Mit Fakten gegen Putins Propaganda - Di. 02.07. - ARTE: 22.40 Uhr

Aufklärung aus dem Exil: Wie Journalisten Putins Regime standhalten

30.06.2024 von SWYRL/Maximilian Haase

Während das Regime ihres Heimatlandes Krieg gegen die Ukraine führt, setzen russische Journalisten bei einem TV-Sender im Berliner Exil auf die Wahrheit. Sie stellen sich mit "Mit Fakten gegen Putins Propaganda" - so jedenfalls der Titel der Doku, die nun bei ARTE erstausgestrahlt wird.

Seit nunmehr zweieinhalb Jahren führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Ein Ende des Blutvergießens scheint nicht in Sicht, während Moskaus Propaganda unermüdlich Putins Narrative bedient. Wer als russischer Journalist in der Berichterstattung aus der Reihe tanzt, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Doch es gibt sie noch, die russischsprachigen Medien, die unabhängig über den Krieg berichten und den Kreml-Erzählungen das Bemühen um die Wahrheit entgegensetzen. So wie auch jene ukrainischen Medien, die trotz Vertreibung und Todesgefahr von der Kriegsfront berichten. Eine Dokumentation widmet sich nun bei ARTE diesen verbliebenen Sendern, Journalisten und Investigativreportern, die sich "Mit Fakten gegen Putins Propaganda" stellen, so auch der Titel des anderthalbstündigen Films von Regisseur Dominik Wessely.

Die vom Bayerischen Rundfunk koproduzierte Doku begleitet zwei Redaktionen bei ihrer gefährlichen Arbeit, die zwischen andauernder Bedrohung und brutalem Frontgeschehen stattfindet: Während der Sender OstWest TV aus dem Exil in Berlin Kreml-Propaganda analysiert und damit russischsprachige Zuschauerinnen und Zuschauer erreichen will, berichtet das ukrainische Investigativteam "Schemes" von Radio Free Europa direkt aus dem Kriegsgebiet ihres Heimatlandes. Dem hiesigen Publikum dürfte es imponieren, wie viel die porträtierten Journalistinnen und Journalisten aufs Spiel setzen - sei es beim regelmäßigen Raketenbeschuss oder bei riskanten Recherchen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen. Diese Frauen und Männer sind es, die Orientierung im "Meer aus Meinungen, Narrativen und Propaganda" bieten wollen, wie es im Film heißt.

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"Ich habe in Moskau nichts mehr zu tun"

"Unsere Hauptaufgabe besteht darin, der russischen Propaganda entgegenzuwirken", erklärt Anton Trigub, Journalist bei OstWest TV und einer der Hauptprotagonisten der eindrucksvollen Dokumentation. Sein Heimatland konnte er unter glücklichen Umständen kurz vor der russischen Invasion verlassen, wie er berichtet. Zurück ziehe ihn nichts mehr, zu groß sei auch die Gefahr: "Ich habe in Moskau nichts mehr zu tun." Bei einem der wenigen unabhängigen russischen Sender, die es noch gibt, klärt er unermüdlich über die Desinformationen des Kremls auf.

Dazu zählt auch jenes Narrativ, dass nicht nur in der Ukraine, sondern auch in den baltischen Ländern Nazis das Sagen hätten - und diese dort angeblich die russische Minderheit zu "Untermenschen" erklären würden. Andere als nationalsozialistisch darzustellen, das sei "Dreh- und Angelpunkt" der russischen Propaganda, erklärt Trigub, der sich eingehend mit den Ursprüngen dieser Erzählung befasst hat. Dafür recherchiert er unter anderem in Litauen, wo er die einzige Landverbindung zwischen den baltischen und den restlichen NATO-Staaten besucht und mit den Menschen vor Ort spricht. Hier, so berfürchtet es mancher, könnte Russland im Konfliktfall zuerst angreifen, um eine Verbindung zur Enklave Kaliningrad herzustellen.

"Wir müssen kämpfen"

Hautnah erlebt den Krieg bereits seit zwei Jahren die Investigativredaktion von "Schemes", der ukrainischen Abteilung von Radio Free Europe/Radio Liberty. Im Gegensatz zu den Korrespondenten, die ins Kriegsgebiet reisen, sei dieses Kriegsgebiet ihr Zuhause, fasst es eine Mitarbeiterin zusammen. Infolge der russischen Invasion wurde das Team nach Lviv in der Westukraine evakuiert, wo die Journalisten aus einem provisorisch eingerichteten Büro vom Angriff auf ihr Land berichteten. Der Film begleitet die geschockten Reporter, die trotz eigener Betroffenheit professionell bleiben müssen. Auch dann, als sie nach zwei Monaten in die Hauptstadt Kiew zurückkehren können und mehr und mehr Details über die russische Besatzung erfahren. Butscha, Irpin und viele Orte mehr: Während die Welt über die russischen Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung schockiert ist, recherchiert Journalist Dmytro Dzhulay im viel unbekannteren Dorf Zdvyzhivka, in dem es zu nicht minder schockierenden Ereignissen gekommen sein soll.

Ebenfalls bei Radio Free Europa arbeitet der Journalist Kyrylo Ovsyaniy, seines Zeichens Experte für Open Source Intelligence, Was das bedeutet, illustriert die ARTE-Doku eindrücklich: Auf Basis von Satellitenbildern und öffentlich verfügbaren Datenbanken dekonstruiert er die russische Propagandaerzählung, wonach die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lvova-Belova ukrainische Kinder nach Russland "evakuiert" und "gerettet" habe. Die Folge: Der internationale Strafgerichtshof stellte Anzeige gegen Lvova-Belova. Mutiger Journalismus, so die Lehre, kann bisweilen wirklich einen Unterschied in der realen Welt bedeuten.

Wie viel Mut es tatsächlich braucht, zeigt eine bezeichnende Szene der Doku; Als die Kamera gerade OstWest-Journalist Anton Trigub auf der Münchner Sicherheitskonferenz begleitet, ereilt ihn die Nachricht vom Tod Alexej Nawalnys aus heiterem Himmel. Einst, so erzählt er, habe er selbst mit dem bekannten Regimekritiker zusammengearbeitet. Was würde Nawalny jetzt sagen, fragt ein junger Journalist an einer anderen Stelle des Films. "Warum seid ihr so traurig?", gibt er sich selbst Antwort - "wir müssen kämpfen."

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