07.01.2025 von SWYRL/Rupert Sommer
Neue Western braucht die Welt: In sechs einstündigen Folgen knüpft Drehbuchautor und Serien-Schöpfer Mark L. Smith auch an Stoffe an, die schon das Actiondrama "The Revenant - Der Rückkehrer" (2015), damals mit Leonardo DiCaprio und Tom Hardy, zu einem Kinoerfolg machten.
"Zivilisation und zivilisiert sein hat nichts miteinander zu tun": Es sind wuchtige Worte, die ein wenig nach Kalenderspruch klingen in ihrer desillusionierten Abgeklärtheit, aber genau den Ton treffen, der "American Primeval" zu einem dunklen Klagelied macht. Die neue Netflix-Westernserie, die am 9. Januar weltweit startet und sich über sechs jeweils einstündige Episoden erstreckt, hat tatsächlich etwas "Urzeitliches" und "Archaisches", wie der Titel andeutet. Es geht um einen Grundmythos der USA, auf den nicht nur Schatten fallen, sondern Blut, Dreck, Rocky-Mountain-Schnee und Angstschweiß tropfen. Es ist der Stoff, aus dem zuletzt auch schon epische Formate wie Taylor Sheridans Serie "1883" oder auch Kevin Costners "Horizon"-Saga gemacht waren.
Es ist das Jahr 1857: Der Vorstoß der Pioniere Richtung Westen ist im vollen Gange. Und auch die Brutalität, die bei der Landnahme auf Schritt und Tritt folgt, ist ein ständiger Begleiter. Regisseur Peter Berg setzt ein Handlungsgeflecht in Szene, das vor authentischer historischer Kulisse von Machtstreben, Machertum, eisernem Überlebenswillen, aber auch von Hass, Auflehnung und puren Spott für die Gesetze des Staates oder den Anstand erzählt, den Menschen-liebende Religionen eigentlich voraussetzen sollten.
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Skrupellos töten - aus Angst ums Überleben
Es kommt beim Vorstoß durch die Prärien oder in die einsamen Bergwelten, die alles andere als unbewohnt sind, immer wieder zu blutigen Kämpfen, aber auch zur ultimativen Konfrontation mit dem Bösen in jedem einzelnen Menschen. "Wieso hat dein Volk immer wieder solchen Hunger zu töten", fragt eine indigene Ureinwohnerin. "Angst", lautet die bittere Antwort.
Serienschöpfer Mark L. Smith, der als Drehbuchautor auch hinter dem Erfolg des düsteren Western-Films "The Revenant - Der Rückkehrer" (2015, mit Leonardo DiCaprio und Tom Hardy) steckte, inszeniert eine Art Ausweg - in der Rückführung auf die kleinstmögliche Keimzelle des Besseren: Die Handlung wird getrieben von einer Art Ersatzfamilie, mit einem kleinen Jungen, seiner Mutter, einer starken, mutigen Frau, und einem bärbeißigen Helfer. Der Vater ist, wie das im Western ebenso ist, "irgendwo da draußen". Die Suche kann beginnen. In den Hauptrollen wissen Actionstar Taylor Kitsch und Betty Gilpin ("GLOW") zu überzeugen.
Spätestens seit im Juni 2018 die nicht nur wegen ihres Hauptdarstellers Kevin Costner, selbst ein großer Fan des Western-Genres, vielbeachtete Neo-Western-Serie "Yellowstone" bei Paramount+ auf Sendung ging, erleben die Erzählungen von Pionier- und Abenteuergeist, aber auch von skrupelloser Gier und Gewalt eine unerwartete Renaissance. Plötzlich ist der zuvor als leblos geltende Western wieder Stadtgespräch. Und mit der "Horizon"-Filmsaga setzt Costner sein Bemühen fort, als Western-Erneuerer sein Lebenswerk (zweifacher Oscar-Triumph für "Der mit dem Wolf tanzt") zu krönen.
"American Primeval" kann im Kontext dieses Trends gesehen werden. Immerhin wurde die Produktion der sechsteiligen Miniserie, die Breitwand-Opulenz aufweist, im vergangenen Jahr durch den Darsteller- und Drehbuchautoren-Streik, der erst im Spätherbst 2023 beigelegt wurde, lange aufgehalten.