Gefäß danach für lange Zeit heil bleibt.

teleschau: Von 1995 bis 1997 waren Sie Deutschlands größter Soap-Star. Heute erscheinen selbst Filmfrauen von vor zehn Jahren wie Bilder aus einer anderen Zeit. Wundern sie sich, wie schnell sich zuletzt der Blick auf die Geschlechter gewandelt hat?

Valerie Niehaus: Der neue Blick hat sich in meiner Wahrnehmung sehr lange angebahnt. Dann ist er gefühlt ganz plötzlich aus seinem Ei geschlüpft. Sehr schmerzhaft mitunter über schwierige Themen wie MeToo. Gerade meine Branche, das Schauspiel, hat viel zu dieser Entwicklung beigetragen. Überraschend ist das aber nicht. Schließlich hat Film stark zu den alten Frauenbildern und anderen Stereotypen, wie Menschen andere Menschen sehen, beigetragen. Film und Fernsehen waren lange Zeit nicht nur frauenfeindlich, sondern auch rassistisch. Zum Beispiel dann, wenn man Menschen mit Migrationshintergrund konsequent als Dealer oder Gangster und nicht als Arzt, Lehrer oder Freund darstellte. Vieles von dem hat sich zuletzt rasant verändert. Ich sehe uns als Gesellschaft, die sich klar die Mühe macht, sich weiterzuentwickeln. Das löst dann doch eine Art Optimismus bei mir aus. Wir machen uns unbequeme Gedanken - und das ist gut so.

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