26.04.2025 von SWYRL/Wilfried Geldner
Selten zeigte eine "Lebenslinie" so steil nach oben, wie die des Alexander Herrmann, des "Spitzenkochs aus Franken". Zwei Sterne-Restaurants, ein Familienhotel, zahllose Fernsehshows und die unermüdliche Suche nach neuen Kreationen sind sein Aushängeschild. Der BR zeigt ein Porträt.
Regionales und Internationales miteinander zu vereinbaren, das versuchen viele Köche - Verzeihung, Küchenmeister - nun bereits seit Jahrzehnten. Kaum einer kann das indes so gut wie Alexander Herrmann, Jahrgang 1971, geboren in Kulmbach, ansässig in Wirsberg beim Frankenwald in Oberfranken, wo der Familie schon in der fünften Generation ein altes Hotel gehört. In der neuen Ausagbe der BR-Porträtreihe "Lebenslinien" zeigt und verrät Herrmann, wie die gehobene Küche, aber auch wie das gesamte Leben geht: Bloß nicht ins Koma verfallen und sich mit Eingefahrenem zufriedengeben. Herrmann liebt seine Michelin-Sterne eins und zwei, 2008 und 2019 eingefahren, und hofft im Chor mit seinem Wirsberger Küchenteam lauthals auf einen dritten.
Mehr Optimismus geht nicht. Und das alles trotz aller Rückschläge schon in der Kindheit und Jugendzeit. Mit neun starben beide Eltern bei einem Verkehrsunfall - ein Schock fürs Leben, den er zunächst verdrängte, wie er im Film erzählt. Erst Jahrzehnte später wurde er sich dessen so recht bewusst. Damals half ihm seine Liebe zur Küche und zum Hotel, das die Großeltern übernahmen - und Alexander gleich mit.
Rührend, den Knaben mit der riesigen Kochmütze zu sehen und seine Begeisterung. Jahrzehnte später zeigt er nochmal, wie das damals war: Die Tabletts durch die Küchen-Schwingtüre zu balancieren, gerät zum chaplinesken Auftritt. Humor ist neben seinem fränkischen Charme ohnehin Herrmanns Stärke. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Mal abgesehen von der arg nassforschen Aufschrift auf einem Spiegel in einem seiner neuen Nürnberger Lokale: "Fuck normal - I want magic", hält er die Balance zwischen Forschheit und Höflichkeit.
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"Kein kulinarisches Koma, keine Langeweile"
Dass das alles nicht möglich gewesen wäre ohne sein Talent zum TV-Küchenentertainer, weiß er. Just, als er als Jahrgangsbester nach seiner Ausbildung bei anderen Sterneköchen 1995 zum Küchenmeister avancierte, ging es dem Hotel in Wirsberg schlecht. Die Berliner Durchreisenden blieben aus in Oberfranken nach dem Mauerfall. Doch Herrmanns neue Fernsehprominenz half dem Betrieb, den er noch immer wie ein freundlicher General anführt, wieder auf die Beine.
"Schritt für Schritt" hielt die Spitzenküche Einzug in seinen Restaurants, wie er sagt. Im Film (Regie: Kathrin Schneider) schaut man zu, wie er seine Küchenchefs beim Entwerfen neuer Kreationen nach der Devise: "Kein kulinarisches Koma, keine Langeweile" korrigiert. Man erfährt aber auch manches über die Schattenseiten des Lebens, über Krankheiten bei ihm selbst und bei seinem Sohn aus erster lang anhaltender Ehe - auch über Scheidung und Neuanfang.
"Trauer ist ein reißender Fluss", sagt er, er muss es wissen. Im Übrigen ist das Leben für ihn dennoch ein einziger Superlativ. "Sensationell", erklärt er mit einer Überzeugung, der man sich nicht entziehen kann, wenn er wieder einmal eines seiner mit dem 1976 vom Vater entdeckten "fränkischen Schiefertrüffel" testet. Man riecht dann förmlich die Wirsberger Internationalität.