"Nosferatu - Der Untote"

Frisches Blut für einen Klassiker

30.12.2024 von SWYRL/Christopher Diekhaus

Friedrich Wilhelm Murnaus Horrorklassiker "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" wird neu aufgelegt. Vor allem Lily-Rose Depp kann sich in diesem stilvollen Remake als von einem Vampir bedrängte junge Frau in den Vordergrund spielen.

Für Horrorfilme ist das deutsche Kino heutzutage nicht gerade bekannt. Ab und an gibt es zwar Versuche, düstere Geschichten zu erzählen. Internationale Strahlkraft erreichen diese Werke jedoch nie. Dass es auch einmal anders war, ist inzwischen fast vergessen. Dabei erschien mit Friedrich Wilhelm Murnaus "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens", einer unautorisierten Adaption von Bram Stokers Roman "Dracula", im Jahr 1922 eines der wohl wirkmächtigsten Leinwandschauerstücke überhaupt. Die Figur des Vampirs erhielt durch Max Schrecks beklemmende Darbietung und sein markantes Äußeres ikonischen Status.

Bis in die Gegenwart hinein berufen sich Filmemacher auf den Einfluss dieses Klassikers. So auch der US-Amerikaner Robert Eggers, der schon nach seinem Debüt "The Witch" (2015) laut über eine Auffrischung von Murnaus Horrormeilenstein nachdachte. Allein die Chance, ein Remake anzugehen, wollte sich erst einmal nicht ergeben. Seine Begeisterung für das deutsche Stummfilmkino lebte er dennoch in seiner zweiten Regiearbeit "Der Leuchtturm" (2019) aus, einem in Schwarz-Weiß gedrehten Zwei-Personen-Drama, in dem sich Robert Pattinson und Willem Dafoe als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Insel in den Wahnsinn treiben.

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Zweites Remake

Nach dem stargespickten Wikinger-Epos "The Northman" von 2022 konnte sich Eggers in seinem vierten Spielfilm endlich den Traum einer "Nosferatu"-Neuinterpretation erfüllen. Ein Vorhaben, das vor ihm bereits der deutsche Regieexzentriker Werner Herzog realisiert hatte. "Nosferatu - Phantom der Nacht" kam Ende der 1970er-Jahre heraus und lebt vor allem von der unheimlichen Präsenz Klaus Kinskis in der Titelrolle.

Eggers' Version hält sich in großen Teilen eng an Murnaus Vorlage, rückt aber die Figur Ellen Hutters stärker ins Zentrum. Nicht von ungefähr beginnt "Nosferatu - Der Untote" mit ihrem Schicksal. In jungen Jahren fühlt sich die von Lily-Rose Depp gespielte Protagonistin einsam und fleht in ihrer Verzweiflung um etwas Geborgenheit. Irgendeine Macht möge ihr beistehen! Die Bitten erhört schließlich ein dämonisches Wesen, mit dem sie fortan in einer quälenden geistigen Verbindung steht.

Den übernatürlichen Stalker scheint sie erst loszuwerden, als sie den Makler Thomas (Nicholas Hoult) heiratet. In der fiktiven deutschen Hafenstadt Wisborg wollen die beiden zusammen glücklich werden. Doch natürlich kommt es anders. Für seinen Chef (Simon McBurney) muss Thomas nach Transsilvanien reisen, um dort einen Hauskauf mit dem mysteriösen Grafen Orlok (unter dickem Make-up nahezu unkenntlich: Bill Skarsgård) abzuwickeln. Dass Ellen ihren Gatten vor seiner Mission intuitiv warnt, hat einen guten Grund: Der Kunde ist niemand anderes als der Vampir, der sie in ihren Träumen und Visionen seit ihrer Jugend verfolgt.

Schaurig-schöne Bilder

In seinem bisherigen Schaffen stand Robert Eggers nicht für knalligen Geisterbahnhorror, wie er in Hollywood seit Jahren produziert wird. Vielmehr zeichnen sich seine Filme durch atmosphärischen Grusel und ein sich schleichend ausbreitendes Gefühl des Unbehagens aus. Deftige Schockeffekte kommen auch bei ihm zum Einsatz, allerdings nur wohl dosiert. Seine Werke leben vor allem von ihren sorgsam komponierten Bildern und einem ausgeklügelten Spiel mit der Tonspur.

Ähnlich ist es auch im Fall von "Nosferatu - Der Untote". Die Handlungszeit des Jahres 1838 wird in den Kostümen und in der Ausstattung akribisch nachgestellt. Ein gräulicher Schleier scheint auf dem Film zu liegen. Manche Nachtszenen sehen fast wie Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus. Oft nutzt der Regisseur lediglich natürliche Lichtquellen, etwa Feuerstellen in der verfallenen Burg des Grafen Orlok, und kreiert so eine - im wahrsten Sinne des Wortes - knisternde Schauerstimmung.

Toxische Beziehung

Die gestelzten Dialoge halten den Zuschauer ein wenig auf Abstand zu den Figuren. Lily-Rose Depp hat trotzdem ausreichend Gelegenheit, Ellens Empfinden, ihre Qualen zu vermitteln. Wilde Verrenkungen meistert sie ebenso wie Momente größter Panik und Augenblicke unbändigen Zorns. Dass ihre Darbietung mitreißt, ist wichtig. Immerhin handelt der Film auch von einem weiblichen Aufbegehren, einem Ausbruch aus einer toxischen Verbindung. Ständig werden Ellens Ängste als Schwermut abgetan. Permanent sind es Männer, die über sie befinden und zu wissen glauben, was gut für sie sei. Kritik an patriarchalen Strukturen lässt Eggers deutlich anklingen.

"Nosferatu - Der Untote" ist audiovisuell kunstvoll gestaltetes Albtraumkino mit einem ganz eigenen, mitunter traumgleichen Rhythmus. Hier und da machen sich aber auch Genreklischees breit. Willem Dafoe gibt mit großer Spielfreude einen Experten in Sachen Übernatürliches. Seine Rolle als Professor Albin Eberhart von Franz bleibt jedoch auf die eher langweilige Funktion des Erklärbären beschränkt. Zudem irritiert es, wie unreflektiert der Regisseur auf Hutters Reise nach Transsilvanien in plumpen Exotismus abgleitet. Lustvoll stellt der Film das Fremde und Eigentümliche an den osteuropäischen Bauern aus, denen Thomas auf dem Weg zu Orlok alias Nosferatu begegnet. Komplett lösen kann sich also auch ein Robert Eggers von den Mechanismen und Mustern des plakativen Mainstream-Grusels nicht.

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