Die rote Fini - Die verschwundenen Millionen der DDR - Do. 01.06. - ARTE: 20.15 Uhr

Eine Wienerin mit Charme und Chuzpe

29.05.2023 von SWYRL/Wilfried Geldner

Schade, dass daraus kein Spielfilm geworden ist: Aber auch in der ARTE-Doku über die KPÖ- und spätere SED-Treuhänderin Rudolfine Steindling, die zu Zeiten des Kalten Krieges Millionen machte und beiseite schob, ist Adele Neuhauser als "Rote Fini" eine Wucht.

Sie wurde in Wien "die Rote Fini" genannt: Die Kommerzialrätin Rudolfine Steindling, 1934 geboren, kannte im Wien der späteren Nachkriegszeit jedermann. Die gelernte Buchhalterin konnte mit Geld umgehen. Offensichtlich war sie eine Mischung aus Resolutheit und Charme. Doch war sie auch eine Betrügerin? Nachdem sie zunächst für die KPÖ, in der sie Mitglied war, die Geldgeschäfte tätigte, wurde sie Treuhänderin für die Ostberliner SED-Firma Novum und häufte bis zum Ende der DDR eine halbe Milliarde D-Mark an. Doch als die Treuhand auf das Geld zugreifen wollte, war ein Großteil verschwunden und tauchte hinterher nie wieder auf.

Noch bevor Fini den Bankdirektor und ungarischen Holocaust-Überlebenden Dolly Steindling heiratete, beeindruckte sie nicht nur diesen und machte - als Frau unter vielen Männern - ihre eigene Karriere. Als KPÖ-Mitglied verwaltete sie deren Gelder. 1955, als Österreich neutral wurde, witterte sie ihre Chance. Weil direkte Geschäfte zwischen Ost und West nicht möglich waren, wurde Fini Treuhänderin (im West-Jargon: "Zwangsvermittlerin") für die Ostberliner SED-Firma Novum. Sie bezirzte DDR-Minister genauso wie Wiener Politiker und westdeutsche Industrielle. Mit ihrem Charme und ihrer Chuzpe wickelte sie alle ein. Adele Neuhauser macht in Spielszenen diese Frau in der ZDF/ARTE-Doku von Gaby Schlag (ARTE-Erstsendung) noch einmal lebendig.

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Hofrätin und Gucci-Kommunistin

"Keine Sorge. Ich mach' nix, wo ka' Geld rausspringt!", beruhigt Adele Neuhauser als alter ego der Rudolfine Steindling die westlichen Geschäftsleute genauso wie die Skeptiker aus dem Osten im Film. Manchem legt sie mit ihrem Mefistofeles-Lächeln dabei die Hand freundschaftlich auf die Schulter. Müßig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob diese Frau einfach nur gewitzt oder schon skrupellos war, mitsamt den von ihr (und für sich) angehäuften Provisionen. Sie nutzte die Umstände der Zeit. Und wäre alles so geblieben, wie es war, dann triebe sie ihr Unwesen auch noch heute. Sie sorgte dafür, dass Voest-Alpine im Osten ein Stahlwerk bauen konnte. In vier Jahren wurde es fertig, andere Anwärter aus Schweden, Japan, Italien und der BRD hatte sie aus dem Feld geschlagen.

Mit dem DDR-Außenhandelsminister Gerhard Beil verstand sie sich besonders gut. Er half ihr auch, als sie unter den Verdacht der Industriespionage geriet. Computer fielen unter die westlichen Embargo-Bestimmungen, und die waren nur mit viel Geld und unter Einbeziehung der Geheimdienste zu umgehen. Fini schaffte auch das. Zuerst mit einem Telefonat an ihren Minister, dann mit der Idee, eine ganze Festplattenfabrik in der DDR mithilfe von eingeschmuggelten Einzelteilen zu etablieren.

Auf dem Höhepunkt ihrer kriminellen Kreativität hatte Fini, die "Gucci-Kommunistin", wie man die Opern-Liebhaberin und Mäzenatin wegen ihrer zur Schau getragenen Eleganz nannte in Wien, eine halbe Milliarde D-Mark auf ihren Konten. Doch das Geld war weg, als die DDR kollabierte. Fini hatte es rechtzeitig auf Schweizer Banken transferiert. Sie strengte später Prozesse gegen die Treuhand an, gewann erst und verlor mehrere Jahre danach. Sie lebte zuletzt in Tel Aviv, starb 2012. "Sie war eins der ungelösten Geheimnisse des Kalten Kriegs und der damaligen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West", sagt ein Wiener Historiker im Film. Und er hat wohl Recht.

Der Spion, der zu viel wusste

Im Anschluss zerigt ARTE um 21.05 Uhr die Doku "Adolf Kanter - Der Spion, der zu viel wusste". Auch hier geht es um dubiose Bezüge zur DDR: Fünf Jahre nach der Wiedervereinigung wird in Koblenz ein Mann wegen fortgesetzter schwerer geheimdienstlicher Tätigkeit zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die Milde der Strafe liegt darin begründet, dass Adolf Kanter ein DDR-Spion war, der seit den 50er-Jahren beste Beziehungen in die westdeutsche Wirtschafts- und Politikelite unterhielt, auch zu Helmut Kohl. Kanter war zugleich Lobbyist des Flick-Konzerns, der Millionen an Bonner Politiker spendete, und Informant für den Auslandsgeheimdienst der DDR. Der Film von Claus Räfle (WDR, 2022) macht deutlich: Die Spionageaffäre wurde im Interesse des Machterhalts von Helmut Kohl vertuscht.

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