Wasserstoff - Revolution oder Illusion? - Di. 08.04. - ARTE: 22.50 Uhr

Im Glauben an die grüne Zukunft

04.04.2025 von SWYRL/Hans Czerny

Ist Wasserstoff die Energie der Zukunft? Wasserstoff ist sauber, kann über weite Strecken transportiert werden und lässt sich zuverlässig lagern. Doch zur Herstellung (Elektrolyse) braucht es ungeheure Mengen an Strom und viel Technologie.

"Wasserstoff ist der neue Ketchup", sagt einer der vielen Fachleute, die in dieser ausgreifenden Bestandsaufnahme das Zaubermittel Wasserstoff schmackhaft machen wollen und zugleich vor den damit verbundenen Herausforderungen warnen. Es wird dauern, und die benötigten Mengen an grüner Energie werden riesig sein, das macht der Film "Wasserstoff - Revolution oder Illusion?" von Andreas Pichler (RBB, 2024) durchaus klar.

Nicht nur, weil sehr viel erneuerbarer Strom für die Elektrolyse, die Gewinnung des Wasserstoffs aus Wasser, gebraucht werden wird. Auch die Technologie ist längst nicht perfekt. Noch spielt der Wasserstoff flächendeckend hierzulande kaum eine Rolle. Und doch glauben große Reedereien oder Stahlwerke bereits fest an die neue Energie. Quer durch Deutschland und von Norwegen bis Afrika geht die Reise des Films, der eine nur schwer zu beantwortende Frage stellt: Lohnt sich die Investition in die Herstellung von Wasserstoff als Energiequelle von morgen?

Zwar fahren sie in der französischen Vendée schon eifrig mit ein paar wasserstoffgetriebenen Bussen und Müllfahrzeugen herum. Doch der Weg zur Industrietauglichkeit ist weit, und wenn wir recht verstehen, ist am Ende sogar Verzicht angesagt. Nicht die Klimawende ist es allein, die es zu bewältigen gilt, sagt Robert Habeck zu Duisburger Stahlarbeitern im Film, es gelte Wohlstand zu sichern, das kann teuer sein. Ähnlich eckig, gewissermaßen in Serpentinen, kommt die Doku insgesamt daher. Mal bricht sie für den Wasserstoff eine Lanze, mal wird vor zu viel voreiligem Optimismus gewarnt. Es ist eine Mammutaufgabe, die da vor uns steht, so viel klar. Aber eben auch: Sie muss sein.

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Geschäftsmodelle der letzten 200 Jahre haben ausgedient

Vor lauter Industrieanlagen, Röhren und Raffinerien schwirrt einem irgendwann der Kopf, auch vor den Zahlen, den Terawatt-Tonnen, die bis 2030 oder 2040 benötigt werden. So richtig zuversichtlich sind erst mal die Ingenieure, die ihr neues Betätigungsfeld begrüßen, wir anderen sind da auf Treu und Glauben angewiesen. Das einträgliche Geschäft ist noch weit, alles ist "sehr teuer" und muss obendrein "mit sehr aktiver Politik" angetrieben werden. Neue Werke, neue Öfen müssen her, alle bisherigen Verfahren werden umgedreht. Die Geschäftsmodelle der letzten 200 Jahre haben ausgedient, heißt es. Es wird viel (wohlgemerkt) grüner Strom benötigt. Eine Containerfirma braucht so viel wie die gesamte Stadt Hamburg im ganzen Jahr.

Benötigt werden für Industrie- und Transportzwecke Solar- oder Windkraftanlagen bis zum Horizont - ein Nachteil für Deutschland gegenüber den Nachbarn, die mehr Fläche haben, erst recht gegenüber heißen Ländern wie Afrika. Dort haben sie die Stahlgewinnung schon fest im Blick - wozu Pipelines bauen und in die Ferne schweifen, wenn man einst selbst tätig werden kann? Aber auch der Bergwerksingenieur in der Lausitz träumt schon mal von der neuen Wasserstoffenergie, spricht von der Wasserstoffgewinnung und vom letzten Kraftwerk, das 2030 eingerissen wird.

In Norwegen dagegen regt sich angesichts neuer Windparks Widerstand: "Unsere ganze Natur geht kaputt für den Strom nach Deutschland", sagt eine Umweltaktivistin. Dass die Rentierherden an ihren gewohnten Wegen gehindert werden, findet sie "traurig". Dagegen nehmen sich die dürren Pflänzchen in den "roten", weil eisenerzhaltigen Dünen der namibischen Wüste schon wieder rührend aus. Hier scheint für die Wasserstoffgewinnung und die damit einhergehende Industrialisierung bald eine neue Heimat gefunden zu sein. Der Stahl wird dann vor Ort hergestellt, und sie werden dann "die Welt verändern", wie ein verantwortlicher namibischer Politiker sagt.

Es ist das Ende eines nicht leicht zu konsumierenden Films über komplexe Dinge. Er macht klar, wie sehr sich in den kommenden Jahrzehnten die Welt verändern muss, wenn man die sie - paradox genug - so erhalten will, wie sie ist.

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