18.04.2025 von SWYRL/Eric Leimann
In der spannenden Miniserie "Mord auf dem Inka-Pfad" (Mittwoch, 30. April, das Erste) spielt Nina Gummich die Ermittlerin im denkwürdigen Mordfall Glück-Tesler von 1997. Hat der israelische Ehemann einer Deutschen seine Frau während eines Anden-Aufstiegs nachts im Zelt erschossen?
An Nina Gummich führt im deutschen Fernsehen derzeit kein Weg vorbei. Zu stark sind die Auftritte der mittlerweile 34-Jährigen, deren Mutter Anne-Kathrin Gummich ("Mord auf dem Rennsteig") Schauspiel-Professorin und ebenfalls regelmäßig im TV zu sehen ist. Spätestens seit dem Zweiteiler "Alice" weiß man, dass Nina Gummich Filme mit ihrer Präsenz auf beeindruckende Art prägen kann. Für ihre Leistung im Biopic über die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer erhielt Gummich eine Nominierung für den Grimme-Preis. Ganz anders ist nun ihre Rolle in der vierteiligen True Crime-Miniserie "Mord auf dem Inka-Pfad" (Mittwoch, 30. April, das Erste, oder bereits ab 19. April in der ARD Mediathek). Sie spielt die Ermittlerin in einem der kompliziertesten, faszinierendsten Kriminalfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte: dem Mord an Ursula Glück-Tesler.
teleschau: Kannten Sie den Mordfall Ursula Glück-Tesler, der die Vorlage der Serie "Mord auf dem Inka-Pfad" ist?
Nina Gummich: Nein, 1997 war ich einfach noch zu jung dafür. Als ich das Angebot bekam, die Ermittlerin zu spielen, wollte ich eigentlich eine Pause machen, denn ich hatte gerade "Alice" gedreht. Aber Fälle, die tatsächlich passiert sind, haben schon eine besondere Anziehungskraft. Vor allem diese Geschichte. Außerdem wurde in Kapstadt gedreht - mitten im deutschen Winter. Auch dies war ein Anreiz (lacht).
teleschau: Sind Sie selbst True Crime-Fan?
Nina Gummich: Ich bin ein Fan akribischer Arbeit. Ich habe zum Beispiel regelmäßig den Michael Tsokos-Podcast gehört, der ja Leiter der Charité- Rechtsmedizin war. Manche Leute finden so was unangenehm, aber ich kann das tatsächlich zum Einschlafen hören. Es ist schon interessant: True Crime schildert zum Teil das Schlimmste, was Menschen zu tun in der Lage sind. Und andere Menschen schalten dabei ab.
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"Es existieren Ungereimtheiten in diesem Fall"
teleschau: Was ist besonders am Mordfall Glück-Tesler?
Nina Gummich: Oh, da gibt es einiges. Zum einen ist es die Größe des Falls im Sinne des sehr internationalen Aufwands der Untersuchung. Am interessantesten ist jedoch, dass viele Experten mittlerweile sagen: Der Ehemann hätte gar nicht verurteilt werden dürfen. Weil der Indizienprozess letztendlich keinen eindeutigen Beweis lieferte - auch wenn der Ehemann als Täter sehr, sehr wahrscheinlich ist. Zum Beispiel wurde die Tatwaffe nie gefunden.
teleschau: Gibt es denn Ihre Figur, die Kommissarin, wirklich?
Nina Gummich: Ja, es gibt diese Frau. Sie wollte allerdings lieber im Hintergrund bleiben, weshalb ich persönlich auch nicht mit ihr gesprochen habe. Auch sie hat eine besondere Geschichte. Nach diesem Fall wurde sie versetzt und hat in einem völlig anderen Bereich gearbeitet. Dafür waren die Geschwister von Ursula Glück am Filmset und auch der deutsche Anwalt von Herrn Tesler.
teleschau: Argumentiert er denn immer noch für seinen Mandanten?
Nina Gummich: Wir wissen ja, dass in unserem Rechtssystem der Anwalt keine Meinung haben muss. Er hat eine Aufgabe in diesem System, nämlich den Mandanten zu verteidigen und Indizien für seine Unschuld zu finden. Von diesen Indizien gibt es auch ein paar, was man erfährt, wenn man sich mit dem Anwalt unterhält. Es existieren Ungereimtheiten in diesem Fall, auch was die Zusammenarbeit mit den peruanischen Behörden betrifft. So ist beispielsweise die Patronenhülse, die am Tatort gefunden wurde, später bei der Polizei verschwunden. Und das Zelt, in dem Ursula Glück erschossen wurde und in dem es Blutspuren gab, sollte verbrannt werden. Beides ist nicht unbedingt normal.
"Man kann es gruselig nennen ..."
teleschau: Tesler wurde 2009 von Deutschland in ein Gefängnis nach Israel überstellt. Sitzt er immer noch ein?
Nina Gummich: Er soll demnächst frei kommen. Und er hat vor kurzem gestanden. Allerdings weiß man nicht so genau, ob er es nur deshalb gemacht hat, weil er dadurch ein bisschen früher aus der Haft entlassen wird.
teleschau: Der mutmaßliche Täter war jung, gutaussehend, und die Beziehung der Eheleute wird als durchaus leidenschaftlich beschrieben. Macht das seine Tat, die wohl akribisch geplant war, besonders gruselig?
Nina Gummich: Man kann es gruselig nennen, ich sehe vor allem eine sehr tragische Beziehungstat. Ein Mann tötet seine Frau, die etwas älter war als er und beruflich im Gegensatz zu ihm sehr erfolgreich. Er war finanziell abhängig von ihr. Sie wollte geliebt werden. Es geht in dieser Beziehung nach meinem Verständnis um Macht, die der Täter umkehren wollte, indem er die Frau "klein" macht. In letzter Konsequenz bedeutete das für ihn: sie zu töten.
teleschau: Ist Jona Kepler, wie der Täter in Ihrer Filmversion heißt, ein narzisstischer Täter?
Nina Gummich: Auf jeden Fall. Es heißt ja auch an einer Stelle des Films: "Er wird dir das Geständnis nicht geben, denn dann interessierst du dich nicht mehr für ihn." Ich denke, das große Interesse und das Bemühen meiner Figur, den Täter zum Geständnis zu bewegen, befeuert auf jeden Fall das narzisstische Bedürfnis dieser Figur. Er ist jemand, der von der Energie anderer Leute lebt. Er kann also eigentlich gar nicht gestehen - oder doch?
"Autos für 150.000 Euro, und neben dem Parkplatz liegt ein Obdachloser im Hauseingang"
teleschau: Neulich lief die True Crime-Miniserie "Spuren" sehr erfolgreich im Ersten. Nun kommt dieser Fall. Bei beiden wurde ein enormer Aufwand betrieben, um einen Mörder zu finden ...
Nina Gummich: Über diesen Aspekt habe ich während der Dreharbeiten auch nachgedacht. Wie viel Geld und Mühe in die Aufklärung eines Mordes gesteckt wird, der Gerechtigkeit wegen, die an anderen Stellen weit weniger ambitioniert vom Staat gesucht wird. Solche Fragen haben mich schon früher als Schülerin im Ethik-Unterricht interessiert. Nach dem Motto: "Welchen Bus sollte man retten, jenen mit den Alten oder den Jungen, den Lehrern oder sonst irgendwem?" Letztendlich bleibt diese Frage aber philosophischer und theoretischer Natur ...
teleschau: Wo sehen Sie die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft?
Nina Gummich: Dazu muss man nur durch die Innenstädte laufen. Ich lebe gerade in Hamburg, Wenn ich um den Jungfernstieg herum spazieren gehen, sehe ich unermesslichen Reichtum: Autos für 150.000 Euro, und neben dem Parkplatz liegt ein Obdachloser im Hauseingang. Die offensichtlich ungerechte Verteilung von Armut und Reichtum sticht einem immer mehr ins Auge, auch bei uns in Deutschland.
"Die Mutterschaft ist bereichernd für meinen Beruf als Schauspielerin"
teleschau: Liegt im engagierten Versuch der Ermittler, Gerechtigkeit herzustellen, auch das Geheimnis des Erfolges von Krimis und insbesondere des True Crime-Genres?
Nina Gummich: Das kann ich mir gut vorstellen. Wir alle wissen wahrscheinlich, wie schlimm es sich anfühlt, wenn man ungerecht behandelt wird. Wenn man selbst Schaden nimmt und der Täter ungestraft davonkommt. Ich glaube, gerade wenn es emotional wird - und Gerechtigkeit ist für uns immer emotional -, wollen wir, dass Menschen bestraft werden, die uns oder anderen Unschuldigen etwas Böses getan haben. Man sollte auch das Rachegefühl, das wir Menschen entwickeln können, nicht unterschätzen. In diesen Gefühlen steckt auch ein Erfolgsgeheimnis von Stoffen nach echten Kriminalfällen, so wie "Mord auf dem Inka-Pfad".
teleschau: Wie geht es bei Ihnen beruflich und privat weiter? Sie sind ja im letzten Herbst erstmals Mutter geworden ...
Nina Gummich: Aus der "Theresa Wolff"-Reihe, dem Thüringen-Krimi, bin ich ausgestiegen. Da kommt ein letzter Film im Herbst. Ich möchte einfach immer wieder neue Dinge probieren und die beiden Filme pro Jahr haben bei mir viel Zeit eingenommen. Das Muttersein genieße ich sehr. Die Mutterschaft ist bereichernd für meinen Beruf als Schauspielerin, weil man ab der Schwangerschaft und Geburt so viele neue gewaltige Erfahrungen macht, die kein Schauspieltraining und keine noch so gute Fortbildung ersetzen könnten.