22.03.2025 von SWYRL/Jasmin Herzog
Frankreichs Superstar Fanny Ardant begibt sich in der zauberhaften Literaturverfilmung von 2013 als Zahnärztin Caroline in den Frühruhestand. Auf der Suche nach neuen Beschäftigungen trifft sie auf einen 20 Jahre jüngeren Mann und stürzt sich in eine leidenschaftliche Affäre mit Haltbarkeitsdatum.
Ältere Menschen, die sich größte Mühe geben, gemeinsam Spaß zu haben, um ihrem Leben im letzten Drittel wenigstens noch ein bisschen mehr Sinn abzuverlangen - die ersten Schritte im Seniorenklub mit dem wegweisenden Namen "Die schönen Tage" beeindrucken Caroline (Fanny Ardant) nur mäßig: So malen sich ihre beiden Töchter, die ihr per Schnupperabo diese merkwürdige Welt schmackhaft machen wollen, also ihr künftiges Leben aus. Einem inneren Impuls nachgebend, hat die erfolgreiche Zahnärztin kurzentschlossen die gemeinsam mit Mann Philippe (Patrick Chesnais) geführte Praxis aufgegeben. Sie hatte mit ihren 60 Jahren genug vom Job, während er noch weiter arbeiten wollte. Statt Wurzelbehandlungen also Töpfern oder gar Auftritte in der Laienspielgruppe des Klubs? Die Regisseurin Marion Vernoux durfte sich bei ihrem Film "Die schönen Tage" (2013) auf ihre glänzende Hauptdarstellerin verlassen. Zu sehen ist der gelungene Mix aus Drama und Komödie als Wiederholung bei ARTE nun zur besten Sendezeit.
Nach wenigen Momenten im Schauspielkurs, in dem alle so vertraut miteinander wirken, hat Caroline genug von dem Theater, als sie sich auf Anweisung einer jungen Schauspiellehrerin vor den ihr Fremden mit Lockerungsübungen öffnen soll. Wütend stürmt sie aus Raum und Klub. Doch ein banales Computerproblem führt sie bald noch einmal zurück in die Einrichtung. Aus einem lockeren Plausch mit Computerkurs-Leiter Julien (Laurent Lafitte) entwickelt sich ein alkoholisiertes Date mit dem Wuschelkopf.
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Altbekannte Dreiecksgeschichte mit frischen Ansätzen
Unversehen schlittert Caroline in eine Affäre mit dem 39-jährigen Schürzenjäger, der ihr Sohn sein könnte und ihr doch unverfroren Avancen macht. Bald gibt die elegante Ärztin dem Werben des jungen Frauentypen nach. Sie genießt es, begehrt zu werden, wieder Sex zu haben, mit Julien zu kiffen und verliebt zu turteln. Während sie sich in der unkomplizierten Zweisamkeit mit ihm verliert, bleibt sie doch gleichzeitig eine verheiratete und liebende Ehefrau, die mit beiden Füßen im Leben steht und nicht von einer güldenen Zukunft in den Armen des jungen Liebhabers träumt. Unbedarft beginnt Caroline ein Leben neben dem eigenen. Ein Plan, der scheitern muss.
Regisseurin Marion Vernoux gewinnt dem Thema "ältere Frau trifft jüngeren Mann" eine ganze Menge Frisches ab und spaziert leichtfüßig neben den ausgetretenen Genrepfaden. Sie gewährt ihren Figuren eine Begabung zur Vernunft, die sie jenseits von Lug und (Be-)Trug über die eigenen Positionen in dieser Dreiecksgeschichte sinnieren lassen. Vor allem, wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mit der hinreißenden Fanny Ardant an der französischen Atlantikküste spazieren und beinahe glauben, dieselbe Luft der Freiheit wie die elegante Dame zu atmen. Unweigerlich formuliert man beim Betrachten Gedanken über Beziehungen und das Leben. Warum bleiben Paare zusammen? Wann (müssen) sich Partner trennen? Wie definiere ich Glück?
Die Antworten - und das ist eine der vielen Stärken von "Die schönen Tage" - formuliert Vernoux gleich mit, ohne dogmatisch zu belehren. Wenn Caroline nach dem Sex mit Julien ihre schwarzen Strümpfe über ihre Waden zieht, stellen sich keine Fragen an das Tabu Erotik im Alter. Diskret gestaltet die Französin, die schon Mitte der 90er-Jahre mit "Love, etc." ihr Publikum um den Finger wickelte, die Liebesszenen, die nie anrüchig oder unangebracht wirken. Sie artikuliert ein Recht auf Glück, das keine Rücksicht auf etwas kaum zu bestimmendes wie das gefühlte Alter nimmt.
Noch mehr als die kluge Regie Vernouxs trägt zu diesem bemerkenswerten Werk Hauptdarstellerin Fanny Ardant bei, von der ihre Regisseurin zum Kinostart behauptete, dass die Grande Dame zum ersten Mal Jeans auf der Leinwand trage. Ardant, die für das Who is Who der europäischen Regisseursriege, von Wim Wenders über Michelangelo Antonioni bis François Ozon vor der Kamera stand und mit Frankreichs Regielegende François Truffaut sogar drei Jahre verheiratet war, liefert eine herausragende One-Woman-Show ab. Neben ihr verblassen ihre männlichen Kollegen Lafitte und Chesnais geradezu. Mit kleinsten Regungen in ihrem Gesicht könnte die Ardant einem ebenso glaubhaft die Geschichte der Erde erklären, wie an den Geschmack des allerersten Bonbons erinnern, das einem auf der Zunge zerging. Hinreißend.