05.06.2024 von SWYRL/Marina Birner
In der dritten Staffel seiner SWR-Comedyshow "Babbel Net!" verbindet Bülent Ceylan abermals skurrile Selbstversuche mit einer großen Portion Humor. Im Interview spricht der 48-jährige Comedian über die Grenzen von Humor in Krisenzeiten - und er verrät, was er lieber mag: Bier oder Wein?
Aus seiner kurpfälzischen Herkunft macht Bülent Ceylan keinen Hehl: "Babbel Net!" heißt seine Comedyshow, die im Januar 2023 in der ARD Mediathek und im SWR Fernsehen Premiere feierte. Ziel des Formats ist es seit jeher, Menschen davor zu bewahren, dummes Zeug zu reden. Dafür verbindet der inzwischen 48-Jährige gekonnt Comedy und Wissenschaft. So auch in der nun startenden dritten Staffel (ab Donnerstag, 6. Juni, wöchentlich, um 18 Uhr, in der ARD Mediathek, sowie im Anschluss im Nachtprogramm der ARD). Die erste von insgesamt sechs neuen Folgen steht unter dem Motto "Tanzen" (TV-Ausstrahlung: Donnerstag, 6. Juni, 0.35 Uhr, das Erste): Gemeinsam mit dem isländischen Ex-Fußballer und "Let's Dance"-Gewinner Rurik Gislason schwingt Bülent Ceylan das Tanzbein. In Folge zwei (Donnerstag, 13. Juni, 23.35 Uhr, das Erste) absolviert er ein Fußball-Training mit Schiedrichter-Legende Deniz Aytekin. Im Interview spricht Bülent Ceylan über Comedy in Krisenzeiten, Online-Dating, seltsame Fetische und sein Anfang März erschienenes Album "Ich liebe Menschen".
teleschau: Es ist ein offenes Geheimnis, dass Sie eine Schwäche für schöne Frauenfüße haben ... Wollen wir ein bisschen über das Tabuthema Fetischismus reden, Herr Ceylan?
Bülent Ceylan: (lacht) Ja, unbedingt! Viele Leute fragen sich doch auch heute noch: Kann ich über meinen Fetisch sprechen, ohne gleich schief angeschaut zu werden? Bei meinen Recherchen zu "Babbel Net!" war ich wirklich überrascht, wie viele Menschen einen Fetisch haben. Die meisten wollen nicht offen darüber reden. Aber ich habe sie alle dazu gebracht. Ich spreche ja auch selbst offen darüber, dass ich schöne Frauenfüße seit jeher besonders interessant finde. Das ist nichts Schlimmes.
teleschau: Haben Sie mit diesem Bekenntnis denn nicht immer wieder polarisiert?
Ceylan: Nein, viel weniger als erwartet. Ich habe eher positive Reaktionen bekommen. Einige Männer haben sich mit den Worten bedankt: "Hey, du glaubst gar nicht, was du da für eine Tür aufgemacht hast." Denn wenn der Ceylan so etwas ohne Probleme in der Öffentlichkeit sagen kann, dann ist das Ganze schon in Ordnung. Ich denke mir: Warum muss sich ein Mann schlecht fühlen, wenn er einer Frau ein Kompliment für ihre Füße macht? Frauen tragen schließlich offene Schuhe und lackieren sich die Zehennägel. Das hat etwas Ästhetisches. Ich möchte das Thema Fetisch einfach ein bisschen auflockern.
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"Die Mittelalterfans nehmen ihr Hobby wirklich sehr ernst"
teleschau: Allerdings gibt es da noch ganz andere Sachen ...
Ceylan: Aber hallo, ich habe Dinge erfahren ... Manche Leute stehen sogar auf Flugzeuge - in einem erotischen Sinn. Das ist schon sehr merkwürdig. Aber am meisten überraschte mich, dass manche Leute nicht nur auf die Ästhetik von Füßen stehen, sondern auch darauf, dass sie nach Käse riechen ... Da bin ich raus. Aber gut, Fetisch ist eben vielseitig. Mir ist nur wichtig, dass man Fetisch nicht mit Perversion verwechselt. Wenn es kriminell wird, dann verurteile ich das. Dann muss es auch bestraft werden.
teleschau: Was dürfen Fans also von der neuen Staffel "Babbel Net!" erwarten?
Ceylan: Wie so oft gehen wir viele verschiedene Themen an. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit dem Mittelalter. Ich frage mich: Was wäre, wenn ich in dieser Zeit gelebt hätte? Welchen Beruf hätte ich gewählt? Ich habe vieles ausprobiert ... Aber am Ende bin ich doch - wer hätte es gedacht - Hofnarr geworden (lacht). Als wir auf so einem Mittelalterfest waren, musste ich aber auch aufpassen, dass ich mit meinem Humor niemanden auf die Füße trete. Denn die Mittelalterfans nehmen ihr Hobby wirklich sehr ernst.
"Die Leute lernen mehr, wenn ein Thema mit Comedy verbunden ist"
teleschau: Mit Ihren fachlich kompetenten Gästen und Ihrer Sprachassistentin Esra scheinen Sie neben dem Unterhaltungs-Faktor auch immer einen Lerneffekt erzielen zu wollen ...
Ceylan: Auf jeden Fall. Wer kann aus dem Stegreif sagen, was genau passiert, wenn jemand stirbt oder ermordet wird? Diese Frage kommt jetzt vielleicht etwas unerwartet. Aber True Crime spielt in der neuen Staffel eine große Rolle. Wir haben einen Tatortreiniger eingeladen, der uns unter anderem verrät, wie er das Blut wegkriegt und wie sein erster Einsatz war. Und dann wird's lecker: Wir klären die Frage, woraus Bier eigentlich besteht und warum es gerade in Deutschland so einen Kultstatus hat. Für mich war das ein kritisches Thema, denn ich trinke nicht so gerne Bier. Ich trinke lieber Weißwein.
teleschau: Es steht demnach nicht immer Ihr persönliches Interesse hinter den Geschichten und Themen?
Ceylan: Doch, doch. Das ist auch für mich interessant in Erfahrung zu bringen, warum ganz Deutschland Bier trinkt. Außerdem macht alles Spaß, wenn ich einen Gag daraus mache (lacht). Ich bin davon überzeugt, dass die Leute mehr mitnehmen und lernen, wenn ein Thema mit Comedy verbunden ist.
"Es darf kein Hass mehr herrschen, es muss Liebe herrschen"
teleschau: Beeinflusst auch die aktuelle politische Weltlage Ihr Programm?
Ceylan: Früher weniger, aber heute zeige ich immer mehr politische Haltung. Zu Beginn meines Programmes sage ich häufig, dass jeder in meinen Shows willkommen ist. Egal, ob Christ, Moslem oder Buddhist. Es darf kein Hass mehr herrschen, es muss Liebe herrschen. Das ist zunächst vielleicht naiv gesprochen, aber im Grunde genommen will ich einfach nur eines klar machen: In dem Saal, in dem ich spiele, herrscht kein Rassismus. Spätestens beim Applaus des Publikums merke ich, dass das Thema den Leuten auf der Seele brennt. Deshalb betone ich das auch immer öfter.
teleschau: Ist es heute schwieriger, den richtigen Humor beim Publikum zu treffen?
Ceylan: Ich glaube, jeder freut sich, wenn er mal rauskommt und herzlich lachen kann. Ich war neulich in Saarbrücken in der Saarlandhalle. Dort in der Umgebung war vor Kurzem enormes Hochwasser, und wir haben überlegt, ob es sinnvoll ist, zu spielen, wenn hundert Meter weiter jemandem der Keller voll Wasser steht. Die Leute dort haben wirklich Stress und Probleme. Aber die Stadt hat gesagt, sie haben die Situation im Griff, es ist Gott sei Dank niemand gestorben, und ich soll spielen. Es war zweimal ausverkauft. Es war von Anfang an klar, dass ich nicht nur spiele, sondern auch etwas spende. Die Leute konnten viel freier lachen, weil ich sensibel mit der ganzen Situation umgegangen bin.
teleschau: Als Comedian ist also immer auch Empathie gefragt?
Ceylan: Das ist sogar sehr wichtig. So wie 2015, als mehrere Terroranschläge Paris erschütterten. Ich habe damals in Berlin gespielt. Das Thema hat natürlich die ganze Hauptstadt geschockt. Absagen oder nicht? Für uns war das nicht einfach. Wir entschieden uns zu spielen, und ich nutzte die Eröffnung der Show, um den Leuten zu sagen: Die Terroristen wollen, dass wir alles absagen, depressiv werden und Angst haben. Nein, wir bleiben hoffnungsvoll - jetzt erst Recht! Das war eine Stimmung, die man sich gar nicht vorstellen kann. Ich bin hier, um die Leute für drei Stunden von ihren Problemen abzulenken. Dafür ist mein Publikum sehr dankbar. Niemand kann 24/7 Nachrichten gucken, sich hängen lassen und nichts Schönes mehr an der Welt finden. Jeder muss den Kopf auch mal freibekommen. Dafür sind Musiker, die Komiker, alle Künstler doch da.
"Ich kämpfe mein Leben lang für Toleranz und gegen Rassismus"
teleschau: Wie erleben Sie als jemand mit türkischen Wurzeln die aktuelle Diskussion um Rassismus und Integration in Deutschland?
Ceylan: Naja, wir erleben die Brisanz der Thematik aktuell wieder am Beispiel des Videos von Sylt, wo man sieht, wie wieder mal irgendwelche Nazi-Parolen geschwungen wurden. Das ist absoluter Mist. Wir müssen dagegen kämpfen. Ich habe das Gefühl, ich kämpfe mein Leben lang für Toleranz und gegen Rassismus - und das, obwohl ich doch in Deutschland geboren bin. Wir dürfen niemals aufgeben und müssen immer erst das Gute im Menschen sehen.
teleschau: Eine Botschaft, die Sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Ihrem Album "Ich liebe Menschen" verarbeitet haben.
Ceylan: Ja, ein Lied, das ich im Duett mit Peter Maffay gesungen habe, heißt "Anders gleich". Wir sind acht Milliarden Menschen, aber alle anders gleich. Das heißt, und das ist auch meine Lieblingszeile, "Arschloch bleibt Arschloch und Mensch bleibt Mensch". Und so ist es. Es geht nicht darum, welche Hautfarbe oder welche Religion jemand hat. Es geht nicht darum, ob jemand ein guter Mensch ist. Es geht darum, ob jemand ein Arschloch ist oder nicht. Jedes Mal, wenn ich jemanden treffe, bin ich zuerst unvoreingenommen und entscheide dann, ob ich einen Menschen oder ein Arschloch vor mir habe. Schließlich trage ich auch christliche Werte in mir, und Nächstenliebe sollte überall herrschen.
"Ich kann verstehen, dass man ab einem gewissen Alter auf Online-Dating zurückgreift"
teleschau: Wie ein Mensch wirklich tickt und wie authentisch er ist, lässt sich heute in all den verschiedenen sozialen Netzwerken nicht mehr so leicht herausfinden.
Ceylan: Das ist leider Realität. Ich muss zugeben, dass auch ich lange Zeit nicht wahrhaben wollte, wie wichtig Social Media geworden ist. Im Strudel von TikTok, Instagram und Co. musste ich mir irgendwann ein professionelles Social-Media-Team zulegen. Innerhalb von ein, zwei Jahren ist meine Followerzahl massiv in die Höhe geschnellt - das kann ich nicht leugnen. Das wirkt sich natürlich auch positiv auf den Ticketverkauf aus. Und ich kann meine Reichweite dazu nutzen, laut sein, in der Gesellschaft präsent sein.
teleschau: Als Sie Ihre Frau kennenlernten, spielten Soziale Netzwerke noch keine große Rolle. Würden sie denn heute online daten?
Ceylan: Warum nicht? (schmunzelt) Natürlich lerne ich eine Frau am liebsten über Bekannte, Freunde oder in einem Café kennen. Dann weiß ich gleich, wie sie ungefähr tickt, weil sie doch ungefiltert vor mir steht und einfach so ist, wie sie ist. So wie ich es früher gemacht habe, finde ich es viel spannender, als mir online jemanden auszusuchen. Ich kann es aber durchaus verstehen, dass man ab einem gewissen Alter auf Online-Dating zurückgreift, weil man nicht mehr viel ausgeht. Viele ältere Leute wollen einfach nicht mehr in irgendeinen Club gehen und Ausschau halten. Das wäre mir auch zu viel. Dann eröffnet so ein Portal neue Möglichkeiten. Leider gibt es einfach viele, die nur das eine wollen ... Viele suchen nicht zwangsläufig den Partner fürs Leben, sondern wollen nur Spaß haben. Solche Portale kritisiere ich. Aber ich muss zugeben, ich kenne selbst auch Leute, die sich beispielsweise über Tinder kennengelernt haben und nun eine glückliche Beziehung führen. Social Media bietet einfach enorm viele Chancen aber eben auch Risiken.
"Als Vater achte ich auch sehr darauf, keine derben Kinderwitze zu machen"
teleschau: Risiken sind auch Teil eines Lebens als Comedian. Gibt es Themen, über die Sie keine Witze machen? Wo ziehen Sie die Grenze?
Ceylan: Ich achte sehr darauf, mein Publikum nicht zu diffamieren oder herabzusetzen. Ich spiele zwar mit dem Publikum und mache Witze. Aber das geht nur, weil ich ein Gespür dafür habe, bei wem das ankommt und wer darüber lachen kann. Außerdem mache ich keine Witze über kranke Menschen. Als Vater achte ich auch sehr darauf, keine derben Kinderwitze zu machen. Man braucht Fingerspitzengefühl. Da muss jeder Comedian selbst entscheiden, wie weit er gehen will. Bei meinem Publikum werde ich diese Art von Humor, die ich persönlich auch nicht mag, auf keinen Fall zelebrieren.
teleschau: Im Falle von "Babbel Net!" findet alles in einem eher intimen Rahmen statt - und das, obwohl Sie doch an diesem Punkt Ihrer Karriere regelmäßig ganze Hallen füllen.
Ceylan: Stimmt. Der Look von "Babbel Net!" ist viel gemütlicher als ein großes Studio. Unser Ziel war es, eine Wohnzimmeratmosphäre zu kreieren - perfekt für Situationskomik, auch mit dem kleineren Publikum. Wir wollen etwas ganz Besonderes erzeugen, das man dann in der ARD Mediathek und im TV bestaunen kann.