08.03.2025 von SWYRL
Eltern erziehen ihre Kinder je nach Kultur unterschiedlich. Strenge gilt nicht überall als hart - sondern auch als liebevoll.
Kinder werden überall auf der Welt geliebt - aber wie Eltern diese Liebe zeigen, ist kulturell unterschiedlich. Jennifer Lansford, Entwicklungspsychologin an der Duke University im Bundesstaat North Carolina in den USA, untersucht, wie familiäre Werte in verschiedenen Ländern wirken. Sie hat Eltern auf den Philippinen, in China, Kolumbien, Italien, Jordanien, Kenia, Schweden, Deutschland, Thailand und den USA befragt.
Ein Experiment, bei dem es um das Angeln von Plastikfischen geht, verdeutlicht die kulturellen Unterschiede dabei auf anschauliche Art und Weise: Kinder aus Deutschland belohnen Leistung - wer die meisten Plastikfische angelt, bekommt die meisten Preise. In Kenia und Namibia dagegen verteilen Kinder die Preise gleichmäßiger. Lansford erklärt, dass in Regionen mit saisonal schwankendem Nahrungsangebot das Teilen wichtiger sei als individuelle Leistung.
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Strenge Eltern als Ausdruck von Fürsorge
Laut "ZEIT Online" bewerten Kinder in Jordanien und Kenia strenge Eltern als besonders warmherzig, weil Regeln damit gleichgesetzt werden, dass die Eltern sich kümmern. In Schweden oder den USA wird Strenge dagegen oft mit Distanz verbunden. Lansford vermutet, dass in risikoreicheren Umfeldern elterliche Kontrolle als Schutzmaßnahme verstanden wird. Strenge Eltern werden dort oft fürsorglicher wahrgenommen.
Auch die Art, wie Eltern Liebe zeigen, variiert. Während in den USA und Deutschland körperliche Zuneigung und verbale Liebesbekundungen üblich sind, drückt sich Liebe in anderen Kulturen eher durch Handlungen aus. Ein Beispiel aus Indien: Eine Mutter schält eine Orange für ihr Kind - ein stilles Zeichen der Zuneigung.
Körperkontakt und frühkindliche Entwicklung
Lansford stellt fest, dass Kinder in manchen Kulturen deutlich mehr Körperkontakt mit ihren Eltern haben. In Jäger- und Sammlergesellschaften werden Babys fast ständig getragen - oft aus Sicherheitsgründen. Auch in westlichen Ländern wird diese Praxis zunehmend übernommen, weil sie Babys beruhigt.
Unterschiede zeigen sich auch beim Spielen. Japanische Eltern legen Wert auf Blickkontakt und Mimik, während Eltern in den USA häufiger auf Gegenstände zeigen und die Umwelt erklären. Lansford sieht darin verschiedene Strategien zur Förderung sozialer und kognitiver Fähigkeiten.
Der Einfluss kultureller Werte auf die Erziehung
Kinderrechte werden in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark betont. "ZEIT Online" zufolge hat Schweden 1979 als erstes Land körperliche Gewalt in der Erziehung verboten. Heute haben 67 Länder ähnliche Gesetze. In Kenia wurde 2010 ein solches Gesetz eingeführt, obwohl es dort zunächst wenig gesellschaftliche Akzeptanz fand. Nach Lansfords Forschung erfordert der Wandel in solchen Gesellschaften gezielte Aufklärung.
In Indien setzt man statt auf Kinderrechte auf elterliche Verantwortung. Das Ziel ist dasselbe - Eltern sollen ihre Kinder nicht schlagen -, doch die Argumentation dafür muss kulturell angepasst werden.
Familiäre Pflichten und Sozialverhalten
Kinder in afrikanischen oder asiatischen Familien übernehmen oft größere Aufgaben im Haushalt als in westlich geprägten Haushalten. In vielen asiatischen Kulturen ist es selbstverständlich, dass Kinder jüngere Geschwister betreuen. Laut Lansford lernen sie dabei früh, zu helfen und Verantwortung zu übernehmen.
Das Fehlen solcher Aufgaben in westlichen Familien bedeutet laut der Psychologin jedoch nicht, dass Kinder kein prosoziales Verhalten entwickeln. Eltern müssen es dort nur bewusster fördern - etwa durch gemeinsames Engagement oder soziale Aktivitäten.
Unterschiede in der Pubertät
Jugendliche weltweit streben nach Unabhängigkeit, doch das Ausmaß variiert. In westlichen Ländern haben Jugendliche oft mehr Freiheiten und äußern häufiger ihren Widerspruch. In vielen asiatischen und afrikanischen Gesellschaften setzen Eltern dagegen länger strikte Regeln, was von Jugendlichen auch eher akzeptiert wird.
Die Akzeptanz elterlicher Autorität hängt oft von der wahrgenommenen Gefährdung ab. Bei moralischen Regeln ist der Gehorsam höher, während persönliche Entscheidungen - etwa Kleidung oder Musikgeschmack - überall auf der Welt eher individuell getroffen werden.
Eltern überschätzen Risiken
Lansford beobachtet, dass westliche Eltern ihr Kind heute stärker überwachen, obwohl es weniger reale Gefahren gibt. Gleichzeitig sei das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl für Kinder gesunken - früher habe man sich mehr auf die Gemeinschaft verlassen, so die Expertin. In Japan sind Kinder beispielsweise früh eigenständig unterwegs, weil die soziale Kontrolle dort stärker ausgeprägt ist.
Gewaltfreie Erziehung als Fortschritt
Trotz kultureller Unterschiede hebt Lansford positive Entwicklungen hervor: Rund um die Welt erziehen viele Eltern heute gewaltfrei und pflegen eine enge Bindung zu ihren Kindern. Sie fördern Toleranz und soziales Verhalten - damit aus Kindern starke und selbstbewusste Erwachsene werden.