14.04.2025 von SWYRL/Matthias Deuring
"Troubled Teen Industry": Das sind private Internate und Programme, die an der Umerziehung vermeintlich schwieriger Teenager in den USA noch immer Milliarden verdienen. Dabei gab es bereits Todesopfer. Ab 14. April in der ZDFmediathek will der Film "USA extrem: Höllencamps für Teenager" vom Kampf der "Überlebenden" erzählen.
Der Lichtkegel einer Taschenlampe streift die Wände einer früheren Academy im Bundesstaat New York. An den Wänden steht: "Wurde von männlichen Mitarbeitern gefesselt" oder "Räuber der Kindheit". Ehemalige Schülerinnen und Schüler haben das dort hingesprüht. 2009 wurde das Internat geschlossen, doch es gibt noch viele weitere derartige Einrichtungen, überall in den USA, wie die Doku "USA extrem: Höllencamps für Teenager" zeigt. Sie ist ab Montag, 14. April, in der ZDFmediathek abrufbar und dokumentiert die Geschichte der sogenannten "Troubled Teen Industry" und den Kampf der Überlebenden gegen sie.
In der Doku von Filmemacherin Réjane Varrod ist auch von Reality-TV-Star und Hotelerbin Paris Hilton die Rede. Auch sie, so wird es hier erzählt, wurde als Jugendliche in einem privaten Internat misshandelt, der Provo Canyon School in Utah. In ihrer 2020 erschienenen Autobiografie ging sie damit erstmals an die Öffentlichkeit. Für eine Demonstration mit der NGO Unsilenced stellt sie sich in einen Nachbau einer nur einen Quadratmeter großen Isolierzelle, in der sie eigenen Angaben nach mehrere Nächte verbringen musste.
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Eltern schicken ihre Kinder mit "therapeutischem Kidnapping" ins Internat
Auch Katie McNamara, Aktivistin der NGO Unsilenced, landete als Teenager in der Provo Canyon School. Ihre überforderten Eltern ließen sich auf das Angebot des Internats ein, sedierten ihre Tochter auf Anweisung und willigten in ein "therapeutisches Kidnapping" ein, erinnert sich McNamara im Film. Fremde verschleppten sie daraufhin ins Internat. Nach eigenen Recherchen sei sie damit kein Einzelfall
Trotz solcher Vorfälle ist die Provo Canyon School noch in Betrieb, wie auch tausende weiterer solcher Einrichtungen in den USA. Eine von ihnen ist die White River Academy in Delta, Utah, ein selbsternanntes therapeutisches Internat. Ein Kamerateam um Dokumentarfilmer Réjane Varrod durfte dort drehen und konnte mit den Jugendlichen, in White River genannt "Klienten", und dem Leitungspersonal sprechen.
Das private Internat ist bei hoher Auslastung ein lukratives Unternehmen, verrät Schulleiter Justin Nielsen. Trotz der vermehrt schlechten Presse über die "Troubled Teen Industry" brummt das Geschäft allem Anschein nach. Rein ökonomisch betrachtet könne Nielsen von einem "guten Jahr" sprechen. 400 Dollar pro Schüler und Tag verlangt man hier für die "Therapie". Viele Eltern sind dennoch bereit, das zum Wohl ihrer vermeintlich schwierigen Kinder zu bezahlen.
Schulleiter schwört auf militärischen Drill
Schwierig, das bedeutet in der White River Academy nach Aussagen des Schulleiters alles - von Pornosucht bis Bipolarität. Militärischer Drill soll da teilweise Abhilfe leisten. Schulleiter Nielsen tritt auch vor der Kamera entsprechend in Camouflage auf. Jedem Neuankömmling werden hier die Haare abrasiert. Das ist Pflicht. Vor der Toilette hängt eine Liste, in die sich die Jugendlichen eintragen müssen. "Nummer 1 ist eine Minute, Nummer 2 zwei Minuten", sagt Nielsen und erläutert: "Dann sind sie nicht so lange unbeaufsichtigt. Wir sind ja in der Dusche oder in der Toilette nicht dabei."
Die Teenager werden hier rund um die Uhr überwacht, wie die "Klienten" im Film selbst bestätigen. Überall hängen Kameras und Sicherheitspersonal verfolgt die Jungs auf Schritt und Tritt. Sollten sie aufmüpfig werden oder flüchten wollen, werden sie vom Personal zwangsfixiert, heißt es. An anderen derartigen Internaten hatten Recherchen gezeigt, dass teils auch Mitschüler die Fixierungen vornehmen. An der Lakeside Academy im Bundesstaat Michigan führte eine Zwangsfixierung zuletzt 2020 zum Tod eines Schülers. Die Einrichtung wurde kurz darauf geschlossen.
Doch tausende weitere bleiben bestehen. Der Kampf der Überlebenden geht also vorerst weiter. Der Film "USA extrem: Höllencamps für Teenager" ist damit hochaktuell und gewährt Einblicke in den lange unbeachteten industriell betriebenen Kindesmissbrauch in den USA. Ab 14. April ist die 45-minütige Dokumentation in der ZDFmediathek verfügbar und am 22. April, 18 Uhr, bei ZDFinfo auch linear zu sehen.