ARD History: Roncalli - Macht der Manege - Sa. 04.01. - ARD: 18.20 Uhr

Mit dem Zirkus der Poesie durch Höhen und Tiefen

20.12.2024 von SWYRL/Wilfried Geldner

1975 gründete Bernhard Paul mit André Heller die "größte Poesie des Universums", einen Zirkus der Fantasie - mit fantastischen Clowns, Seifenblasenkünstlern und Goldmenschen-Akrobaten. "Roncalli - Macht der Manege" blickt auf die Geschichte des Circus Roncalli zurück.

Zirkus, das war gerade in Deutschland bis in die 70-er Jahre hinein eine große Nummer: Tiere, Trapez, Clowns und Pferde, die wohldressiert im Kreis herumliefen. Der junge Wiener Grafiker Bernhard Paul hatte Mitte der 70-er jedoch eine andere Vision von Zirkus. Eine, die vor allem aus seiner Kindheit stammte, aus Poesie, Nostalgie und Traumwelten schöpfte. "Ein kleiner italienischer Wanderzirkus, der aus dem Märchenbuch kommt", den wollte er wieder haben. Wer den Gegensatz zwischen traditionellem Zirkus und Pauls Circus Roncalli verstehen will, sollte nach gut 30 Minuten des Dokumentarfilms "Roncalli - Macht der Manege" (auch als dreiteilige Doku-Serie ab 21. Dezember in der ARD Mediathek) die Ausschnitte einer alten Talkshow betrachten, in der Vertreter und Granden der alten, der "gelernten" Zirkusdirektoren auf den jungen, verschüchtert im TV-Studio sitzenden Bernhard Paul verbal eindreschen. Damals wussten sie noch nicht: Roncalli, der andere Zirkus, würde 2023 in New York Stars wie Robert De Niro begeistern, während viele der großen alten Zirkus-Unternehmen längst verschwunden sind.

Wie es dazu kam, das schildern Christoph Mathieu, Lukas Hoffmann und Simon Tanschek in ihrem 90-minütigen Dokumentarfilm. Für ihn ließen sich Bernhard Paul, heute 77, und sein Familienbetrieb erstmals über einen längeren Zeitraum von der Kamera bei der Arbeit begleiten. Film und Doku-Serie erzählen die Geschichte des Circus Roncalli in Interview-Ausschnitten mit dem Zirkusleiter Bernhard Paul und vielen Backstage-Beobachtungen. Noch einmal wird die Idee eines anderen Zirkus lebendig: mit poetischer Artistik, mit dem Seifenblasenkünstler Pic und - nicht zuletzt - mit Tiernummern, die als Hologramm geboten werden. Große Tierdressuren und technischer Firlefanz, wie in anderen Zirkussen üblich, blieben von Anfang an außen vor. Pferde baute Bernhard Paul später allerdings wieder vorsichtig ein.

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Geschichte einer Männer-Rivalität

"Roncalli - Macht der Manege" ist auch die Geschichte einer Männer-Rivalität: Früh schon kam es mit Bernhard Pauls Partner und Financier André Heller trotz des großen Publikumserfolges nach schwierigen Anfängen zum Zwist. Heller, der Showman und Poet, der für Roncalli Slogans wie "Die größte Poesie des Universums" erfunden hatte und damals in aller Munde war, verließ den Zirkus, Paul stand mit seinen Schulden alleine da, nach dem Nichts fing er in Wien von Neuem an, scheiterte dort und musste sich von etablierten Zirkusleuten beschimpfen lassen. Doch er fand Geldgeber, konnte 1978 in Köln aufs Neue mit der Verwirklichung seines Traums beginnen.

Roncalli ist bis heute mit seinen historischen Zirkuswagen auf zahlreichen Tourneen im In- und Ausland unterwegs und gastierte unter anderem in Moskau und New York. Erfolgreiche Ableger wurden Varietéprogramme, Dinnershows, sowie Crossover-Shows mit Stars aus der Klassik- und Rockmusikbranche. Mit seinem "Nationalzirkus der Fantasie" (André Heller) feiert er noch immer Triumpfe. Erstaunlich offen und raukehlig erzählt er im Film vom damaligen Zerwürfnis mit Heller, von Machtspielen und Eifersucht. Doch Bernhard Paul ist in seinem künstlerischer Anspruch und seinem Knowhow als Regisseur und Impresario längst anerkannt.

In einem früheren Interview sagte der gelernte Wiener Grafikdesigner und Art Director: "Ich hatte tatsächlich mehrere Optionen im Leben. Ich war nur immer so unentschlossen. Irgendwann ist mir aufgegangen: Im Zirkus ist alles drin - von Musik, über Grafik bis zum Zeltbau. Ich hatte mit meinem Werdegang quasi Zirkusdirektor studiert. Und das bin ich dann geworden." Wichtig aber ist vor allem: Die Poesie in seinem Zirkus lebt - anders als einst vorhergesagt - noch immer.

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