17.12.2024 von SWYRL/Christopher Diekhaus
Mit "Der König der Löwen" erschien 2019 ein fotorealistisch animiertes Remake des gleichnamigen Zeichentrickklassikers. Nachschub gibt es nun in Form eines Films, der Prequel und Sequel in einem ist. Dieses Mal im Mittelpunkt: Mufasa, der einstige König der Löwen, der im Vorgänger zu Tode kam.
Über 1,6 Milliarden Dollar spielte die Neuverfilmung von Disneys Zeichentrickklassiker "Der König der Löwen" nach ihrem Kinostart im Sommer 2019 ein. Eine stolze Summe, bei der die Studioverantwortlichen wohl nicht lange überlegen mussten, ob sie grünes Licht für eine Fortführung geben sollten. Die Suche des Löwenjungen Simba nach seiner Bestimmung und der Kampf gegen seinen Onkel Scar zogen noch immer, auch wenn seit Veröffentlichung des Originals 25 Jahre verstrichen waren.
Optisch machte das Remake mit seinen fotorealistisch animierten Bildern der afrikanischen Savanne und der dort lebenden Tiere einiges her. Inhaltlich klammerte es sich aber fast sklavisch an den Ursprungsfilm und verpasste es, ein paar frische Akzente zu setzen. Reizvolle Neuerungen hält nun dafür "Mufasa: Der König der Löwen" bereit, eine Mischung aus Fortsetzung und Vorgeschichte.
Einige Zeit nach den Ereignissen des Films von 2019 muss Simba, der aktuelle König der Löwen, seiner erneut schwangeren Partnerin Nala beistehen und gibt ihre gemeinsame Tochter Kiara in die Obhut des Affen Rafiki. Dieser beginnt schließlich aus dem frühen Leben von Kiaras Großvater Mufasa zu erzählen, dem einstigen Throninhaber, der im Vorgänger von seinem Bruder Scar ermordet wurde.
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
Retter in der Not
Als Mufasa noch ein Kind ist, trennt ihn eine Sturzflut von seinen Eltern und treibt ihn in ein unbekanntes Gebiet. Dort rettet ihm der etwa gleichaltrige Taka das Leben und möchte ihn in seine Familie aufnehmen. Takas Vater, der Herrscher über ein Löwenrudel, hat für Fremde jedoch rein gar nichts übrig. Von seiner Gefährtin Eshe lässt er sich lediglich dazu breitschlagen, Mufasa einen Platz bei den Weibchen zu geben.
Aus dem Außenseiter und Prinz Taka werden dennoch Freunde und Brüder, die auch als junge Erwachsene noch jede Gelegenheit zum Herumtollen nutzen. Als eines Tages ein weißer Artgenosse (eine Anspielung auf koloniale Gewalt?) mit seiner Gefolgschaft auftaucht und die Macht an sich reißen will, müssen Mufasa und Taka fliehen. Unterwegs finden sie Verbündete, während ihre Verfolger nicht aufgeben.
Bei Taka handelt es sich - das verrät bereits der offizielle Trailer - um den späteren, bislang nur als Scar bekannten Bösewicht. Sowohl im Zeichentrickoriginal als auch im Remake wurde er als skrupelloser Mörder dargestellt. Der aus dem Independent-Bereich kommende Regisseur Barry Jenkins und Drehbuchautor Jeff Nathanson versuchen, dieses einseitige Bild mit "Mufasa: Der König der Löwen" aufzubrechen, und in dem Zuge erwartet das Publikum manche Überraschung. Bestimmung und familiäre Herkunft, zwei Punkte, die vorher stark miteinander verknüpft waren, werden im neuen Film aufgeweicht.
Sidekicks hängen durch
Besonderes Augenmerk wollen die Macher auf die Beziehung zwischen Mufasa und Taka legen, die sich anfangs prächtig verstehen. Erst ein erzählerisches Stereotyp, nämlich das Interesse beider am Löwenweibchen Sarabi, bringt die Geschwister auseinander. Die Grundideen des Drehbuchs sind interessant. Irgendwie wird man aber das Gefühl nicht los, dass die falsche Figur im Zentrum steht. Mufasas Heldenreise verläuft etwas zu glatt. An Stellen, wo man ihn und sein Handeln hinterfragen könnte, geht es meistens schnell weiter. Spannender, da ambivalenter ist indes die Figur Takas, dessen Wandlung allerdings zu hastig über die Bühne geht. Überhaupt wirkt die letzte halbe Stunde ein wenig hingehuscht. Mehrfach braucht es dramaturgische Krücken, etwa die plötzliche Erinnerung an vorher Gesagtes, um Wendungen zu begründen.
Auch die Rahmenhandlung - Rafiki passt auf Kiara auf und stößt dabei die Rückblenden zum Hauptplot an - will nur bedingt verfangen. Das Erdmännchen Timon und das Warzenschwein Pumbaa, die quirligen Sidekicks aus dem Vorgänger, kommentieren und unterbrechen die Schilderungen des Affen immer wieder auf betont lustige Weise. Leider fehlt es den oft Bezug auf die Erzählmechanismen Hollywoods nehmenden Gags aber an Raffinesse. In "Der König der Löwen" waren ihre Einlagen noch deutlich witziger.
Punkten können Barry Jenkins und seine kreativen Mitstreiter hingegen auf visueller Ebene. "Mufasa: Der König der Löwen" verbindet gekonnt Live-Action-Filmtechniken mit fotorealistischen Bildern aus dem Computer und entführt das Publikum in unterschiedliche atemberaubende Landschaften. Schon früh gibt es packende, dynamische Actionszenen zu bestaunen. Zum Beispiel den Moment, als Mufasa von den Wassermassen erfasst und mitgerissen wird. Solide, aber eher nicht klassikerverdächtig sind die neuen Songs, die Lin-Manuel Miranda für den Film geschrieben hat. In Erinnerung bleibt hier vor allem das Stück "Bye Bye", das der böse weiße Löwe intoniert.
Unter dem Strich steht ein Disney-Musical, das auf der großen Leinwand stellenweise durchaus seine Kraft entfaltet. Die inhaltlichen Schwächen schmälern manchmal aber auch seine emotionale Wirkung. Insgesamt hätte man sich von einem Regisseur wie Barry Jenkins, dem seine intimen Dramen "Moonlight" und "Beale Street" zahlreiche Preise einbrachten, ein etwas eigenwilligeres Werk erhofft. Die Studiomaschinerie zu durchbrechen, scheint selbst ihm schwerzufallen.