26.11.2024 von SWYRL/Elisa Eberle
Was tun, wenn der neue Lieblingspapagei der Tochter, den man zur Pflege aufnimmt, plötzlich rechtradikale Parolen krächzt? Die Frage stellt sich der Tierheimleiterin Birgit Singer (Britta Hammelstein) im Fernsehfilm "Kommt ein Vogel geflogen", den ARTE erstmals zeigt.
Wer ist dafür verantwortlich, wenn ein ausgesetzter Papagei in seinem neuen zu Hause verfassungsfeindliche Parolen skandiert? Der Vogel selbst? Die Familie, die ihn aus vielleicht nicht gänzlich uneigennützigen Gründen bei sich aufnahm? Oder nicht doch eher derjenige, der dem Vogel die Parolen überhaupt erst beigebracht hat? Auch wenn diese Frage in "Kommt ein Vogel geflogen" bis zuletzt nicht eindeutig beantwortet wird, so bildet sie doch das bizarre Grundgerüst, um das sich der ungewöhnliche Fernsehfilm von Christian Werner bei ARTE dreht.
Drehbuchautorin Stefanie Fies erzählt in ihrem 106-minütigen Film von der fünfjährigen Sarah Singer (Pola Friedrichs), die gemeinsam mit ihren Eltern Birgit (Britta Hammelstein, "Heute stirbt hier Kainer") und Nathan (Hans Löw, "Ich bin dein Mensch") in einer kleinen Stadt in Süddeutschland lebt. Das kleine Mädchen hat es nicht leicht: Sie stottert und wird deswegen im Kindergarten gemobbt. Regelmäßig weigert sich Sarah deshalb im Kindergarten zu bleiben. Der verzweifelten Birgit bleibt nichts anderes übrig, als ihre Tochter mit zur ihrer Arbeit als Leiterin eines Tierheims zu nehmen.
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
Was tun mit einem rechtsradikalen Vogel?
Als eines Tages ein Gelbbrust-Ara namens Marlene im Tierheim abgegeben wird, schließt Sarah den Vogel sofort ins Herz. Da die Plätze im Tierheim ohnehin rar sind, lässt sich Birgit von Sarah dazu breitschlagen, Marlene mit nach Hause zu nehmen und macht schon bald eine faszinierende Entdeckung: Die kleine Sarah, die sich sonst so vehement weigert, ihre logopädischen Übungen zu machen, singt dem Papagei fehlerfrei "Kommt ein Vogel geflogen" vor.
Die anfängliche Begeisterung verpufft jedoch, als der Vogel seinerseits zu sprechen beginnt: Anstelle freundlicher Kinderlieder imitiert er Adolf Hitler und krächzt rechtsradikale Parolen. Ausgerechnet jetzt, denkt sich Birgit, da der Fortbestand ihres Tierheims vom Ausgang der bevorstehenden Bürgermeisterwahl abhängt und sich Sarahs jüdische Großeltern aus Frankreich zum Besuch ankündigen ...
Großartige Nachwuchsdarstellerin Pola Friedrichs
Wenn es einen deutschen Filmpreis für die beste Kinderdarstellerin im Erwachsenenfilm gäbe, so wäre Pola Friedrichs zweifellos eine aussichtsreiche Kandidatin: Anfang des Jahres überzeugte die 2015 geborene Darstellerin im Kinofilm "Eine Million Minuten": An der Seite von Karoline Herfurth und Tom Schilling spielte sie eindrucksvoll ein entwicklungsverzögertes Mädchen, das sich nichts sehnlicher als etwas mehr Familienzeit wünscht. Die stotternde Sarah verkörpert Pola derart überzeugend, dass sich das Publikum unweigerlich fragt: Stottert Pola vielleicht auch im echten Leben? Nein, tut sie nicht.
Insgesamt betrachtet hält Regisseur Christian Werner unserer zwischen gefeierter Vielfalt und online verbreitetem Hass oszillierenden Gesellschaft mit "Kommt ein Vogel geflogen" den Spiegel vor und lässt das Publikum am Ende berührt, aber auch ein wenig ratlos zurück: Als Komödie deklariert bietet der Film nur spärlich lustige Szenen. Auch an Klischees wie dem mittellosen Langzeit-Doktoranden Nathan, der über "Staaten bauende Insekten" promoviert, hätte hier und da ein wenig gespart werden dürfen.
Die Frage, wie mit schimpfenden Papageien umzugehen sei, stellen sich Vogelfreunde im Übrigen regelmäßig. Anfang des Jahres erst sorgten acht Graupapageien aus dem Lincolnshire Wildlife Park in England für Schlagzeilen, weil sie die Besucherinnen und Besucher gerne mit einem herzhaften "f.ck off" ("verpiss dich") bedachten. Die F.A.Z. wiederum berichtete bereits 2004 von Winston Churchills damals 104-jährigem Papagei Charlie, der gelegentlich auf Hitler und die Nazis schimpfte.