Katharina Tempel - Was wir fürchten - Mo. 11.11. - ZDF: 20.15 Uhr

Wenn die taffe Ermittlerin privat vom Partner geschlagen wird

09.11.2024 von SWYRL/Maximilian Haase

Eigentlich begann gerade ihre Paartherapie. Doch dann wird Kommissarin Katharina Tempel im zweiten Film der gleichnamigen Krimireihe zu einer Schießerei gerufen. Ein Mordverdächtiger konnte fliehen. Während nach ihm gefahndet wird, muss die privat gebeutelte Ermittlerin den Fall neu aufrollen.

Wer die deutsche Krimilandschaft verfolgt, kannte sie schon länger: Vor vier Jahren tauchte die Figur Katharina Tempel erstmals im TV auf - in der beliebten ZDF-Reihe "Helen Dorn". An der Seite der gleichnamigen Kommissarin ermittelte die von Franziska Hartmann verkörperte Kollegin in zwei Fällen, bevor sie 2022 einen eigenen Krimi-Ableger erhielt. Ein Spin-Off, wenn man so will, wie es sonst vor allem in Übersee üblich ist. Und das hatte es gleich in sich: Der sehenswerte Auftaktfilm zeigte eine begnadete Ermittlerin, in deren Privatleben sich tiefe Abgründe auftaten. So tief, dass sie die hierzulande im TV fast üblichen kommissarischen Problemchen Alkoholismus und Depression übertrafen. Denn: In der vordergründig harmonischen Ehe schlug der Gatte im Streit bisweilen zu. Ein Schock auch für die Zuschauer.

Lange musste man sich fragen, wie es mit der ebenso taffen wie bemitleidenswerten Hamburger Ermittlerin nach dem vielversprechenden Start weitergehen würde. Nun ist es so weit: Im zweiten Film der Krimireihe "Katharina Tempel", der bei ARTE als Vorpremiere gezeigt wurde und nun auch im Zweiten läuft, versucht es die titelgebende Kommissarin tatsächlich noch einmal mit einer Paartherapie. Sie wird dann aber zu einer Schießerei gerufen, bei der ein mordverdächtiger Untersuchungshäftling fliehen konnte. Dessen Fall muss Katharina Tempel in einem aufwühlenden Krimi bald neu aufrollen.

"Was wir fürchten" lautet der Titel des neuen Films, der damit nach dem Pilot "Was wir verbergen" augenscheinlich eine psychologisch anspielungsreiche Reihe startet. Vielfach interpretierbar ist diese "Furcht" sehr wohl - zuallererst natürlich als Angst der eigentlich selbstbewussten Kommissarin, erneut von ihrem Ehemann geschlagen zu werden. Volker Tempel (Florian Stetter), seines Zeichens Polizeipressesprecher und seiner Frau deshalb auch beruflich nah, bereut seine brutalen Taten, wie zu Beginn deutlich wird.

"Manchmal passiert es, dass ich einfach die Kontrolle verliere", gesteht er in der gerade begonnenen Paartherapie. "Da muss man gar nicht drumherum reden: Es geht um Gewalt." Eine Träne rollt übers Gesicht der Ermittlerin, in Rückblenden sieht man die Schläge, schließlich umarmen sich beide. Ja, das erdrückende und seltsam ambivalente Privatleben der Kommissarin ist auch im zweiten Fall viel mehr als nur Hintergrundrauschen. Und doch überschattet es die Krimihandlung diesmal etwas weniger. Schließlich befindet sich ein des Mordes verdächtigter Mann auf der Flucht. Schon bald muss sich Katharina Tempel nicht nur mit ihrer, sondern auch mit seiner zerrütteten Familie auseinandersetzen.

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"Es ist nicht verboten, den eigenen Bruder zu verteidigen"

Felix Brenner heißt der Verdächtige, der auf dem Weg zum Gericht einem Polizisten die Waffe entreißt, schießt und schließlich fliehen kann. Ein JVA-Beamter wird schwer verletzt, und das obendrein in Anwesenheit der mit Tempel gut befreundeten Staatsanwältin. Dass dem jungen Mann, etwas klischeehaft von Luis Pintsch verkörpert, überhaupt die Handschellen abgenommen wurden - dafür hatte zuvor seine Anwältin und Zwillingsschwester Moira Brenner (Phenix Kühnert) gesorgt.

"Es ist nicht verboten, den eigenen Bruder zu verteidigen", weiß der Vorgesetzte Georg König (Stephan Szász), der mit Tempel die Jagd und Ermittlungen aufnimmt. Nicht nur das: Im Fall des flüchtigen Verdächtigen, der beschuldigt wird, eine Lehrerin in ihrem Haus getötet zu haben, war König einst leitender Ermittler. "Der ist echt gefährlich", warnt er nur. Schnell jedoch stellt seine Kollegin fest, dass der Chef ihr Details zum damaligen Fall verschweigt. Was verheimlicht er?

Die Schwester des Verdächtigen jedenfalls ist überzeugt von der Unschuld ihres Bruders und Mandanten. Mehr noch: Er sei nicht geflohen, um zu entkommen, sondern um zu beweisen, dass er damals nicht der Täter war. "Für Sie war von Anfang an klar: Das ist der Ex-Knacki, der war's", wirft sie dem Hauptkommissar vor. Plötzlich weiten sich die harten Prüfungen für Kommissarin Tempel vom Privaten aufs Professionelle aus: Kann sie ihrem Vorgesetzten trauen, der offensichtlich bei der Verhaftung des mutmaßlichen Täters einen folgenreichen Fehler begangen hat? Ist er vielleicht gar in Gefahr?

"Glaubst du an Gefängnisse?"

Abermals herausragend von Franziska Hartmann mit beiläufiger Glaubhaftigkeit gespielt, begibt sich die gebeutelte Kommissarin in ein Dickicht aus Familiengeheimnissen und psychischen Abgründen. Wie schon in der Grimme-Preis-prämierten Miniserie "Neuland" (2022) erweist sich die Zusammenarbeit zwischen der 40-jährigen Schauspielerin und Regisseur Jens Wischnewski als überaus fruchtbar.

Das spannende, doch überraschend klassisch erzählte Kriminaldrama widmet sich einem komplexen Fall (Drehbuch von Elke Rössler), eingebettet in eine tragische Familiengeschichte, deren Verstrickungen in Rückblenden langsam entwirrt werden. Parallel sorgt die nicht minder tragische Ehe der Kommissarin für ungeahnte Fallhöhen - zwischen romantischen Szenen samt trautem Familienleben im Luxusappartement am Wasser und einer in der Luft liegenden Anspannung vor dem nächsten Ausraster des Ehemanns. "Ich will das schaffen", sagt der, aber als Zuschauer wundert man sich, warum die Ermittlerin ihm immer wieder eine Chance gibt. Kind, Haus, vielleicht die Außenwirkung und Angst vom Alleinsein: Die Frage, warum geschlagene Frauen sich nicht sofort trennen, ist nicht so einfach zu beantworten.

Daneben - wir befinden uns noch immer in einem deutschen Krimi - werden weitere sozialkritische Fragen aufgeworfen: Machen Gefängnisse ihre Insassen erst so wirklich kriminell? Am Beispiel des vorgeblich Unschuldigen stellt der Film die Frage nach dem Sinn von Haftanstalten. Die Zwillingsschwester des Beschuldigten gehört gar zu jenen, die Gefängnisse abschaffen wollen - "Entknastung", wie der Zuschauer aufgeklärt wird. "Glaubst du an Gefängnisse?", heißt die Frage an einer Stelle. - "Weiß ich nicht, aber ich glaub an Strafen", lautet die Antwort.

Ob man eigentlich immer jemanden bestrafen müsse, wenn er etwas Böses getan habe, will auch der Sohn der Kommissarin wissen. "Vielleicht wird er dadurch ja noch böser", überlegt er. "Das stimmt", entgegnet sein Vater, "aber vielleicht lernt man dabei auch was und ändert sich dann." Klar, dass er dabei nicht nur an Knäste, sondern auch an seine eigenen Verfehlungen denkt.

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