04.03.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Ein ungewöhnliches Experiment wagt die derzeitige Mainzer Stadtschreiberin Julia Schoch. Im sehr persönlichen Interview-Film "Bitte um Rückruf - Interview mit einer Schriftstellerin Es spielt: Jörg Hartmann" lässt sie den Dortmunder "Tatort"-Kommissar ihre Rolle einnehmen und ihre Antworten spielen.
Man stelle sich vor, die intimsten Details und Motive des eigenen Lebens in einem Interview preiszugeben. Ein Interview, das gefilmt und im Fernsehen gesendet wird. Nur, dass man nicht selbst in diesem Interview Auskunft gibt, sondern einen renommierten Schauspieler die eigenen O-Töne sprechen und spielen lässt. Im halbstündigen Interviewfilm "Bitte um Rückruf - Interview mit einer Schriftstellerin Es spielt: Jörg Hartmann" geht die derzeitige Mainzer Stadtschreiberin, die für ihr Werk vielfach ausgezeichnete Julia Schoch ("Das Liebespaar des Jahrhunderts"), einen ungewöhnlichen Weg, um von sich zu erzählen. Die "FAZ" bezeichnete die 50-Jährige als "Virtuosin des Erinnerungserzählens", weil die in der DDR geborene Autorin furios Autobiografisches mit Zeitgeschichte mischt und dabei immer wieder komplex über die menschliche Psyche nachdenkt.
Gerade das Spiel mit Identitäten ist ein wichtiges Thema Schochs. Da passt es, dass nicht sie selbst zum Interview über ihr Leben antritt, sondern dass ihre Worte von einem Fachmann der Charakter-Interpretation - zumal einem Mann - gespielt werden. Im Film sitzt eine Schriftstellerin vor der Kamera und gibt Auskunft. Über das Schreiben, ihre Bücher, ihre Herkunft, ihre Schlaflosigkeit. "Da war diese Idee eines Stellvertreters", erklärt Schoch die Idee ihres Films. "Ich wollte mich durch jemanden ersetzen lassen, der das Spiel besser beherrscht. Der es besser kann - ein Interview geben, vor der Kamera posieren, kurz, der unterhaltsamer und anziehender ist als ich."
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
Dreifach-Experiment für Schriftstellerin, Schauspieler und Publikum
Dabei ist der Tausch Julia Schoch gegen "Tatort"-Star Jörg Hartmann mehr als Versteckspiel oder Gimmick. "In einem Fernsehinterview Auskunft über mich als Künstlerin zu geben, ist nicht leicht", erklärt die Stadtschreiberin ihren Ansatz. "Man öffnet sich, gibt etwas von sich preis, gleichzeitig trägt man eine Maske. Ein öffentlicher Auftritt bedeutet immer: eine Rolle zu spielen." So bleibt der Interviewfilm für alle ein spannendes Experiment.
Für Schoch stellt sich die Frage: Interpretiert Hartmann ihr Innenleben so, wie sie es selbst fühlt? Für den Schauspieler wird es interessant, weil er wohl noch nie so dicht an einem Feedback dran war, ob er Charakter und Ton eines Rollenvorbilds trifft, wie hier. Und für die Zuschauer? Dürfte es spannend zu sehen sein, ob das in einen Schauspieler transportierte Interview am Ende weniger authentisch oder vielleicht sogar wahrhaftiger rüberkommt als ein echtes Gespräch.