25.02.2025 von SWYRL/Doris Neubauer
"Wer wird Deutschland jetzt verändern?", fragte Louis Klamroth am Tag nach der Bundestagswahl viele Wahlverlierer - und Philipp Amthor (CDU). Dessen Wortgefechte mit SPD-Mann Wolfgang Schmidt warfen einen Schatten auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen.
Der Thüringer Ort Dillstädt galt als CDU-Hochburg. Bis zur Bundestagswahl 2025: Fast jeder Zweite der rund 740 Bewohner machte am Sonntag sein Kreuz bei der AfD. Warum gerade in Ostdeutschland die Partei von Spitzenkandidatin Alice Weidel überdurchschnittlich gut abgeschnitten hat, erklärte Liane Bach "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth bei seinem Besuch vor Ort.
"Die Ostdeutschen haben zwei Gesellschaftsformen erlebt, sie spüren Kleinigkeiten", beobachtete die parteilose Bürgermeisterin das "schleichende" Erstarken der AfD. Sie würde der Politik raten, mit der AfD zusammenzuarbeiten, denn "wenn man etwas ignoriert, wird es nur noch schlimmer", plädierte Bach auch in der Talkshow. Die AfD wäre demokratisch gewählt, bekäme Geld von den Steuerzahlern und sollte deshalb in Entscheidungen mit einbezogen werden, so die Bürgermeisterin.
Genau das hatte CDU-Vorsitzender und Wahlgewinner Friedrich Merz noch am Abend der Bundestagswahl ausgeschlossen: Es gebe keinen Raum für eine Kooperation seiner Partei mit der AfD, weder als Koalition noch in Form der Tolerierung einer Minderheitsregierung. Am wahrscheinlichsten scheint derzeit eine Koaltion zwischen SPD und Union. "Wird das echten, neuen Politikwechsel bringen, den sich so viele wünschen?", wollte Louis Klamroth von Wolfgang Schmidt (SPD, Chef des Bundeskanzleramtes), Philipp Amthor (CDU, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Bundesvorstand der Partei), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP, Europaabgeordnete und Mitglied des Parteipräsidiums), Andreas Audretsch (Die Grünen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag und Wahlkampfleiter) und Journalistin Gilda Sahebi wissen.
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Philipp Amthor: "Keine Brandmauer zu den Wählern der AfD, sondern einen Dialog."
"Ich hätte mir mehr Optionen für die Regierungsbildung gewünscht", gab Amthor zu und sprach von einer "begründeten Hoffnung, dass Merz der nächste deutsche Bundeskanzler" würde. Wie Merz lehnt auch Amthor eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Während man mit AfD-Funktionären nicht kooperieren wollte, gäbe es "keine Brandmauer zu den Wählern der AfD, sondern einen Dialog", wandte er sich an die Dillstädter Bürgermeisterin. "Wir wollen zeigen, dass wir verstanden haben und die Probleme lösen wollen."
Wie das gelingen könnte, "dafür gibt es unteschiedliche Konzepte", erklärte SPD-Politiker Schmidt. "Die Zeit der Sprüche ist vorbei, jetzt geht es um Einigung." Er wich damit geschickt Klamroths Frage danach aus, ob Schmidt in der rot-schwarzen Regierung ein Amt übernähme. Eine Antwort zu Personalrochaden blieb auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann schuldig, die nach dem verpassten Einzug in den Bundestag und Rücktritt von FDP-Chef Christian Lindner "knallharte vier Jahre" prognostizierte und Aufarbeitung forderte.
Doch nachdem aller guten Dinge drei sind, wagte Klamroth einen weiteren Anlauf und wandte sich mit der Personalfrage an Amthor ("Jeder kriegt einen ab heute Abend", wie Strack-Zimmermann kommentierte): "Die Leute fragen sich nicht zu allererst, was wird aus Strack-Zimmermann, Schmidt oder Amthor", redete sich der in Rage, "sondern in der schwierigen Situation, in der nur eine Koalition möglich ist, die sich niemand aus vollem Herzen gewünscht hat, fragen sich die Leute: Raufen sich die zusammen, kriegen die eine vernünftige Regierung hin? Das ist wichtiger als jede Personalie." Man müsse die Wirtschaft ankurbeln, aber vor allem Migration und Kriminalität in den Griff bekommen.
Andreas Audretsch: Merz-Zusammenarbeit mit AfD hat "wirklich das Vertrauen zerstört"
Auch wenn die AfD insbesondere mit dem Thema Migration punkten konnte, würden dahinter immer soziale Probleme stecken - hatte Journalistin Gilda Sahebi von Haustürwahlkämpfern erfahren. Die Vermögensungleichheit in den USA hätte bereits zur Wahl von Trump geführt und wachse auch hierzulande: "Es kann nicht gut gehen, dass Infrastruktur - Digitalisierung, Kita, Schulen - alles verliert, und die Vermögenden vermögender werden." Das Narrativ, dass daran die Migration schuld wäre, würde nicht nur die AfD, sondern auch die CDU streuen - bekam sie sich in dieser Sache mit Amthor in die Haare. "So geht die AfD-Erzählung Stück für Stück in den demokratischen Raum."
Das sah der CDU-Poltiker anders: Migration wäre für viele Menschen ein Problem. Mit dem 5-Punkte-Plan hätte die Union "eine Reihe an Vorschlägen gemacht". Angesichts der Wahlverluste der SPD an die AfD gehe er in Koalitionsverhandlungen von einer starken Bereitschaft aus, auf dieses Programm einzugehen. Dass Merz den Punkt der Inhaftnahme von 40.000 Sofort-Ausreisepflichtigen bereits zurückgenommen hatte, wie Klamroth zitierte, tat der CDU-Politiker als "Wortklauberei" ab und gab sich offen, sollte die SPD "klügere Vorschläge" haben.
Auf Kompromissbereitschaft seitens der Union gerade bei diesem Thema hoffte auch Wolfgang Schmidt. "Daran sollte Herr Merz arbeiten", denn etwas zur Not mit den Stimmen der AfD durchzusetzen, wäre keine richtige Haltung. Merz' Vorgehen im Bundestag vor einigen Wochen hätte "bei mir wirklich das Vertrauen zerstört", kritisierte auch Andreas Audretsch von den Grünen und plädierte - unter Applaus - nochmals dafür, dass eine solche Kooperation mit Rechtsextremen für alle auszuschließen wäre.
Bei Amthor kam dieser "antifaschistische Nachhilfeunterricht von Rot-Grün", gar nicht gut an. Die CDU mit einem braunen Mäntelchen in die Ecke zu stellen, hätte der politischen Mitte schweren Schaden zugefügt, wetterte er. "Ich wünsche Ihnen frohe Koalitionsverhandlungen", kommentierte Strack-Zimmermann die hitzigen Diskussionen trocken.