ARD-Talkshow mit Louis Klamroth

Lügen-Vorwurf wegen Bürgergeld-Zahlen: Das sagt der "Hart aber fair"-Faktencheck

13.02.2025 von SWYRL

Über das Thema Bürgergeld wurde am Montag bei "Hart aber fair" erregt gestritten. Zur Frage, wie viele "Totalverweigerer" eigentlich arbeiten könnten, warf Linken-Chef Jan van Aken Dorothee Bär (CSU) vor, wissentlich die Unwahrheit zu sagen. Wem geben die Zahlen recht?

Wie viele Menschen leben in Deutschland vom Bürgergeld, obwohl sie eigentlich erwerbsfähig wären? Über diese Frage entbrannte am Montag in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" ein Streit. In der "Der Vierkampf: Wer schafft es in den Bundestag, wer fliegt raus?" betitelten Sendung behauptete die CSU-Politikerin Dorothee Bär, dass von 5,5 Millionen Bürgergeld-Empfängern "1,7 Millionen arbeitsfähig" seien.

Jan van Aken warf Bär daraufhin vor, mehrere Gruppen zu vermengen, nämlich "Bürgergeldempfänger und diejenigen, die keinen Job bekommen. Es leben nicht 1,7 Millionen Menschen in der Hängematte", sagte der Bundesvorsitzende der Linken und unterstellte seiner CSU-Kollegin, "gelogen" zu haben. In Wahrheit gäbe es unter Bürgergeld-Empfängern nur einen kleinen Anteil "unter 1 Prozent, die arbeiten könnten und es verweigern".

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5,5 Millionen Bürgergeld-Empfänger - wie viele könnten arbeiten?

In ihrem regelmäßigen Faktencheck ist die "Hart aber fair"-Redaktion den einander widersprechenden Behauptungen der beiden Abgeordneten auf den Grund gegangen. Zutreffend ist laut Bundesagentur für Arbeit die Zahl von etwa 5,5 Millionen Menschen, die Bürgergeld beziehen - mit Stand Juni 2024. Davon seien 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche. Es blieben also knapp vier Millionen Menschen, die als grundsätzlich erwerbsfähig geführt werden.

Weiter heißt es im "Hart aber fair"-Faktencheck: "Mehr als die Hälfte davon stehen dem Arbeitsmarkt aber zurzeit nicht zur Verfügung - etwa, weil sie noch zur Schule gehen oder Auszubildende sind, Angehörige pflegen, arbeitsunfähig sind oder eine Maßnahme absolvieren, sich also zum Beispiel weiterbilden." Es blieben also 1,7 Millionen erwerbsfähige Arbeitslose - jene Zahl hatte Dorothee Bär in der Live-Sendung am Montag genannt.

"Doch in der Praxis", heißt es einschränkend auf der Sendungs-Website, "können viele dieser Menschen zumindest kurzfristig keine Stelle annehmen". Die Gründe seien vielfältig: "Oft haben Menschen im Bürgergeld-Bezug keine ausreichende Ausbildung oder haben gesundheitliche Probleme, die eine Arbeitsaufnahme erschweren." Hinzu komme: "Arbeitgeber scheuen oft das Risiko, diese Menschen einzustellen, und wenn doch, endet die Beschäftigung häufig schnell wieder."

Faktencheck bestätigt van Akens 1-Prozent-Aussage

Mit Blick auf die verhängten Sanktionen gegen sogenannte "Totalverweigerer" zeigt der Faktencheck auf, wie sich die von Jan van Aken genannte Zahl von 1 Prozent ergibt. So habe die Arbeitsagentur im Zeitraum von Februar bis Dezember 2023 nach eigenen Angaben 15.774 Leistungs-Minderungen mit der Begründung "Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses" ausgesprochen. Rechne man diese Daten aufs ganze Jahr hoch, so könne man "für 2023 von insgesamt 17.000 Menschen ausgehen - was angesichts von 1,7 Millionen Erwerbsfähigen ziemlich genau einem Prozent entspricht".

"Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth hatte am Montag neben den Parteienvertretern auch die Bürgergeld-Empfängerin Melanie aus Leipzig ins ARD-Studio eingeladen. "Da gab es schon einmal die Situation, dass ich an der Kasse stand und das Geld hat nicht gereicht", schilderte sie ihre prekären Umstände. Sie zeigte sich enttäuscht von Politikern, die meinten, sie wäre faul oder möchte nicht arbeiten gehen, ohne Hintergründe zu kennen.

Christian Lindner zieht Zahlen der Arbeitsagentur in Zweifel

"Schicksale wie Ihres, dafür ist die Solidargemeinschaft da", richtete daraufhin Dorothee Bär das Wort an Melanie, "aber wenn wir 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger haben und 1,7 Millionen sind arbeitswillig", brächte das Einnahmen von 2 bis 3 Milliarden Euro. "Das hilft auch den anderen, die nicht arbeiten können. Das ist Gerechtigkeit", meinte sie unter Applaus. Den Totalverweigerern wolle die Union nach der Wahl 100 Prozent der Leistung kürzen.

Bereits in der Live-Sendung hatte Moderator Louis Klamroth klargestellt: Von Februar bis Dezember 2023 hätte es 15.774 "Totalverweigerer" gegeben. "Das ist das, was die Arbeitsagentur sagt", warf daraufhin Christian Lindner ein und erntete ungläubiges Lachen aus dem Publikum. Der FDP-Chef beharrte: "Es gibt viele Kunden der Bundesagentur für Arbeit, wo seit über einem Jahr kein Kontakt aufgenommen wurde." Diese Behauptung des ehemaligen Finanzministers klärt der ARD-Faktencheck nicht.

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